26.09.2022, 18:00 Uhr
Ticket-Flaute in Hessen -
Veranstalter laut FFH-Umfrage in Sorge
© dpa
Weil die Ticket-Nachfrage in Hessen aktuell stark nachlässt, bleiben viele Ränge leer - oder Konzerte werden ganz abgesagt (Symbolbild).
Große Sorgen bei vielen Konzerthäusern, Veranstaltern und Theatern bei uns in Hessen. Eine FFH-Umfrage zeigt: Viele haben gerade massive Probleme, ihre Tickets an den Mann oder an die Frau zu bringen. Ein Grund, vermuten die Veranstalter, sind auch die hohen Energiepreise.
Unsere Reporter in den sechs FFH-Regionalstudios haben sich in ganz Hessen umgehört und festgestellt: Die Nachfrage nach Tickets und Karten für die nächsten Monate ist aktuell sehr gering. Teilweise sind die Verkaufszahlen um bis zu 40 Prozent eingebrochen - im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Viele Veranstalter machen sich deswegen auch große Sorgen um ihre Zukunft.
So geht es den Veranstaltern in den hessischen Regionen:
Wiesbaden
Veranstalter befürchten einen harten Winter
Laut Michael Stein, Chef des Veranstalters Palastpromotion in Wiesbaden, hätten viele Gäste und Besucher aktuell große Bedenken: "Die halten lieber das Geld zusammen und sparen."
Die Leute würden sich eher zurückhalten, was zusätzliche Ausgaben angeht. Er gehe daher davon aus, dass zuerst die Kultur darunter leide und sieht große Probleme auf die Branche zukommen. Schon im Sommer seien 25 bis 30 Prozent weniger Tickets verkauft worden. "Auch jetzt sind es viel, viel weniger als in den Jahren zuvor", so Stein.
Palastpromotion-Chef: "Gäste und Besucher haben aktuell große Bedenken"
Der Chef des Wiesbadener Veranstalters "Palastpromotion", Michael Stein, sieht im FFH-Gespräch große Probleme auf die Branche zukommen.
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Die Leute haben einfach Bedenken und halten ihr Geld zusammen und sparen. Das wird so sein. Für den Winter sehe ich wirklich ganz große Probleme auf uns zukommen. Die Menschen werden sich sehr, sehr zurückhalten, was zusätzliche Ausgaben angeht. Und ich fürchte, dass die Kultur da als allererstes darunter leiden wird.
Rhein-Main
Storno-Quote "hoch wie nie"
Auch das Capitol Theater in Offenbach berichtet von schwierigen Zeiten. Geschäftsführerin Birgit von Hellborn sagte unserem Reporter, dass die Storno-Quote aktuell so hoch wie nie zuvor sei. Das heißt, mehr Menschen denn je würden gerade die gekauften Tickets zurückgeben. Die Gründe dafür: Viele hätten immer noch Angst vor Corona und sich vor allem jetzt in engen Räumen anzustecken. Außerdem würden die Leute angesichts der hohen Preise lieber sparen wollen.
Überangebot von Veranstaltungen in Teilen Hessens
Zudem ist das Angebot laut von Hellborn momentan einfach sehr groß: Viele Veranstaltungen aus der Hoch-Corona-Phase würden nachgeholt. Insofern würden nur noch die großen Namen ziehen. Bei den anderen müssten die Auftritte reihenweise abgesagt bzw. verschoben werden, weil die Nachfrage nicht da sei.
"'60% Auslastung' ist das neue 'Ausverkauft'"
Comedian Johannes Scherer über die Sorgen der Kollegen und die großen Gefahren für die ganze Branche.
