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> Ausbildungsstart 2023 in Hessen: So ködern die Arbeitgeber die Azubis
09.08.2023, 10:28 Uhr
Ausbildungsstart 2023 in Hessen -
Das bieten die Arbeitgeber unseren Azubis
© dpa
Ausbildung bei den Verkehrsbetrieben irgendwo in Hessen? In Kassel können sich Lehrlinge auf Iphone und Laptop freuen (Symbolbild).
In Hessen hat der Endspurt auf dem Ausbildungsmarkt begonnen. Laut Arbeitsagentur waren Mitte Juli noch 14.000 Lehrstellen frei.
Der hessische Arbeitsagenturchef Frank Martin sagt im FFH-Gespräch: Viele junge Leute brauchen Infos und Orientierung, um von den vielen Möglichkeiten nicht überfordert zu sein.
Arbeitsagentur und Land Hessen haben ein Online-Portal zur Orientierung geschaltet
Da mehr Lehrstellen als suchende junge Leute in Hessen gemeldet sind, müssen Arbeitgeber sich ins Zeug legen, um attraktiv zu sein. FFH-Recherchen zeigen, dass sich einiges tut auf dem "Azubi-Angebotsmarkt".
Frank Martin, Chef der Arbeitsagentur Hessen
"Manche Arbeitgeber auf dem Land, zum Beispiel Handwerker oder Einzelhändler finden gar keine Bewerber mehr."
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Es ist immer schwieriger für Unternehmen überhaupt Bewerbungen zu bekommen. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen oder auch solche in ländlichen Regionen haben große Probleme. Handwerksunternehmen haben große Probleme, Auszubildende zu finden. Wir haben in den aktuellen Zahlen alleine noch eine Größenordnung von 14.000 Stellen am Ausbildungsmarkt, die wir besetzen können. Und wir haben gleichzeitig 10.300 junge Leute, die noch suchen.
Frank Martin, Chef der Arbeitsagentur Hessen
"Die jungen Leute brauchen Orientierung. Manche sind überfordert angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten."
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Wir haben zum einen wieder mehr Ausbildungsmessen machen können und wir sind vor allem wieder viel stärker natürlich an den Schulen präsent. Mit Berufsorientierung, das ist das mittlerweile, junge Leute im Grunde die drohende Überforderung zu nehmen, aufgrund wahnsinnig vieler Möglichkeiten im Studienbereich, im Ausbildungsbereich, was kann ich überhaupt werden, um hier eine Orientierung zu geben, insbesondere all jenen jungen Leuten, die diese Orientierung vielleicht aus dem Elternhaus, aus dem Bekanntenkreis nicht mitbekommen.
Noch 10.000 junge Erwachsene suchen einen Ausbildungsplatz
In diesem Jahr wurden der hessischen Arbeitsagentur bisher etwa 33.270 Ausbildungsplätze gemeldet, denen rund 31.800 junge Menschen auf der Suche nach einer Lehrstelle gegenüberstehen. Es gibt also mehr Lehrstellen als Bewerber. Dabei waren Mitte Juli noch gut 10.000 junge Männer und Frauen auf der Suche - bei etwa 14.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen.
Offene Stellen in fast allen Branchen
Offene Ausbildungsstellen gibt es dabei noch in fast allen Branchen, im Handel, in Büros, der Logistik, in Krankenhäusern, Banken, auf Baustellen und in Bäckereien. Für manchen Ausbildungsplatz im Handwerk und/oder auf dem Land findet sich kaum noch ein Bewerber oder eine Bewerberin.
Besonders viele freie Angebote in Fulda, Limburg und Bad Hersfeld
Die Arbeitsagentur hat eine Zwischenbilanz gezogen: Danach gibt es die meisten unbesetzten Ausbildungsplätze pro Bewerber derzeit im Bereich Bad-Hersfeld-Fulda und Limburg-Wetzlar.
Was wünschen sich die Jugendlichen für ihre Ausbildung?
