Ein selbst gemaltes Plakat von Kindern aus Volkmarsen steht auf einer Kirchenbank.
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Trauer, Entsetzen und noch viele offene Fragen: Auch ein Jahr nach der Auto-Attacke auf dem Rosenmontagszug ist die nordhessische Gemeinde Volkmarsen noch immer von der Tat geschockt. Vor allem das „Warum“ ist in vielen Köpfen unbeantwortet.
Mit einem ökumenischen Gottesdienst wurde am ersten Jahrestag in der evangelischen Kirche an die vielen Opfer gedacht. 90 Menschen wurden bei der Amokfahrt teils schwer verletzt, die Zahl der seelisch betroffenen Menschen liegt noch weit höher.
Ministerpräsident Bouffier: "Es war ein Tag der Verletzungen und Traumata"
Hessens Ministerpräsident Bouffier erinnerte in seiner Rede an die vielen Verletzten: "Vor einem Jahr hatten sich viele Kinder auf den Rosenmontagszug gefreut, doch dann rauschte ein Amoktäter mit seinem Fahrzeug in die Menge. Es war ein Tag der Verletzungen und Traumata, und das wird noch so bleiben." Gleichzeitig lobte Bouffier den Zusammenhalt in der Stadt: "Volkmarsen stand und steht zusammen. Ich wünsche der Stadt, dass diese Gemeinschaft weiter gedeiht und wächst. Und dass wir wieder fröhlich feiern können. Das gehört zu unserem Leben dazu."
Bouffier: "Der Angriff gilt unserer Gemeinschaft"
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier wünschte sich in seiner Rede wieder ein fröhliches Feiern.
Der Angriff gilt immer unserer Gemeinschaft. Und diese Gemeinschaft weiterzuleben, so wie wir es kennen, das muss die richtige Antwort sein. Und deshalb wünsche ich mir sehr, dass die Verletzten weiter genesen. Ich wünsche dieser Stadt, dass diese fabelhafte Gemeinschaft weiter glüht und gedeiht. Und ich wünsche mir auch sehr, dass wir auch wieder fröhlich feiern können.
Bouffier: "Gemeinschaft in Volkmarsen ist erfreulich"
Und gestern sagte mir eine Frau, da kamen Leute zu mir, die ich gar nicht kannte, die mir spontan Hilfe angeboten haben. Und wir diskutieren häufig über die Frage, ist diese Gesellschaft nur noch anonym, begegnet sich alles nur im Netz. So schlimm der eigentliche Anlass war, das, was ich erfahren durfte, was in dem vergangenen Jahr hier an Gemeinschaft erlebt wurde, ist außerordentlich tröstlich und erfreulich.
Opfer: "Erinnerungen an die vielen Hilferufe"
Petra Jäger, Sprecherin der Opfer, lässt die Tat bis heute nicht los.
Heute vor genau einem Jahr ist uns hier in Volkmasen ein Albtraum passiert. Ich kann mich noch gut an die paar Sekunden der Stille erinnern, bevor man nur noch Hilferufe hörte. Es war einfach schrecklich. Man selbst, die eigenen Kinder oder Angehörige von Familien und Freunden wurden zum Teil schwer verletzt. Diese Tat ist unfassbar und es ist unverständlich, wie jemand zu so etwas Schlimmem fähig sein kann. Mir und sicherlich vielen anderen stellt sich immer und immer wieder die Frage des Warums. Warum hat er das getan? Warum musste so etwas passieren? Oder warum hat er so etwas Fassungsloses überhaupt geplant? Viele Fragen, aber leider nur wenige Antworten.
Viele Fragen weiterhin ungeklärt
Warum? Diese Frage beschäftigt die Menschen in Volkmarsen bis heute, so Bischöfin Beate Hofmann: "Wie kam es zu der Amokfahrt? Was hat den Täter getrieben? Kann so etwas wieder passieren? Wie kann man sich als Gesellschaft vor solchen Gewalttaten schützen? Es ist schwer auszuhalten, weil es darauf kaum Antworten gibt. Aber wir sind froh, dass keiner gestorben ist."
