Identität noch ungeklärt - Hamas übergibt vier tote Geiseln
Mit unwürdigen Inszenierungen bei den bisherigen Übergaben von Geiseln im Gazastreifen hat die Hamas die Waffenruhe-Vereinbarung mit Israel ins Stocken gebracht. Diesmal lief es anders.
Die Hamas hat nach eigenen Angaben die Leichen von vier israelischen Geiseln im Gazastreifen an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben. Israelische Regierungsbeamte bestätigten Medien am späten Abend die Übergabe sterblicher Überreste - allerdings müssten die Toten nach einer ersten Begutachtung am Grenzübergang Kerem Schalom noch im Institut für Forensische Medizin in Tel Aviv zweifelsfrei identifiziert und die Angehörigen informiert werden, hieß es. Obduktionsergebnisse wurden bis zum frühen Morgen nicht bekannt.
Verständigung auf Deal
Wie von der israelischen Regierung gefordert, wurde die Übergabe diesmal nicht als Spektakel mit bewaffneten Hamas-Kämpfern und lauter Musik bei der Aushändigung der Särge inszeniert. Laut dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war darüber vorab Einigung mit den Islamisten erzielt worden. Seine Regierung hatte dies zur Voraussetzung für die Freilassung weiterer palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen gemacht.
Im Gegenzug für die Übergabe der toten Geiseln sollen rund 600 Palästinenser aus der Gefangenschaft freigelassen werden. Augenzeugen zufolge fuhr ein erster Bus mit Dutzenden Gefangenen vom Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland in Richtung Ramallah, hunderte andere wurden Medienberichten zufolge in den Gazastreifen gebracht. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira zeigte Aufnahmen, wie sie bei der Wiedervereinigung mit ihren Angehörigen jubelnd in Empfang genommen wurden.
Regierung will Identität noch nicht bestätigen
Angesichts der fälschlich vermeldeten Aushändigung toter Geiseln vor einigen Tagen, bei denen es sich - wie erst im Nachhinein festgestellt wurde - um die sterblichen Überreste anderer Menschen handelte, blieb die israelische Regierung diesmal vorsichtig. Sie wollte die Identität erst nach der forensischen Untersuchung der Leichen bestätigen.
Medienberichten und Angehörigen zufolge soll es sich wohl um die Überreste von vier israelischen Männern im Alter zwischen 50 und 86 Jahren handeln. Drei von ihnen waren am 7. Oktober 2023 aus zwei jüdischen Siedlungen nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt worden. Der vierte Mann wurde an jenem Tag beim Überfall der Hamas auf den Süden Israels getötet, seine Leiche nach Gaza verschleppt.
Noch Dutzende Geiseln in ihrer Gewalt
Sollte die Identität der nun ausgehändigten Leichen bestätigt werden, wäre die in der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas vorgesehene Übergabe von 33 Geiseln aus dem Gazastreifen - darunter acht Tote - abgeschlossen. Im Gegenzug sollten 1.904 Palästinenser aus israelischer Gefangenschaft freikommen. Die erste Phase des Abkommens soll offiziell am Wochenende enden.
Verhandlungen über längeren Frieden
Nach Angaben der als Vermittler fungierenden Regierung Katars sieht die Vereinbarung vor, dass die erste Phase fortdauern kann, solange beide Konfliktparteien über die zweite Phase verhandeln. Diese soll zu einem endgültigen Ende des Kriegs sowie zur Freilassung der restlichen Geiseln führen. Die Kämpfe könnten also weiter ausgesetzt bleiben - obwohl beide Kriegsparteien Berichten zufolge bislang, anders als vorgesehen, noch gar keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase geführt haben. Ausgegangen wird davon, dass jetzt noch 59 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden, von denen aber nur noch 27 am Leben sein sollen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker am 7. Oktober 2023, bei dem die Hamas und andere Islamisten rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere aus Israel in den Gazastreifen verschleppt hatten. Seitdem wurden nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen mehr als 48.300 Menschen getötet, darunter Tausende Frauen und Minderjährige. Die Zahlen werden von den Vereinten Nationen als ziemlich glaubwürdig eingestuft.