Die FFH-Reporter haben nachgefragt, was sich Arbeitgeber einfallen lassen, um attraktiv zu sein für ihre jungen Bewerber und was die Bewerber sich eigentlich wünschen. Jugendliche am Neustädter Tor in Gießen wollen natürlich mehr Geld, vor allem aber wollen sie eine gute Ausbildung und nicht als bessere Aushilfe behandelt werden.
Das sagen Jugendliche am Neustädter Tor in Gießen
Wir wünschen uns richtige Ausbildung und wollen nicht nur als bessere Aushilfen behandelt werden. Außerdem wäre eine bessere Vergütung schön
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Ich wünsche mir ein bisschen Freiheit zu haben, dass ich ein paar Stunden wenigstens frei habe, außer dieses Wochenende. Dass ich nicht so viel machen muss, auf jeden Fall. Also ich glaube, voll oft geht es um mehr Wertschätzung, zum Beispiel gerade in der Pflege. Da ist so viel Mangel und die verdienen auch nicht genug und so, und da ist so viel Druck. Ich hatte überlegt, eine Ausbildung zu machen, aber ich war mir dann doch ein bisschen unsicher, weil was man so in der Schule gesagt bekommt, ist so Tischler oder so, oder Ausbildung zur Einzelhandel, keine Ahnung. Weil das, was man so gesagt bekommt, ist immer so, okay, du hast jetzt Realschulabschluss, du musst jetzt eine Ausbildung machen. Das sind dann irgendwie so Jobs, die sind so, okay, damit muss ich dann mein Leben verbringen, aber nicht so, wo man so richtig Lust zu hat. Ich würde einmal sagen, mit Geld, dann noch mit Abwechslung, dass man richtig gefordert ist und dass dann unter Kollegen, Arbeitgebern mehr so eine freundschaftliche Atmosphäre da ist. Also ich höre so oft, dass Leute in der Ausbildung so fertig gemacht werden und dass sie so traurig sind und die Ausbildung abbrechen, weil es so hoher Druck ist, dass man irgendwie nur am Kupierer steht oder Kaffee kocht oder putzen muss. Also dass man nicht so richtig fürs Lernen und einfach so das Mädchen für alles ist. Ich denke, dass eine Ausbildung finanziell attraktiver gemacht werden sollte, durch mehr Geld, teilweise dann mehr praktische Arbeit. Es gibt auf jeden Fall viele Ausbildungen, wo die Auszubildenden zu wenig lernen für das, was sie eigentlich machen und eigentlich nur quasi Aushilfen sind, ohne wirklich was zu lernen. Also ich wünsche mir, mindestens einen Tag in der Woche frei zu haben für Hobbys und Freunde treffen und Vergünstigungen, aber das wäre nur im Optimalfall.
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Lehrstelle im Sanitärbereich gefällig? Auch die Firma Thiele Heizung und Sanitär verspricht ein Iphone und ein Laptop, außerdem betriebliche Altersvorsorge und Fortbildungen (Symbolbild).
Was bieten die Firmen in Hessen ihrem Nachwuchs?
Ein Blick in Stellenbeschreibungen zeigt, womit Azubis in Hessen rechnen können. Im Hofgut Georgenthal in Hohenstein zum Beispiel können Azubis immer umsonst Essen und Trinken. In der Kette Bäckerei Biokaiser setzt man ganz auf Nachhaltigkeit und will dort die Azubis einbinden: Mit einem eigenen Weizenevolutions-Feld, Streuobstwiesenpflege und sogar dem gemeinsamen Besuch von Fridays-for-Future-Demos. Außerdem soll es 50 Euro im Monat zusätzlich bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel geben.
Viertagewoche für Lehrlinge in Kassel
Auch Stoll Hörgeräte-Akustik Taunusstein setzt auf abwechslungsreiche Ausbildung und bietet die Mitnahme auf Kongresse an, sowie die Kostenübernahme der Berufsschule. Ganz modern präsentiert sich die Firma Reuse in Kassel, dort können selbst Azubis in einer Viertagewoche arbeiten, wie FFH berichtet. Bei der Awo in Nordhessen gibt es Jobtickets und Zuschüsse zur Kinderbetreuung und für das Fitnessstudio. B.Braun in bad Arolsen wirbt mit Auslandsaufenthalten und Englisch-Kursen.
