Doppelmord von Babenhausen: Neue Beweise im Fall Andreas Darsow?
Doppelmord von Babenhausen - Neue Beweise im Fall Andreas Darsow?
Sie wirkte angespannt und verfolgte fast ohne Regung das Verfahren. Immer wieder kniff die Ehefrau des verurteilten Doppelmörders Andreas Darsow aus Babenhausen im Gerichtssaal in Darmstadt die Lippen zusammen. Eine Entscheidung über eine neue Beweisaufnahme im Fall ihres Mannes fiel jedoch nicht. Das Oberlandesgericht Frankfurt will in einem Berufungsverfahren in einem Zivilstreit um Schadenersatz zwischen dem Land Hessen und dem verurteilten Andreas Darsow am 6. Dezember die Entscheidung über eine Beweisaufnahme bekannt geben.
Für die Familie und ihre Anwälte sind diese die Hoffnung auf ein mögliches neues Wiederaufnahmeverfahren des Strafprozesses. Bislang schlugen allerdings alle Versuche, eine Wiederaufnahme des Strafprozesses zu erreichen, fehl.
Ein jahrelanger juristischer Kampf
Aufgeben will Darsows Anwalt Gerhard Strate, der bereits das bayerische Justizopfer Gustl Mollath und die wegen Mordes ihrer beiden Töchter verurteilte Monika Böttcher vertreten hatte, aber auch bei einem neuen Fehlschlag nicht. Für diesen Fall kündigte er am Dienstag bereits eine Revision beim Bundesgerichtshof an. Sollte diese nicht zugelassen werden, will er dagegen Beschwerde einreichen.
Das Land Hessen will Geld
Seit mehr als zehn Jahren kämpft die Ehefrau zusammen mit dem heute 54-jährigen Verurteilten, der seine Unschuld beteuert, um eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu dem Doppelmord im südhessischen Babenhausen. Hierfür gelten aber strenge Regeln. Im Zivilverfahren geht es um eine Forderung des Landes Hessen auf Schadenersatz in Höhe von fast 70 000 Euro wegen erbrachter Leistung für die bei dem Verbrechen überlebende, behinderte Tochter. Nach Angaben der Vorsitzenden Richterin Petra Winterer geht es hierbei überwiegend um Heilbehandlungen und Waisenrente für die Tochter. In erster Instanz lehnte die Kammer eine neue Beweiserhebung ab und verurteilte den 54-Jährigen zur Zahlung der geforderten Summe. Das Urteil damals hätte klarer kaum ausfallen können.
Keine Zweifel bisher an Urteil
Die Kammer hatte keine Zweifel an der Bewertung der Indizien im Urteil zu lebenslanger Haft im Strafverfahren. "In der Gesamtwürdigung lassen sie nur einen Schluss zu", hieß in der Begründung. Auch die in Darmstadt verhandelnde Berufungsinstanz fand die Argumentation der ersten Instanz nachvollziehbar, will aber dennoch über die neuen Beweise entscheiden. In dem Zivilverfahren geht es aber nicht um das eigentliche Verbrechen im Jahr 2009.
Indizien gegen Angeklagten
In seinem Urteil 2011 im Strafprozess sah es das Landgericht Darmstadt als erwiesen an, dass der Deutsche im April 2009 seinem Nachbarn nach einem jahrelangen Streit über Lärmbelästigung auflauerte und ihn erschoss. Anschließend ging er dem Urteil zufolge in das Haus und schoss der schlafenden Ehefrau zwei Kugeln in den Kopf - auch auf die behinderte Tochter schoss er. Sie überlebte schwer verletzt. Der Richter sprach von "absolutem Vernichtungswillen". chwerde in dem Fall nicht zur Entscheidung an. Und auch im Zivilverfahren scheitere bislang der Versuch.
Worum geht es bei den neuen Beweisen?
Bei den neuen Beweisen geht es um zehn Videos des Bundeskriminalamtes über Schussübungen mit einem Schalldämpfer aus einer Plastikflasche und Bauschaum, wie er ihn bei der Tat benutzt haben soll. "Diese These ist ganz zentral", sagte Strate. Seiner Auffassung nach kann ein solcher Schalldämpfer nicht benutzt worden sein - im Strafverfahren sei dies ein Kernbestandteil der Indizien-Argumentation gewesen. "Wir haben eine Justiz, die das glaubt und behauptet. Das ist ein Hirngespinst." Auch die erste Instanz im Zivilverfahren hatte die Argumentation übernommen.
Kein persönliches Statement erlaubt
Emotional forderte Strate die Richterinnen des Oberlandesgerichtes auf, die neuen Beweise zu sichten. "Ich finde es schade, dass wir nicht richtig zu Gehör kommen", sagte die Frau Darsows. "Meine Hoffnung ist nicht so groß." Man könne zu allen Punkten Ausführungen machen. Ihre Bitte in dem Verfahren am Dienstag das Wort ergreifen zu dürfen, wurde von der Vorsitzenden Richterin abgelehnt.
Die juristischen Schritte gegen das Mordurteil
Bislang scheiterten alle Bemühungen, mögliche neue Beweise in ein neues Verfahren einzubringen. Im August 2019 lehnte das Kasseler Landgericht eine Wiederaufnahme ab, im Mai 2020 auch das Oberlandesgericht Frankfurt. Im Oktober desselben Jahres nahm das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde in dem Fall nicht zur Entscheidung an. Und auch im Zivilverfahren scheiterte bislang der Versuch.