Ladesäulen für E-Autos: Hessen hat zu wenige E-Tankstellen
Ladesäulen für E-Autos - Hessen hat zu wenige E-Tankstellen
Beim Ausbau von E-Tankstellen für Elektroautos hat Hessen noch Nachholbedarf. Das zeigt eine FFH-Auswertung von Daten der Bundesnetzagentur. Da liegt Hessen trotz seiner zentralen Lage für den Verkehr bezogen auf die Einwohnerzahl nur im Mittelfeld.
Wo gibt es Ladesäulen in Hessen? Diese Karte zeigt es.
Statistisch müssen sich rund 1.300 Einwohner in Hessen eine E-Zapfsäule teilen, bei Spitzenreiter Baden-Württemberg sind es nur 1.000 Einwohner pro Ladepunkt. Noch schlechter schneidet Hessen bei Schnellladesäulen ab - da liegt Hessen mit einem Schnellladepunkt für rund 8.000 Einwohner nur im hinteren Mittelfeld.
So fördert das Land Hessen
Das hessische Wirtschaftsministerium bestätigt diese Zahlen grundsätzlich. Um öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur in die Fläche zu bringen, habe man in den Jahren 2017 und 2018 ein Programm für lokale Stromversorger aufgelegt. Mit knapp 2,5 Mio. Euro Fördermitteln wurden ca. 860 Ladepunkte vor allem im ländlichen Raum verteilt.
12,4 Millionen für E-Infrastruktur
Mittlerweile fördert das Land aber nur noch Ladepunkte bei Firmen, die aber nicht öffentlich zugänglich sind. Öffentliche Ladepunkte würden aber schon gut vom Bund gefördert, heißt es auf FFH-Anfrage. Insgesamt hat Hessen seit 2017 ca. 12.4 Mio. Euro Landesmittel in den Ausbau der Ladeinfrastruktur gesteckt. Dafür wurden 3.763 Normal- und 296 Schnellladepunkte errichtet.
"Im ländlichen Raum noch viel zu tun"
Trotzdem hapert es vor allem auf dem Land noch beim Ausbau. "Im ländlichen Raum ist noch viel zu tun", sagt Professor Ulf Schwalbe. Er befasst sich an der Hochschule Fulda mit Elektromobilität. Bislang habe sich der Ausbau auf die Ballungsgebiete und Verkehrsachsen fokussiert. Aber Deutschland sei nun mal ein Flächenland. "Wir müssen die Infrastruktur in den ländlichen Raum hineinbringen, um mehr Akzeptanz und Nutzungsqualität zu schaffen." Generell geht Schwalbe aber bald von einem schnelleren Ausbau aus. "Da wird sich viel tun, sodass man keine Akku-Angst haben muss."
Kreative Lösung für Schnell-Laden auf dem Land
In Fulda arbeitet Schwalbe mit seinem Team an einer Lösung für Schnelllade-Säulen im ländlichen Raum. Das Problem auf dem Land: Nicht überall reicht die Kapazität der Stromleitungen für schnelles Laden. Schwalbes Lösung: Ausgediente Batterien von E-Autos sollen als eine Art Zwischenspeicher genutzt werden. Der wird langsam aufgeladen, kann aber schnell Energie abgeben.
Zahl der E-Autos nimmt zu: Die Neuzulassungszahlen von Autos mit den Antriebsarten Benzin und Diesel sanken laut Kraftfahrt-Bundesamt im vergangenen Jahr um -28,6 beziehungsweise -36,0 Prozent. Fast verdoppelt hat sich die Anzahl der neu zugelassenen Elektro-Pkw (BEV) (+83,3 %). Ihr Anteil stieg auf 13,6 Prozent an (2020: 6,7 %). Die zweithöchsten Zuwächse waren bei den Pkw mit Plug-in-Hybrid-Antrieb (+62,3 %) zu beobachten, deren Anteil auf rund 12,4 Prozent stieg (2020: 6,9 %).