Freitags immer frei - von so einer Arbeitswoche träumen viele. Für die 40…
Iphone und Laptop bei den Kasseler Verkehrsbetrieben
Wer bei den Kasseler Verkehrsbetrieben für die Ausbildung anheuert, kann sich über 400 Euro Prämie und einen Laptop freuen, außerdem geht es für ihn oder sie günstiger in den Auepark und in ein Fitnessstudio. Ganz modern sind die Arbeitsagenturen in Kassel, Marburg oder Fulda selbst bei ihrer Nachwuchs-Suche. Hier können auch Ausbildungen in Teilzeit absolviert werden. Genauso hält es die Targobank in Kassel und legt bei guter und sehr guter Abschlussprüfung noch eine Sonderzahlung obendrauf.
Gießener Gastrobetreiber zahlt Lehrlingen den Führerschein
Man muss etwas tun für die jungen Leute, sagt auch der Gießener Gastro-Betreiber Markus Urich vom Restaurant Kloster Schiffenberg. Seine Lehrlinge machen den Führerschein kostenfrei und bekommen bei erfolgreicher Übernahme sogar einen Dienstwagen. Bei der Firma Thiele Heizung und Sanitär in Gießen versprechen die Stellenanzeigen betriebliche Altersvorsorge, ein eigenes iPhone und Tablet und regelmäßige Fortbildungen.
Markus Urich betreibt das Restaurant Kloster Schiffenberg
"Wir versuchen unseren Auszubildenden etwas zu bieten und sie an uns zu binden. Die Kochlehrlinge schauen auch in andere Bereiche und fahren auf Events mit. Außerdem zahlen wir den Führerschein und bei erfolgreicher Übernahme auch schon mal einen Dienstwagen."
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Bei den Azubis selber ist es, dass wir denen anbieten, dass sie in unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Bei uns sind sie nicht einfach nur stur in der Küche bei uns und zubereiten à la carte Geschäft, sondern die gehen mit auf Events, mit auf große Konzerte. Also die sehen auch bei uns was. Die Azubis wissen, wenn sie bei uns ausgelernt haben, können sie kochen und sind für andere Arbeitgeber sehr gefragte Menschen. Die Vergütung ist, glaube ich, für die Azubis ganz, ganz wichtig. Die ist ja über die letzten Jahre auch extrem gestiegen, gerade in dem Bereich Koch. Wir bezahlen zum Beispiel unseren Azubis einen Führerschein oder sagen, wenn du nach der Lehre bei uns bleibst als Koch, bekommst du von uns ein Auto gestellt. Und das sind Sachen, man muss einfach einen Mehrwert kreieren für die Leute und muss die so auch an sich binden.
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In der Pflege werden händeringend nach Azubis gesucht. Die Awo Nordhessen sagt: Bei uns gibt es Jobtickets und Zuschüsse zur Kinderbetreuung.
Um junge Menschen für Ausbildungen in Handwerk und Industrie zu begeistern, bewegen sich seit Jahren auch die Lobby- und Ständeorganisationen. Die Handwerkskammer in Mittelhessen setzt so auf Azubi-Guides. Die selber noch jugendlichen Mentoren kommen in Schulklassen und sprechen mit den Kids - anstelle von Berufsberatern oder Chefs, erzählt uns Björn Hendrischke von der Kreishandwerkerschaft in Gießen.
Außerdem initiiert das Land ab 2024 eine sogenannte Praktikumswoche. Die soll sowohl in den Ferien als auch in den Wochen vor der Sommerferien stattfinden können und Jugendlichen ermöglichen, auch kurzfristig in ihren Traumberuf hineinzuschnuppern.