Fühlen wir uns durch mehr Polizei sicherer? Experiment in Kassel

Fühlen wir uns sicherer, wenn Polizisten häufiger durch unser Viertel laufen? Genau das haben Wissenschaftler der Uni Gießen gemeinsam mit dem Polizeipräsidium Nordhessen und der Stadt Kassel in einem bundesweit einmaligen Experiment getestet. Das Ergebnis: Genau das Gegenteil kann der Fall sein.

Für das Experiment wurden 40 250x250 Meter große Rasterzellen im ganzen Stadtgebiet festgelegt. In 20 davon wurde über ein Jahr lang die Polizeipräsenz erhöht. Das heißt, zwei- bis dreimal pro Woche parkten zwei Beamte ihren Funkwagen dort und liefen durchschnittlich 13 Minuten lang durch die sogenannte Rasterzelle. In den anderen 20 Rasterzellen wurde die Polizeipräsenz nicht erhöht. Sowohl vor als auch nach dem Experiment wurden Bürgerinnen und Bürger befragt.

Polizeipräsenz konnte nicht gewünschten Effekt bringen

Die Bürgerbefragung hat auch den Kriminologen und Projektleiter Tim Pfeiffer überrascht: "Was das Sicherheitsgefühl angeht, mussten wir feststellen, dass die Erhöhung der Polizeipräsenz zu einer Steigerung des Unsicherheitsgefühl geführt hat." Bei der Kriminalitätslage konnte keinerlei Veränderung festgestellt werden. "Das heißt, auch hier konnte Polizeipräsenz nicht den Effekt bringen, den man ihr so häufig nachsagt."

Erhöhte Polizeipräsenz führte zu erhöhter Problemwahrnehmung

Bei der Problemwahrnehmung der Bevölkerung in der eigenen Wohngegend konnte allerdings festgestellt werden, dass die erhöhte Polizeipräsenz dazu geführt hat, dass die Wahrnehmung solcher Probleme gestiegen ist. Und das stehe entgegen dem Trend im Untersuchungsgebiet sonst, denn da habe die Problemwahrnehmung abgenommen. "Durch die Polizeipräsenz haben sich die Menschen aber gefragt: Warum sind die hier? Und haben daraus den Rückschluss gezogen: Das muss an bestimmten Problemen liegen", so Pfeiffer im FFH-Interview. Das Ergebnis sei paradox, wünschten sich doch bei internationalen Befragungen knapp zwei Drittel der Teilnehmer mehr Polizeipräsenz, um die Sicherheit in ihrer Stadt zu verbessern. 

Forschung geht weiter

Das zeige aber nicht, dass Polizeipräsenz überflüssig sei - im Gegenteil, so Pfeiffer. Mit weiteren Forschungen wolle man jetzt prüfen, in welchen Situationen Polizeipräsenz denn den Nutzen habe, den man sich eigentlich erhofft. Die Forschung gehe auf jeden Fall weiter. Man sei bereits in Gesprächen mit dem Polizeipräsidium Nordhessen und der Stadt Kassel. "Wir würden aber auch gerne an anderen Orten in Deutschland die Forschung vorantreiben."