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Der Dienstag morgen im FFH-Land mit einem so wichtigen Thema, weil es einfach um so viele Existenzen geht. Um bis zu 40 Prozent weniger Tickets verkaufen Konzerthäuser, Theater und Kleinkunstbühnen bei uns in Hessen im Moment, wie eine FFH-Stichprobe zeigt und logischerweise bangen deshalb ganz viele um ihre Existenz. Der Grund, warum so viele von uns im Moment keine oder weniger Tickets kaufen für Veranstaltungen, ist, dass du dein Geld irgendwo zusammenhalten möchtest. Wenn du darüber nachdenkst, wo du sparen kannst, ist das eigene Vergnügen oft etwas, was dann hinten angestellt wird. Und du möchtest dir natürlich auch kein Corona einfangen in einem Konzertsaal. Johannes, jetzt hast du vorhin schon erzählt, dass du das natürlich auch jede Woche erlebst. Ja, nicht nur ich. Die ganzen Kolleginnen und Kollegen aus der Comedy-Szene, da bin ich ja nur zu Hause, betrifft natürlich aber auch die Musik machen. Jetzt sagt man, naja, das ist ein sehr kleines Problem. Das stimmt ja gar nicht. Da hängt eine siebenstellige Zahl von Arbeitsplätzen an dieser ganzen Branche. Das sind ja nicht nur die Künstler, sondern es sind die Veranstaltungstechniker, die Leute, die Licht und Ton machen, die Leute, die da bedienen, die Catering und so weiter. Das ist ganz schön im Argen. Es ist tatsächlich im Moment, es sagen mir Leute, Theaterbetreiber, ein Freund von mir, das renommierte Hofgarten-Kabarett in Aschaffenburg, sagt, im Moment ist 60 Prozent Auslastung das neue Hausverkauf. Und klar hängt da Corona mit dran, immer noch, auf der anderen Seite, aber natürlich auch die für uns. Und ich kann es den Leuten nicht mal verdenken. Es wird ja wirklich alles teurer. Und die Butter kostet drei Euro und der Sprit kostet zwei Euro, zehn und was weiß ich. Und das sind tatsächlich dann die Sachen, an denen man spart. So große Dinge wie Helene Fischer oder Coldplay, das gönnt man sich. Aber so die kleinen Häuser vor Ort, auch in Hessen, wir haben ja Stichproben gemacht, überall im Land. Uhhh, weil für die wird ja die Energie auch teurer. Die müssen ja auch den Strom doppelt und dreifach bezahlen. Und sprichst du dann auch mit welchen, die sagen, hier, wenn es so weitergeht, dann müssen wir zumachen? Also ist es wirklich ernst, ernst? Ja, ne? Ja, ja, ja. Also es gibt tatsächlich, die sagen, wenn wir jetzt die Abschläge kriegen im Herbst, wir haben sehr viel weniger Einnahmen, müssen deutlich mehr ausgeben, das können wir uns nicht leisten. Also, da machen wir dicht. Und das werden wir dann irgendwann, vielleicht werden wir uns nicht gleich vermissen, aber irgendwann, wenn man denkt, jetzt mal schön abends weggehen, lustigen Abend haben oder schön Musik hören und so eine schöne, tolle Band sich angucken, die jetzt halt nicht Ed Sheeran ist, sondern einfach nur... Und das geht dann halt nicht mehr, weil die Läden werden dann zu haben. Ja, also ich glaube, falls sie sich's erlauben können, das können wir uns ja einfach merken, das Geld für Theater, Konzerte und Co. auszugeben, dann tun wir es. Sparen sie sich irgendwas, ja. Und wenn sie sich so eine Kasse anlegen, wo sie immer nur so 2 Euro reinschmeißen für so Sachen, halt nochmal. Ja, auf jeden Fall. Also vor allem die kleineren Künstler- und Eventlocations werden es uns auf jeden Fall danken.
Südhessen
Gastronomie könnte "uns den Hals brechen"
Auch in Rüsselsheim ist Leiter Florian Haupt vom Kulturzentrum "Das Rind" äußerst besorgt. Nicht nur würden die Gäste wegen der hohen Lebensmittel-, Gas- und Energiepreise auf Veranstaltungen verzichten.
Die gestiegenen Energiekosten machen auch dem Zentrum selbst zu schaffen: "Das ist ein ganz heftiger Schlag, zumal wir mit der angeschlossenen Gastronomie auch nicht einfach mal die Heizung oder die Kühlung ausschalten können. Die Gastronomie ist für die Gesamtfinanzierung unseres Betriebs ganz wichtig." Die hohen Kosten seien das, was einem "schlussendlich den Hals brechen könnte".
