Bürgerbegehren in Amöneburg - "Straße des Prügelpriesters umbenennen!"
Auf die Gemeinde Amöneburg im Landkreis Marburg-Biedenkopf kommt ein Bürgerbegehren und möglicherweise ein Bürgerentscheid zu.
Über 450 Amöneburger und Amöneburgerinnen fordern, die Dr. Josef-Gutmann-Straße umzubennen. Sie trägt den Namen des sogenannten Prügelpriesters von Amöneburg.
Einstiges Opfer sagt: "Endlich wird darüber gesprochen"!
Am Donnerstag werden die Unterschriftenlisten im Rathaus übergeben. Initiator Winfried Kaul sagt im FFH-Interview: "Es ist gut, dass über diese Dinge und die Schläge, die viele erlitten haben, jetzt gesprochen wird. Das macht mir Mut!"
Schulleiter prügelte wahllos auf Kinder ein - alle schauten weg
Josef Gutmann hatte in den 50er und 60er Jahren als Schuldirektor der Stiftsschule St. Johann in Amöneburg nachweislich Kinder schwer misshandelt und geprügelt, das ergaben mittlerweile Gutachten (Auszüge siehe unten). Wohl auch deshalb war er Anfang der 60er Jahre mit 51 Jahren in den Ruhestand versetzt worden.
Gutmann galt als Macher und Schläger
Weil Gutmann aber die 1939 von den Nazis geschlossene Stiftsschule wieder zu einem anerkannten Gymnasium entwickelte, ernannten die Stadtverordneten von Amöneburg in den 70er Jahren eine Straße in einem Neubaugebiet nach dem gewalttätigen Mann: Die Josef-Gutmann-Straße. Bisherige Versuche, die Straße umzubennenen lehnt die Mehrheit der Stadtverordneten stets ab. Doch nun droht durch die Unterschriftensammlung ein Bürgerentscheid.
Seit 1949 war Kinder-Prügeln in Hessen verboten
Eines seiner Opfer ist Winfried Kaul, mittlerweile über 80 Jahre. Im FFH-Gespräch zeigt der alte Pädagoge sichtlich bewegt viele Unterschriftenlisten auf dem Wohnzimmertisch vor ihm. Jüngere Amöneburger würden sie derzeit sammeln und sich so gegen Gewalt gegen Kinder einsetzen. Es sei das Gesprächsthema im Dorf. Auch Winfried Kaul hat der Prügelpriester misshandelt - wie hier im Audiofile nachzuhören ist. Die Misshandlungen sind noch heute für den Amöneburger präsent, wie eine Narbe, die immer wieder aufplatze.
Viele kommen einfach und wollen unterschriebn
Seit Start der Unterschriftenaktion, so erzählt Kaul, meldeten sich viel ältere Menschen bei ihm, manche kämen einfach vorbei und klingelten: "Sie wollen mir ihre Geschichte zu erzählen, viele sprechen zum ersten Mal darüber, weil sie sich so schämen." Sie berichten von Schlägen und Tritten, von bleibenden Hörschäden und vom lebenslangen Gefühl, als junges Kind schweres Unrecht erlitten zu haben, dass kein Erwachsener je anerkannte.
Gutachten dokumentiert bereits die Misshandlungen
Die Geschichte des Straßennamens wie des Prügelpriesters ist weitgehend unstrittig in Amöneburg, trotzdem lehnten die Stadtverordneten mehrheitlich eine Umbenennung der Straße erst 2022 ab. Die Mehrheit der Anwohner in der Straße sei dagegen, wolle nicht alle Pässe und Daten ändern müssen, hieß es. Dabei dokumentierte bereits ein anerkanntes Gutachten das Handeln des Dr. Josef Gutmann in Amöneburg.
Aus dem Gutachten, das über die Tätigkeit von Josef-Gutmann erstellt worden war
Erinnerungen des einstigen Schülers Klaus Roessel
„Josef Gutmann duldete keinen Widerspruch, alle seine Anordnungen mussten von uns wie vorgegeben ausgeführt werden. Jeder Schüler kannte die Folgen, die eine Befehlsverweigerung nach sich zog. Josef Gutmann nahm sich den Widersacher vor, setzte seine Brille ab, streifte die Uhr ab und deckte den Renitenten mit einer Salve von Ohrfeigen ein. Er drosch dann solange auf den armen Teufel ein, bis er [] körperlich kapitulieren musste.“
Erinnerungen des Schülers Dietmar Körner
"Einer Person Ehre zu Teil werden zu lassen, die ihre Schutzbefohlenen furchtbar geschlagen hat, die, teilweise noch schlimmer, deren Schwächen verhöhnt und der Öffentlichkeit preisgegeben hat, ist menschenverachtend. [] es waren keine damals üblichen Schläge oder sogenannte Watschen, es waren brutalste Prügelattacken. Die Erinnerung an einen Schläger und ein irreparabler Hörschaden sind mir geblieben.“
Erinnerungen des Schülers Peter Aßmann
Aßmann musste zum Schulleiter, als er sich unerlaubt in der Kirche auf eine Bank gesetzt hatte: "Kaum im Zimmer angekommen, schlug Dr. Gutmann mit stärkster Brutalität auf mich ein. Als ich wie benommen das Zimmer verlassen wollte, schlug die Tür etwas heftiger ins Schloss, obwohl ich sie nicht berührt hatte...ich wurde zurückgerufen, und die Tortur begann erneut mit heftigen Schlägen ins Gesicht. Ich blutete stark und hätte ins Krankenhaus gemusst. Auf dem rechten Ohr konnte ich kaum noch hören; der Schaden ist bis heute geblieben. Ich wurde aus Schule und Internat entlassen. Nach 24 Stunden traf ich zu Hause ein, und meine Mutter war entsetzt über meinen desolaten Zustand."
Wenn die Unterschriften übergeben sind, werden sie von der Stadt auf ihre Gütligkeit hin kontrolliert. Gibt es mindestens 415 gültige Unterschriften Amöneburger Bürger, wird die Stadtverordnetenversammlung voraussichtlich Ende April entscheiden, ob die Straße doch umbenannt wird. Lehnen die Stadtverordneten das Bürgerbegehren ab, kommt es im Laufe des Jahres zu einem Bürgerentscheid und alle Amöneburger sind gefragt.
Mindestens 415 gültige Unterschriften müssen vorliegen
Winfried Kaul hofft, dass es nicht soweit kommt: "Ich wünsche mir, dass die Straße umbenannt wird und die Anwohner dafür vielleicht auch Vorschläge machen können."