Urteil in Kassel: Lebenslange Haft für "falsche Ärztin" aus Fritzlar
Urteil am Landgericht Kassel - Lebenslange Haft für „falsche Ärztin“
Sie hat als „falsche Ärztin“ in Fritzlar gearbeitet – und muss deswegen jetzt lebenslang in Haft. Das Landgericht Kassel hat Meike S. unter anderem wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes schuldig gesprochen.
Die Kasseler Richter haben außerdem die besondere Schwere der Schuld festgestellt – das heißt, Meike S. kann nicht automatisch nach 15 Jahren aus dem Gefängnis freikommen.
Gericht: Patienten starben durch Behandlungsfehler
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sich die Frau mit einer gefälschten Approbationsurkunde eine Anstellung als Narkoseärztin im Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar erschlichen hatte. Nach Überzeugung der Richter starben durch Behandlungsfehler drei Patienten, andere trugen schwere Schäden davon. Unser Reporter vor Ort beschreibt, dass Meike S. bei der Urteilsverkündung Tränen in den Augen hatte und immer wieder mit dem Kopf geschüttelt hat.
Forderungen der Staatsanwaltschaft gefolgt
Mit dem Urteil folgte das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft für die 51-Jährige. Ihrer Überzeugung nach handelte die Angeklagte aufgrund eines übersteigerten Geltungsbedürfnisses. Die Angst, den Status als Ärztin zu verlieren, habe sie Menschenleben gefährden und sogar nach Todesfällen weitermachen lassen.
Verteidigung wies Mordvorwurf zurück
Die Verteidigung hatte den Mordvorwurf zurückgewiesen und sich für eine achtjährige Freiheitsstrafe unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung in 16 Fällen ausgesprochen. "Wir werden gegen das Urteil Revision einlegen", sagte Verteidiger Sven Schoeller.
Hospital: "Urteil kann Leid nicht wieder gut machen"
Das Hospital zum Heiligen Geist zeigte sich nach dem Urteilsspruch erleichtert. "Mit dem Urteil werden Taten bestraft, deren Ursache auf hohe kriminelle Energie der Angeklagten zurückzuführen ist", hieß es in einer Erklärung. "In dem komplexen, fairen und sehr langen Verfahren ist die Kammer zu einem Urteil gekommen, das allerdings kein Leid der Betroffenen gut machen kann." Zudem forderte die Klinik mehr Fälschungssicherheit bei ärztlichen Zulassungsurkunden.
Zulassung gefälscht
Meike S. war laut Gericht von 2015 bis 2018 ohne Ausbildung am Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar tätig. Ihre Zulassung hatte sie gefälscht. Trotzdem war sie als Narkoseärztin in Fritzlar bei hunderten Operationen dabei – laut Staatsanwaltschaft hat sie Betäubungsmittel falsch dosiert und Blutvergiftungen nicht behandelt. Mal habe sie zu langsam, mal gar nicht auf die Komplikationen während der Narkose reagiert.
Station an mehreren Unis
Der Werdegang der Frau ist verschlungen: Sie wechselte immer wieder zwischen den Unis in Kassel, Mainz und Frankfurt, studierte mal Biologie, mal Zahnmedizin. Sie legte eine Heilpraktikerprüfung ab, absolvierte zahlreiche Praktika und Seminare auf unterschiedlichsten Gebieten. Manche Nachweise sind zweifelhaft.
Doktorgrad aberkannt
Abschluss und Promotion erfolgten schließlich in Biologie. Der Doktorgrad wurde der Angeklagten von der Uni Kassel allerdings inzwischen wegen Plagiierens entzogen. Einen zweiten Doktortitel soll sie im Internet gekauft haben. Eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin hat die 51-Jährige nicht.
In der Politik gescheitert
Gleichzeitig wollte Meike S. in die Politik und vor zehn Jahren für die SPD Bürgermeisterin von Bad Emstal werden. Sie scheiterte. Von der Niederlage am Wahlabend ist noch ein Zitat überliefert: „Ich hatte gehofft, dass sich Bad Emstal für Intelligenz entscheidet. Mein Leben geht jetzt weiter, das von Bad Emstal nicht", soll Meike S. laut HNA gesagt haben.
Prozess lief seit über einem Jahr
Der Prozess lief über ein Jahr lang: Rund 50 Verhandlungstage gab es, rund 500 Zeugen wurden gehört.