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> Gehalt bleibt, Freitags frei: 4-Tage-Woche im Gießener Malerbetrieb
26.04.2023, 09:44 Uhr
Gehalt bleibt, Freitags frei -
4-Tage-Woche in Gießener Malerbetrieb
© Symbolbild/dpa
Das Handwerk will attraktiver werden für jüngere Beschäftigte. Auch das ist ein Grund, eine Vier-Tage-Woche einzuführen.
Weniger Arbeitszeit bei gleichem Gehalt: Der Malerbetrieb Großhaus aus Pohlheim-Garbenteich führt die Vier-Tage-Arbeitswoche ein.
Der Betrieb aus dem Landkreis Gießen hofft auf produktivere Tage und weniger Krankheitsfälle. Drei Freitage haben die Angestellten seit Anfang April nun frei.
Handwerk will für jüngere Beschäftigte attraktiver werden
Nur wenige andere Handwerksbetriebe in Hessen testen das Konzept bereits. Malermeister Dirk Großhaus will nun für junge Arbeitskräfte attraktiv werden und seinen älteren Angestellten ein längeres Wochenende zum Regenerieren gönnen. Deshalb hat er ein Vier-Tage-Modell bei vollem Gehalt ausgetüftelt.
Malermeister Dirk Großhaus hat schon länger über die Vier-Tage-Woche nachgedacht
"Wir hoffen, dass wir damit auch für jüngere Menschen als Arbeitgeber attraktiver werden."
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Die Vier-Tage-Woche kursiert hier schon lange und dann habe ich mir schon mal meine Gedanken gemacht, das wäre eigentlich auch was für uns für den Betrieb. Einmal für die Mitarbeitergewinnung, dass man eventuell dadurch neue Mitarbeiter aktiviert. Oder auch für die Jugend interessant wird, die ja im Moment doch mehr studieren wollen wie in Sandberg gehen. Wenn man nur noch vier Tage arbeitet, man hat ein langes Wochenende, man hat viel mehr Regenerationszeit. Also bringt das in meinen Augen schon für die Mitarbeiter was.
Malermeister Dirk Großhaus stellt sein Arbeitszeitmodell vor
"Wir arbeiten an vier Tagen neun Stunden und haben drei freie Freitage im Monat."
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Also das Modell funktioniert eigentlich so, wir machen die Dreiviertel-Viertagewoche, das heißt wir arbeiten täglich neun Stunden, machen einen Freitag im Monat voll mit acht Stunden, haben dadurch die 38-Stunden-Woche und bei dem vollen Lohnausgleich. Normal sind ja sechs Wochen Urlaub hatten Mitarbeiter, die sechs Wochen bleiben auch bestehen und dann waren auch alle mehr oder weniger begeistert davon und haben alle gesagt, wir machen damit, wir probieren das aus. Der erste Monat ist eigentlich bis jetzt sehr gut angelaufen, gut, der erste Freitag war halt gleich ein Feiertag, aber jetzt waren schon zwei Freitage hintereinander, wo sie frei hatten und ich habe nichts Negatives gehört. Auch die Kunden haben es bisher akzeptiert, dass wir Freitags nicht mehr an der Baustelle sind. Der Chef hat der Freitag auch frei? Nein, der Chef hat Freitags nicht frei, der nimmt dann halt Kundentermine wahr, macht Büroarbeit, die er vielleicht sonst samstags gemacht hätte.
Malerbetrieb Großhaus verzichtet auf Lohnkürzung für die Vier-Tage-Woche
Das Modell sieht eine tägliche Arbeitszeit von neun Stunden und drei freie Freitage im Monat vor. Rund zwei Arbeitsstunden pro Mitarbeiter und Woche nimmt der Chef auf seine Rechnung, denn, so Dirk Großhaus im FFH-Gespräch: "Den Lohn kürzen, das geht ja bei den steigenden Lebenshaltungskosten nicht."
"Win-Win-Situation" für Betrieb und Arbeitnehmer
Wer vier statt fünf Tage arbeitet, sei produktiver und seltener krank, damit wirbt die Vier-Tage-Woche bei Arbeitnehmern. Auch Dirk Großhaus beschreibt die Umstellung der wöchentlichen Arbeitstage als "Win-Win-Situation". Er unterstütze die Entlastung seiner sechs Angestellten, die ab sofort einen Tag weniger arbeiten und dann mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys haben. Drei Freitage im Monat bleiben frei, einer wird gearbeitet.
Malergeselle Thomas Funk ist mit der Vier-Tage-Woche zufrieden
"Wir haben uns Gedanken gemacht, aber auch das Gehalt ist gleichgeblieben. Das ist schon gut."
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Ja, es hat uns schon gefreut, weil wir sind ja schon eine ältere Generation. Nach vier Tagen, da kann man sich ein bisschen mehr regenerieren. Und wir haben uns dann alle einen Kopf gemacht, ob alles so gleich bleibt mit dem Geld. Bis jetzt ist alles in Ordnung. Ich will ja auch ein bisschen ruhiger, dass man dann ein bisschen ausgeruhter ist an der Arbeit. Und dann kann man wieder richtig loslegen. Und die vier Tage, die gehen schnell rum.
Malergeselle Thomas Funk musste sich erst umgewöhnen
"Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte an dem Freitag. Ich bin dann zum Friseur gegangen und habe das Auto gewaschen."
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Das war ungewöhnlich für mich. Ich bin total... Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich war beim Friseur, ich war das Auto waschen, aber ich musste irgendwas Handwerkliches machen. Ich musste arbeiten. Und das ist für mich schwergefallen. Das müssen wir halt uns aneignen, dass man da regeneriert.
Umverteilung der Arbeitszeit
Private Termine wie Arztbesuche aber auch die Touren zu Baustellen können mit der Vier-Tage-Woche besser geplant werden, so Großhaus. Das spart auch ihm Spritkosten und Ausfälle im Betrieb ein. Außerdem überlegte sich der Geschäftsführer sein eigenes Konzept, um die Stunden vom fünften Tag zu verteilen: An den vier Arbeitstagen pro Woche kommt lediglich eine halbe Stunde mehr dazu. Zusätzlich übernimmt jeder einmal im Monat einen Freitag mit acht Stunden Arbeitszeit.
Weniger Urlaub für längere Wochenenden
Zusammengerechnet kommen die Angestellten so auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Das Gehalt bleibt dabei gleich, die bisherigen Urlaubstage verringern sich jedoch auf 25 Stück im Jahr. Fünf Tage Urlaub weniger? Ein ganz guter Tausch, dafür dass es auch 36 Arbeitstage weniger im Jahr sind, findet Dirk Großhaus.
© FFH
Der Malerbetrieb Großhaus testet ab sofort bis Ende des Jahres das neue Arbeitszeitmodell. Danach entscheidet Dirk Großhaus zusammen mit seinem Team ob die Vier-Tage-Woche zum Dauerkonzept wird.
Arbeitgeber hofft auf Verständnis von der Kundenseite
Keine Malerarbeiten mehr an Freitagen. Großhaus wartet gespannt auf die Reaktion der Kunden. Die ist ausschlaggebend dafür, ob das Konzept langfristig funktionieren kann. Er hofft auf Verständnis für die Entscheidung, schließlich muss das Modell für den Betrieb, die Beschäftigten und auch für die Kunden passend sein.