Rüsselsheimer "Rind" hofft auf mehr Besucher
Sein Appell: "Geht auf Konzerte. Es ist genauso klasse wie vor drei Jahren." Es sei auch der Charme der kleineren Locations, mit den Künstlern nach dem Event an der Bar noch ein Bierchen zu trinken und ins Gespräch zu kommen. "Ich habe die Befürchtung, dass viele vergessen, wie toll es sein kann, wenn man mit anderen ein begeisterndes Konzert erlebt."
Vorverkauf lässt in Darmstadt teils stark nach
Die Centralstation in Darmstadt berichtet uns, dass viele aktuell eher kurzfristig Tickets kaufen würden. Geschäftsführerin Maike Heinigk sagte uns: "Für uns ist das für die Planung sehr schwierig. Wir hatten früher 95 Prozent Vorverkauf und fünf Prozent Abendkasse. Aktuell haben wir eher 20 bis 30 Prozent Abendkasse."
Florian Haupt: "Energiekosten könnten uns den Hals brechen"
Nicht nur die Energiekosten seien ein Grund, weswegen gerade viele auf Kultur verzichten würden. Sie machen auch den Kulturbetrieben selbst zu schaffen, so Leiter Florian Haupt von "Das Rind" in Rüsselsheim.
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Ganz konkret das Problem, was ansteht, sind natürlich die Energiekosten. Also das ist natürlich ein ganz heftiger Schlag, zumal wir mit der angeschlossenen Gastronomie, die auch sieben Tage die Woche offen hat, wir können nicht einfach mal so die Heizung ausschalten oder irgendwie die Kühlung und so weiter. Das läuft halt durch und ist natürlich, die Gastronomie ist für die Finanzierung des Gesamtrindes unheimlich wichtig. Also das könnte, das ist wirklich was, was einem schlussendlich den Hals brechen könnte.
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Volle Hallen und eine große, jubelnde Menge: Damit rechnen viele Kulturbetriebe in Hessen in diesem Herbst und Winter nicht (Symbolbild).
Mittelhessen
Buderus-Arena in Wetzlar schaut besorgt in die Zukunft
In der Buderus-Arena in Wetzlar sieht man die Entwicklung mit großer Sorge. Alexander Finke von der Betriebsleitung sagte im FFH-Gespräch: "Wir befinden uns in einer Abwärtsspirale und leiden unter einer riesigen Kosten-Explosion." Für viele Veranstaltungen würden derzeit weniger Tickets verkauft. Das liege sowohl an den Auswirkungen der Corona-Pandemie als auch den explodierenden Preisen, die den Leuten Sorgen machten.
Keine Normalisierung vor 2024 erwartet
Tickets würden eher kurzfristig gekauft, der Dauerkartenverkauf für die HSG sei zurückgegangen. In der Buderus-Arena seien auch die Gastronomie-Einnahmen sehr wichtig, so Alexander Finke, doch die Preise für Getränke und Essen stiegen an, das schrecke viele ab. "Es läuft nicht gut und vor 2024 erwarten wir keine wirkliche Normalisierung," sagte Finke zu FFH.
Corona-Zuschuss fällt weg: "Wird sich zeigen, wer das schafft"
Auch im Ticketshop Friedberg in der Wetterau werden im Moment weniger Karten verkauft, laut Shopinhaber Bernd Baier vielleicht 30 Prozent im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie. "Das macht den Veranstaltern große Sorgen," sagte er unserer FFH-Reporterin. Manche Veranstaltung würde verschoben, in der Hoffnung, dann noch Karten verkaufen zu können.
Er befürchtet, dass im nächsten Jahr viele Veranstalter aufgeben müssen und erklärt: "In diesem Jahr gibt es noch Corona-Zuschüsse vom Bund für Veranstaltungen. Ab 2023 fallen die weg. Dann wird sich zeigen, wer das schafft."
Ticketshop Friedberg: "Wird sich zeigen, wer es schafft"
Nächstes Jahr werde sich zeigen, wer überlebt, wenn die Corona-Zuschüsse des Bundes wegfallen würden, berichtet Inhaber Bernd Baier vom Ticketshop Friedberg unserer Reporterin.
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Das gibt eine Sorge bei den Veranstaltern, denn die Energiepreise steigen bei denen auch hoch. Die können die Leute nicht im kalten Veranstaltungsraum sitzen lassen. Und im Jahr 2022 gibt es noch Zuschüsse vom Bund für die Veranstaltungen, die durchgeführt werden. Ab nächstem Jahr fällt das weg. Das heißt, nächstes Jahr wird sich zeigen, welche Veranstalter überhaupt überleben können.
