Nachrichten
>
Mittelhessen,
Top-Meldungen
> Uni Marburg baut neues Hochsicherheitslabor für Virenforschung
14.10.2024, 15:50 Uhr
Arbeit mit gefährlichen Viren -
Uni Marburg baut Hochsicherheitslabor
© HIT RADIO FFH
Grundsteinlegung an der Universität Marburg. Hier entsteht ein neues Hochsicherheitslabor für die Virenforschung. Von links: Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spiess, Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels, Virologie-Institutsleiter Prof. Stephan Becker, Unipräsident Prof. Thomas Nauu
Marburg bekommt ein neues Hochsicherheitslabor für die Virenforschung - jetzt war die Grundsteinlegung für das 50-Millionen-Euro-Projekt der Philipps-Universität.
Das „Marburg Centre for Epidemic Preparedness“ (MCEP) wird ein Labor der höchsten Sicherheitsstufe (BSL-4) sein. Es entsteht auf dem Campus Lahnberge direkt am bereits bestehenden Labor. 2027 soll es in Betrieb genommen werden.
Eng verzahnte Arbeit in Marburg möglich
Das neue BSL-4-Labor wird gemeinsam von Bund, Land und der Universität finanziert. Es soll doppelt so groß werden wie das bisherige Labor, das in die Jahre gekommen ist und saniert werden muss. Uni-Präsident Professor Thomas Nauss sagt zu HIT RADIO FFH: "Wir werden noch mehr Forschung betreiben können."
Perfekte Lage in Marburg
Es sei ein Herausstellungsmerkmal, dass in Marburg die Grundlagenforschung direkt neben einer Uniklinik liege und zudem mit dem Emil-Behring-Areal die Möglichkeit der Impfstoffproduktion gegeben sei. "Und das alles innerhalb weniger Kilometer!", so Nauss.
Weitere Pandemien befürchtet
Unipräsident Nauss geht im Gespräch mit HIT RADIO FFH davon aus, dass es weitere Pandemien geben wird - das sage schon die Wahrscheinlichkeit. Zudem der Klimawandel und die Wanderung von Tieren in unsere Breitengrade, die hier früher nicht gelebt hätten. "Dann wird sich zeigen, ob neue Viren ein Fall für unser Hochsicherheitslabor sind oder eben nicht."
Unipräsident Nauss: "Es ist fest damit zu rechnen, dass wir wieder eine Pandemie haben werden."
Unipräsident Prof. Dr. Thomas Nauss über die Relevanz der Forschung am neuen Labor.
Automatisch erstellte Abschrift des Audios:
Ganz sicher, also die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das nicht die letzte Pandemie war. Und wenn wir an Klimawandel denken, wenn wir an zoonotische Viren, also Viren, die aus dem Tierreich auf den Menschen überspringen, denken, an Verschiebungen von Tieren, die in unserem Breiten auf einmal vorkommen und Krankheiten übertragen können, dann ist fest damit zu rechnen, dass wir wieder eine Pandemie irgendwann einmal haben werden. Und ob es dann, wie bei Corona glücklicherweise, letztendlich kein Fall für ein BSL-4-Labor ist oder im ungünstigen Fall ein Fall für ein BSL-4-Labor ist, werden wir dann sehen. Ein unbekanntes Virus ist auf jeden Fall erstmal ein Fall für ein Hochsicherheitslabor.
Nauss: "Mehr Möglichkeiten zur Forschung."
Prof. Nauss über das neue Hochsicherheitslabor.
Automatisch erstellte Abschrift des Audios:
Das alte BSL-4-Labor, das wir seit 17 Jahren haben und das das einzige an einer deutschen Universität ist, ist in die Jahre gekommen. Wir müssen es jetzt dann sanieren, um diesen hohen Sicherheitsstandard halten zu können. Und deshalb kommt der Neubau genau richtig, dass wir ohne Unterbrechung hier weiterhin ein BSL-4-Standort sind. Und dazu können wir den neuen BSL-4-Bau deutlich größer bauen, als der alte war und können damit noch mehr Forschung gleichzeitig in diesem Labor realisieren. Ein Herausstellungsmerkmal ist sicherlich, dass wir hier auf wenige Kilometer Distanz bis hin zu dem Bering-Pharma-Standort alles haben. Von der Grundlagenforschung über ein Universitätsklinikum, in dem Patienten und Patientinnen behandelt werden, bis hin zum Bering-Campus, wo wir Impfstoffe und Therapeutika herstellen können. Sodass man wirklich hier auf wenige Meter eine Pipeline aufbauen kann von der Grundlagenforschung bis zur Patientenversorgung.
© dpa
Das BSL-4-Labor an der Uni Marburg ist in die Jahre gekommen. Jetzt wird ein neues gebaut. Gearbeitet wird hier nur in Hochsicherheits-Anzügen (Archivbild).
Ebola-Virus unter den Mikroskopen
Das Team um Virologie-Institutsleiter Professor Stephan Becker ist mehr als erfahren. Ein Teil der Forscher habe bereits das erste Hochsicherheitslabor vor 17 Jahren aufgebaut und könne diese Expertise nun einbringen. Auch das Corona-Virus wurde hier zunächst erforscht, aber, so Professor Becker, "es fällt nicht mehr in unseren Bereich. Wir erforschen zum Beispiel den Ebola-Virus oder den Lassa-Virus. Und das ist auch nur in einem solchen hochgeschützten Umfeld möglich."