Schlusslicht Hersfeld-Rotenburg
Ein Blick auf die Karte der Bundesnetzagentur für Hessen zeigt teils erhebliche Unterschiede bei der Infrastruktur. So hat etwa der Kreis Hersfeld-Rotenburg nur 34 Ladesäulen - Schlusslicht bei den absoluten Zahlen pro Landkreis in Hessen. Der Kreis Kassel zum Vergleich hat zwar etwa doppelt so viele Einwohner, dafür aber mehr als vier Mal so viele Ladesäulen - viele davon allerdings rund um die Großstadt Kassel.
Landkreis: Viele laden wohl zu Hause
"Hatten wir im Jahr 2015 noch 40 E-Autos, waren es 2018 132 E-Autos, im Jahr 2020 aber schon 358 E-Autos, 2021 745 E-Autos und bis zum August diesen Jahres 977 E-Autos", heißt es vom Kreis Hersfeld-Rotenburg. Der Bedarf bei den Bürgern wächst also auch hier. "Wir vermuten aber, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger, die in unserem Landkreis ein E-Auto besitzen, eine eigene Ladesäule zu Hause haben – das liegt an unserem ländlich geprägten Landkreis."
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Im ländlichen Raum sei es aufgrund der Siedlungsstruktur eher möglich, private Wallboxen zu installieren, heißt es dazu auch vom Wirtschaftsministerium. Ein Mangel an öffentliche Ladesäulen wirke sich dort für die Alltagsmobilität also nicht so stark aus. Wegen der höheren Fahrzeugdichte sei in der Stadt auch die Nachfrage nach öffentlicher Ladeinfrastruktur größer.
Wiesbaden lässt Bürger mitentscheiden
Die ESWE Versorgung in Wiesbaden geht beim Ausbau der Ladeinfrastruktur einen besonderen Weg. Dort können Bürger mitentscheiden, an welchen Stellen Ladesäulen gebaut werden sollen. Das Projekt nennt sich „Community Ladesäule“. Innerhalb eines Jahres seien 140 Vorschläge für Standorte eingegangen. „Das übertrifft unsere Erwartungen“, sagte Marc Rappenecker von ESWE Versorgung im Gespräch mit HIT RADIO FFH. Rund 65 Prozent der Vorschläge sind nach Prüfung geeignete Standorte. Ausgebaut sein sollen bis Anfang 2023 rund zehn Stellen. Die Bürger könnten bei der Auswahl der Standorte manchmal mehr helfen als mathematische Rechenmethoden, so Rappenecker
Bürger können Bau von E-Tanken unterstützen
Ist ein Standort für eine E-Tankstelle geeignet, können die Bürger auch selbst dazu beitragen, wie schnell gebaut wird. „Mit einem Betrag zwischen 50 und 500 Euro unterstützen die Bürger den Bau der jeweiligen Ladestation“, so Marc Rappenecker. Ist das Sparziel von 5.000 Euro je Standort erreicht, beginnt ESWE mit den Bauarbeiten. Wer selbst einen Betrag ausgegeben hat, bekommt das Geld in Form eines E-Tankguthabens zurück. Wird der Standort nicht realisiert, wird das Geld auch nicht abgebucht.
Kassel will "flächendeckendes Ladenetz"
In Kassel hatte Oberbürgermeister Geselle im vergangenen Jahr den "Startschuss" für mehr E-Ladesäulen in Kassel gegeben. Seitdem wurden vor allem auf Betriebsparkplätzen etwa am Rathaus oder bei den städtischen Werken aufgestockt - aber auch an öffentlichen Orten etwa beim Bergpark oder in der Karlsaue. Die Stadt Kassel habe im vergangenen Jahr geeignete und prioritäre Standorttypen für E-Ladesäulen im gesamten Stadtgebiet definiert und befinde sich seitdem in intensiver Abstimmung mit interessierten Betreiberfirmen, um ein flächendeckendes Ladenetz aufzubauen, heißt es auf Anfrage von HIT RADIO FFH.
20 neue Standorte in der Planung
Die Planung der städtischen Werke umfasse derzeit knapp 20 geeignete Standorte. Sie wurden priorisiert, die Netzprüfungen laufen derzeit. Es sei mit vier Ladepunkten je realisiertem Standort zu rechnen. Derzeit gibt es in der Stadt 155 öffentliche Ladepunkte.