Nordhessen
Kulturveranstalter in Kassel: "2023 wird's eng"
Das Theaterstübchen in Kassel bestätigt, dass es immer schwieriger wird, den Saal zu füllen. Bis Ende des Jahres gebe es noch Geld aus dem Rettungsschirm, aber danach werde es eng. Chef Markus Knierim sagte uns: "Die Veranstaltungen sind aktuell nicht kostendeckend und ich bin froh, dass wir den Rettungsschirm noch haben. Was aber nächstes Jahr passiert, steht in den Sternen. Die Gesellschaft habe sich durch Corona verändert. Ich versuche trotzdem durch mein Programm, was bis Ende des Jahres 120 Veranstaltungen beinhaltet, die Leute wieder an das Leben vor Corona zu erinnern und zu gewöhnen."
Größere Veranstaltungen überwiegend noch gefragt
Die MM Konzerte GmbH in Kassel sieht die ganze Angelegenheit etwas differenzierter: Es sei zwar schwieriger, die Tickets an den Mann oder an die Frau zu bekommen, allerdings würden aktuell noch viele Veranstaltungen, die wegen Corona abgesagt wurden, nachgeholt. Größere Veranstaltungen seien bislang nach wie vor gefragt. Kleinere hätten teilweise aber auch schon abgesagt werden müssen.
Theaterstübchen in Kassel: "Auslastung bei kleineren Veranstaltungen bei 30 bis 40 Prozent"
Bei größeren Events und Top Acts würden in etwa 80 bis 90 Prozent der gewohnten Zuschauerzahlen erreicht werden, so Chef Markus Knierim des Theaterstübchens in Kassel.
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Das ist sehr schwer, noch zurzeit, weil sich die Zuschauer in den letzten zweieinhalb Jahren sehr verändert haben, sind also nicht mehr gewohnt wegzugehen und daran arbeiten wir jetzt und unsere Auslastung zurzeit liegt zwischen 30 und 40 Prozent. Es gibt ein paar Ausreißer bei Top Acts, da liegen wir bei 80 bis 90 Prozent, aber das ist nicht die Regel, also in der Regel wie gesagt 30 bis 40 Prozent.
Osthessen
Folgeprobleme der Corona-Pandemie machen Kulturbetrieben zu schaffen
Das "Kreuz" in Fulda hat immer noch mit den Folgeproblemen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Die Leute würden sich nicht zu Konzerten in engen Räumen trauen, berichtete uns Geschäftsführer Wolfgang Wortmann. Die gestiegenen Energiepreise und Lebenshaltungskosten spielten bei den sinkenden Ticketverkäufen sicher auch eine große Rolle, noch sei aber unklar, wie groß die deren Auswirkungen seien.
Sorge vor "gesellschaftlicher Spaltung"
Bei weniger bekannten Künstlern verkaufe man aktuell etwa vierzig Prozent weniger Tickets, bei bekannteren seien es 20 Prozent weniger. Die Sorge sei, dass es eine gesellschaftliche Spaltung auch bei Kulturveranstaltungen gibt und nur noch reiche Menschen kommen, weil nur noch sie es sich leisten könnten, so Wortmann.
Kulturzentrum Kreuz: "Leute haben ein Ticket, kommen aber trotzdem nicht"
Es käme immer wieder vor, dass die Besucher den Veranstaltungen bei kleineren Künstlern fern blieben, obwohl sie schon ein Ticket gekauft hätten, so Geschäftsführer Wolfgang Wortmann vom Kulturzentrum "Kreuz" zu FFH.
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Was auch bemerkbar ist, dass es immer Leute gibt oder Besucher, die eigentlich ein Ticket haben, aber dann trotzdem nicht kommen. Wir merken es deutlich bei Künstlern, die nicht so bekannt sind. Da würde ich sagen, ist es bestimmt ein Einbruch von 40 Prozent. Bei größeren Veranstaltungen oder Künstlern, die immer ausverkauft sind, auch wenn es so kleinere Räume sind, da würde ich sagen, sind es vielleicht eher so 20 bis 30 Prozent.