Impfstoffe entwickeln
Deshalb sei das neue Hochsicherheitslabor notwendig, denn "gegen solche gefährlichen Viren müssen wir Impfstoffe oder antivirale Medikamente entwickeln." Nur wenige Forscher haben Zugang und die Expertise, hier zu arbeiten. Es dauere bis zu einem Jahr des Trainings bis selbst erfahrene Virologen eigenständig in einem BSL-4-Labor arbeiten und forschen könnten, schildert Becker.
Prof. Becker: "Das Corona-Virus war nur am Anfang ein Fall für das Hochsicherheitslabor."
Professor Stephan Becker, Leiter des virologischen Institutes der Uni Marburg, über das Corona-Virus.
Automatisch erstellte Abschrift des Audios:
Für mich ist das total wichtig als Kontinuität von unserer Arbeit. Die Corona-Pandemie war ja wirklich gesellschaftserschütternd. Aber Coronaviren sind keine hochpathogenen Viren, mit denen wir hier normalerweise in diesen Laboren arbeiten. Wir haben mit dem Coronavirus hier drin gearbeitet, weil das zu Anfang neu war und man nicht genau wusste, wie gefährlich ist es eigentlich. Und um das zu erforschen, braucht man auch so ein Hochsicherheitslabor, wo man eben sicher sein kann, dass egal wie gefährlich das Virus ist, man sowohl für die Umwelt als auch für die Mitarbeitenden quasi ein sicheres Containment bietet.
Prof. Becker: "Man fängt an, mit Viren zu arbeiten, die nicht so gefährlich für den Menschen sind."
Professor Becker über den Werdegang der Forschenden im Hochsicherheitslabor.
Automatisch erstellte Abschrift des Audios:
Es geht ja nicht nur darum, dass das Labor da steht und quasi die technische Sicherheit bietet, sondern es muss ja auch betrieben werden von Menschen, die da drin arbeiten. Und dazu ist es entscheidend wichtig, dass die, die da drin arbeiten, wirklich gut ausgebildet sind. Und da fängt man an, mit Viren zu arbeiten, die nicht so hoch pathogen sind, also nicht so gefährlich für die Menschen, und lernt die Methoden, die man braucht, um solche Viren zu erforschen. Und dann in dem nächsten Schritt wird man dann eingeladen, in diesem BSL-4-Labor zu arbeiten. Und das geschieht dann, indem man mit einem Scout arbeitet, also einer Person, die sich sehr gut auskennt in dem Labor, und die dann in der Lage ist, einen so Stück für Stück, Schritt für Schritt in diese Arbeiten in dem BSL-4-Labor einzugewöhnen. Und das ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Man arbeitet da in einem Schutzanzug, der von außen belüftet ist. Man muss diese ganzen Verfahren beachten, die notwendig sind, damit wirklich die Sicherheit in dem Labor gewährleistet ist. Und das dauert eine ganze Zeit lang. Also insgesamt rechnen wir jetzt circa mit einem Dreivierteljahr Einarbeitungszeit, bis dann tatsächlich die Person, die schon mit Viren umgehen kann, dann in dem Labor selbst arbeitet.
Labor geht im Jubiläumsjahr der Uni in Betrieb
Das neue Labor soll im Jahr 2027 seine Arbeit aufnehmen - pünktlich zum großen Jubiläum der Philipps-Universität. Das sei das Ziel, so die einhellige Meinung bei der Grundsteinlegung, bei der unter anderem Wissenschaftsminister Timon Gremmels, Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Thomas Platte, Direktor des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen (LBIH), teilnahmen.
© dpa
Prof. Dr. Stephan Becker, Leiter des Marburger Virologie-Institutes.
Prof. Becker: "Mit solchen hochgefährlichen Viren kann man nur in diesen Laboren arbeiten."
Prof. Becker über die Gefahren im Hochsicherheitslabor.
Automatisch erstellte Abschrift des Audios:
Hier in diesen Sicherheitslaboren arbeitet man mit Viren, die lebensbedrohlich sind, also zum Beispiel Ebola-Virus oder Nipah-Virus oder Lassa-Virus. Und gegen diese Viren braucht man Impfstoffe, man braucht antivirale Medikamente und man muss dafür erstmal verstehen, wie diese Viren sich eigentlich in der Zelle vermehren, warum die eigentlich so hoch pathogen sind. Und dann kommt im nächsten Schritt die Möglichkeit, da Impfstoffe gegenzumachen und antivirale Medikamente. Also mit solchen hochgefährlichen Viren kann man nur in diesen Laboren arbeiten und nicht außerhalb. Und deswegen sind die so essentiell, wenn man Impfstoffe gegen solche Viren machen möchte, dass man dann in diesen Laboren arbeitet.
Grundsteinlegung und Empfang
Das MCEP soll laut Uni-Mitteilung dazu beitragen, die Forschung an epidemischen und pandemischen Viren weiter voranzutreiben und schneller, bzw. besser auf zukünftige Virusausbrüche reagieren zu können. Der Bau war während der Corona-Pandemie im April 2021 vom Wissenschaftsrat favorisiert worden.
Gesamtkosten von 46 Millionen Euro
Die Gesamtkosten für den Forschungsbau werden auf etwa 46 Millionen Euro veranschlagt. Hinzu kommen rund 4,6 Millionen Euro für Erstausstattung und Großgeräte.