Ladesäulen-Mekka Willingen
Ein kleines Mekka für E-Auto-Fahrer ist unter anderem Willingen (Kreis Waldeck-Frankenberg). Hier kommen rechnerisch nur 385 Einwohner auf einen Ladepunkt (also deutlich weniger als im Landesschnitt). Das liegt natürlich auch daran, dass Willingen ein Touristen-Hotspot ist. "Wenn wir uns die Gästestruktur angucken - gerade für die holländischen Gäste ist die Ladeinfrastruktur unheimlich wichtig", sagt Tourismus-Direktor Norbert Lopatta. Sein Ziel: Jeder Gast mit einem E-Auto soll in Willingen stressfrei eine E-Tanke finden.
Fragen und Antworten
Normal- und Schnelllader? Eines der größten Probleme beim E-Auto-Laden ist die Geschwindigkeit. An der Tankstelle ist der Tank meist nach einer Minute voll. Das Laden kann mitunter mehrere Stunden dauern. Das hängt davon ab, wie schnell die Ladesäule ist - und wie viel das Auto packt. Beispiel: Fasst die Batterie eines E-Autos 80 kWh (vergleichbar mit der Liter-Angabe beim Tank) braucht man mit einer eher langsamen Ladesäule mit 11 kW Leistung gut 7 Stunden, bis man vollgetankt hat. Eine Schnelllade-Säule mit 150 kW Leistung erledigt das in einer halben Stunde. Schnellladesäulen arbeiten mit Gleichstrom, normale Säulen mit haushaltsüblichen Wechselstrom. Nicht jedes E-Auto kommt aber mit Gleichstrom klar - etwa viele Plug-in-Hybride.
Typ 2, CCS, CHAdeMO? Wie bei allen neuen Technologien gibt es verschiedene Standards. Man kennt es von VHS, Betamax, Blueray und DVD. Standard für normale Ladesäulen sind Typ-2-Stecker. Wer sein Auto schnell mit Gleichstrom aufladen will, braucht CCS oder den eher seltenen CHAdeMO-Anschluss. Mit einem speziellen Kabel lassen sich E-Autos auch an normalen Haushalts-Streckdosen laden. Das dauert bei einem VW ID.3 aber rund 21 Stunden von 0 auf 100 Prozent.
Ladesäule ist übrigens nicht gleich Ladepunkt: Eine Ladesäule kann mehrere Ladepunkte (also Stecker) haben.
Wo Laden? Es gibt unzählige Apps und Karten, auf denen Ladesäulen verzeichnet sind. Nicht alle Säulen sind überall zu finden. Und manche nicht öffentliche Säulen werden als vermeintlich öffentlich gelistet. Laut Stiftung Warentest zählen die Apps EnBW mobility+, eCharge+ und Nextcharge zu den besten. Hilfreich ist auch die Ladekarte der Community Going Electric und die Übersicht der Bundesnetzagentur.
Ziel in Marburg: 100 weitere Ladepunkte bis 2026
Wie sehr die Nachfrage nach Ladesäulen zuletzt gestiegen ist, merken auch die Stadtwerke in Marburg. "Von 2020 zu 2021 hat sich der Verbrauch an den Stadtwerke-Ladesäulen nahezu verdreifacht", sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Holger Armbrüster. Man habe auch daher in diesem Jahr zudem mit der Stadt eine Vereinbarung getroffen: Mindestens 24 öffentliche Ladepunkte sollen jedes Jahr errichtet werden, 100 neue Ladepunkte sollen so bis 2026 dazu kommen.
300 Ladepunkte für Frankfurter Parkhäuser
Auch in Frankfurt soll sich einiges tun. Rund 400 öffentliche Ladepunkte sind hier derzeit gelistet. "Ab dem nächsten Jahr sollen alleine in den Parkhäusern 300 zusätzliche Ladepunkte aufgebaut werden, sodass diese dynamische Entwicklung bei der E-Mobilität auch ihre Ladepunkte findet", sagt Wulfila Walter vom Frankfurter Verkehrsdezernat.