Gedenkgottesdienst "nur" im kleineren Kreis
An dem ökumenischen Gottesdienst nahmen neben Vertretern von Stadt, Land und Kirchen auch Angehörige von Rettungsdiensten teil, von Feuerwehr, der Volkmarser Karnevalsgesellschaft sowie eine Sprecherin der Opfer. Wegen der Corona-Pandemie waren keine Besucher in der evangelischen Kirche dabei.
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FFH-Reporterin Madleen Khazim berichtet aus Volkmarsen.
Diste: Hoffen auf baldigen Prozess
"Wäre gut, wenn Täter den Mund aufmachen würde", sagt Karnevalspräsident Christian Diste
Er hat sich noch nicht geäußert. Das wäre natürlich schon mal vielleicht ganz gut, wenn er mal den Mund aufmachen würde und vielleicht auch mal ein paar Sätze dazu sagen würde. Wobei ich mich schon immer frage, würden wir das verstehen, was der sagt? Also würde uns das am Ende ein Stück weit erklären, was da passiert ist? Wahrscheinlich eher nein. Vom Prozess erwarte ich einfach, dass da am liebsten, dass er schnell durchgeht, auch für die ganzen Betroffenen, die da wahrscheinlich angehört werden muss, für die ganzen Verletzten. Und dass es dann ein Anführungsstrichen gerechtes Urteil gibt.
Diste: Wir müssen das zusammen schaffen!
Karnevalspräsident Christian Diste meint: "Solche Menschen dürfen niemals gewinnen"
Wir müssen das jetzt zusammen schaffen und es dürfen solche Menschen, die die die grundlos so eine Tat gegen die Gesellschaft ausüben, die dürfen niemals gewinnen. Und wir müssen weiter an das glauben, was wichtig ist. Und das ist ja die Gemeinschaft und vor allem die Gesellschaft zusammen auch irgendwann wieder unseren Karneval feiern können und wieder miteinander glücklich sein können. Und ja, ich glaube, wie gesagt, ich glaube, dass wir da ein Stück noch weiter zusammengewachsen sind.
Vorwurf: Mord in 91 Fällen
"Das Ereignis wird den Rosenmontag immer überschatten", sagt Volkmarsens Bürgermeister Hartmut Linnekugel. Aber man werde auch wieder ausgelassen Karneval feiern können. Da ist er sicher. Linnekugel hofft, dass bald der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter beginnt. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft dem 30-Jährigen unter anderem versuchten Mord in 91 Fällen vor.
Termin für Prozessauftakt weiter unklar
Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest. Ein Gerichtssprecher sagte auf FFH-Anfrage, die zuständige Kammer sei derzeit sehr ausgelastet und die Akten zudem sehr umfangreich. Es müssten sehr viele Zeugen gehört werden - die Zahl liege im dreistelligen Bereich.
Linnekugel: Die Festumzüge werden anders sein als bisher
"Wir haben Sicherheitssysteme für Festumzüge angeschafft", erklärt Bürgermeister Hartmut Linnekugel
Wir haben mit den umliegenden Kommunen Sicherheitssysteme angeschafft, die die Festzüge wesentlich sicherer machen werden, aber keine alle umfassende Sicherheit geben werden. Die Festzugverläufe und auch insgesamt die Inhalte werden ein Stück weit anders werden, kleiner, aber immer nach Absprache mit dem Verein. Und wir hoffen, dass da das kulturelle und karnevalistische Leben insofern nicht darunter leidet, dass es weiterhin stattfindet. Da gehe ich ganz fest von aus.
Linnekugel: Das Warum ist bislang nicht beantwortet
Bürgermeister Hartmut Linnekugel sagt, dass es eine große Kernfrage gibt: "die große Frage nach dem Warum"
Hier geht eine große Frage um mit einem Wort, warum? Und diese Frage ist das Kernthema, was die Bürgerinnen und Bürger beschäftigt. Die wird nicht beantwortet von dem Täter. Und das ist das Schlimme daran, das ist so, was die Menschen bewegt. Ich sehe aber einen großen Hoffnungsschimmer im Positiven, dass die Menschen das bis jetzt doch ganz gut verarbeitet haben. Dadurch resultierend, dass die mir bekannten drei Schwerstverletzten soweit wieder sehr weit genesen sind und dass überhaupt kein Toten hat, muss man einfach so deutlich sagen.