Einfangversuche ohne Erfolg - 70 Rinder seit Monaten auf der Flucht
Wild West-Atmosphäre seit Wochen in der Gemeinde Gleichen (Kreis Göttingen). Seit Mitte Juni laufen dort schon rund 70 Galloway-Rinder frei herum. Sie fressen Felder leer und sorgen für Tempolimits auf den umliegenden Straßen. Alle Einfangversuche - auch mit Cowboys - sind bislang gescheitert. Vom Besitzer gibt es keine Mithilfe. Er fühlt sich ungerecht behandelt.
"So etwas haben wir auch noch nicht erlebt", sagt Doreen Fragel im FFH-Gespräch. Sie ist als Dezernentin beim Landkreis unter anderem zuständig für das Veterinärwesen. Kontrollen von Landwirtschaftsbetrieben gehören hier zum Tagesgeschäft. Aber die Situation in Gleichen? "Das ist ganz etwas Besonderes."
"Er hat sie verhungern und verdursten lassen"
Verantwortlich für die Galloway-Rinder ist ein Landwirt aus Gleichen. Seit gut einem Jahr gibt es Streit zwischen ihm und dem Landkreis. "Um es kurz zu machen, der Halter hat seine Tiere ganz schlecht behandelt. Er hat sie verhungern und verdursten lassen. Sie waren in einem katastrophal schlechten Zustand", so Dezernentin Doreen Fragel. Daraufhin sollte seine Herde auf die Hälfte reduziert werden, nämlich auf 38 Rinder.
Einfangaktionen mit teils 70 beteiligten Personen
Doch dazu kam es nie wirklich. Seit dem Sommer versucht die Veterinärbehörde der Tiere habhaft zu werden. Bei zwölf Tieren ist das gelungen. Die anderen büxten aus und laufen seitdem quer durch die Gemeinde. Anschließend gab es mehrere Einfangaktionen mit teils 70 beteiligten Personen - unter anderem zu Pferd -, die aber alle scheiterten. Auch weil sie mitunter sabotiert worden sind.
Elektrozäune durchtrennt
"Ganz massive Störaktionen hatten wir in den letzten Tagen mehrfach", so Doreen Fragel vom Landkreis. Spaziergänger hätten mit Hunden oder nachts mit Taschenlampen gezielt die Rinder verjagt, Elektrozäune seien durchtrennt worden, um ein Abtransport der Tiere zu verhindern. Ob der Landwirt hier seine Finger im Spiel hatte - unklar.
Hoher Schaden für Landwirte
Besonders ärgerlich ist die Situation für die benachbarten Landwirte. Denn die Rinder trampeln über die Felder und fressen etwa den Mais. Auf über 15.000 Euro beziffert der Kreis den Schaden. Zudem hätte man Schilder aufstellen müssen, um die Autofahrer vor den Rindern zu warnen, auch das Tempo sei reduziert worden. Zudem sei die Gegend jetzt auch für Spaziergänger weniger attraktiv. "Wenn da plötzlich Rinder auftauchen, ist das kein schönes Gefühl", so Veterinärdezernentin Doreen Fragel.
Rinder-Landwirt: "Habe kein Tier verhungern lassen"
Fragt man bei Landwirt Mike Niemeyer nach, klingt die Geschichte ganz anders. Schlecht behandelt habe er seine Tiere nicht. "Ich habe kein Tier verhungern und verdursten lassen", so Niemeyer zu FFH. Er habe 30 Jahre Berufserfahrung. Und er habe dem Landkreis auch seine Hilfe beim Einfangen der Tiere angeboten. Auch mit den Sabotage-Aktionen habe er nichts zu tun. Das Vorgehen gegen ihn sieht er als "Behördenwillkür".
"Ich wohne derzeit im Wohnwagen und habe keine Einnahmen"
Dass die umliegenden Landwirte wegen der zerstörten Felder nicht gut auf ihn zu sprechen sind, kann Niemeyer nachvollziehen. "Ich kann die Kollegen verstehen, dass die total sauer sind." Aber rausgelassen habe er die Rinder nicht. Und er leide zudem selbst unter der Situation. "Ich wohne derzeit im Wohnwagen und habe keine Einnahmen - scheiße geht es mir", so Niemeyer.
Tierhaltungsverbot für Landwirt in Kraft
Besser dürfte die Situation vorerst für den Landwirt nicht werden. Der Landkreis hat jetzt gegen ihn ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot ausgesprochen. Bleibt es dabei, wäre sein Beruf, die Tierhaltung, dann für ihn tabu. Niemeyer kündigt Widerspruch an. Die Rinder sind aber immer noch draußen unterwegs. Wann und wie sie eingefangen werden können, ist derzeit noch völlig offen.
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