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Wiesbaden/Mainz
> Allergien nehmen zu - durch Klimawandel, Ernährung und Hygienehype
15.06.2023, 11:20 Uhr
Durch Klimawandel und Ernährung -
Immer mehr Menschen haben Allergien
Auch immer mehr Kinder leiden unter Allergien.
Immer mehr Menschen klagen über rote Augen, triefende Nasen oder Atemprobleme - auch wir in der FFH-Redaktion haben seit längerem das Gefühl, dass Allergien stark zunehmen und auch teils heftigere und längere Beschwerden auslösen als früher. Stimmt das? Wir haben uns mit der Wiesbadener HNO-Ärztin Dr. Bettina Hilka getroffen, deren Praxis sich auf Allergologie spezialisiert hat.
Zunächst war es nur ein Eindruck bei uns in der FFH-Redaktion. Da kommen Kolleginnen und Kollegen mit brennenden, roten Augen zum Dienst, klagen über Kopfschmerzen, haben offenbar gerade jetzt im Frühjahr und Frühsommer mit Allergien zu kämpfen, obwohl sie das bisher gar nicht kannten. Wir haben daher die Wiesbadener Allergie-Spezialistin Dr. Bettina Hilka gefragt: Trügt der Eindruck, dass immer mehr Menschen mit Allergien zu kämpfen haben? Hier ihre Antwort:
Die Pollensaison ist länger geworden, dadurch auch die Beschwerdezeit der Patienten, sagt Dr. Hilka
Sind auch immer mehr Kinder betroffen?
Uns haben auch Eltern gesagt, dass immer mehr Kinder mit Allergie-Beschwerden zu kämpfen haben - auch diesen Eindruck hat uns die Allergie-Spezialistin Dr. Hilka bestätigt:
"Das sind Erscheinungen, die wir vor 20 Jahren nicht kannten", sagt die Fachärztin zu allergischen Beschwerden bei Kindern
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In meiner Sprechstunde habe ich sehr viele Kinder in der Behandlung und es hat sprunghaft zugenommen. Die Kinder kommen nicht nur mit triefender Nase oder brennenden Augen, sondern kommen in der Regel gleich mit Obstruktionen, also Verengung im Bronchialsystem in die Sprechstunde. Das sind Erscheinungen, die wir vor 20 Jahren noch nicht kannten und es nimmt stetig zu.
Auch immer mehr Kinder mit Allergien kommen in ihre Praxis: Die Wiesbadener HNO-Ärztin Dr. Bettina Hilka, die mit dem Kollegen Profesor Ludger Klimek vom Allegiezentrum Wiesbaden in einer Gemeinschaftspraxis arbeitet
Was hat der Klimawandel damit zu tun?
Die Klimaerwärmung, was genau hat sie mit Allergien zu tun? Frau Dr. Hilka hat es und so erklärt: Der Klimawandel komme ja durch Schadstoffbelastung in der Luft, sei es Feinstaub, sei es Stickoxid und auch Co2. Und dadurch würden auch die Pollen sich verändern. In einer Studie habe man Birkenpollen untersucht. Da konnte man nachweisen, dass das Eiweiß in der Birke (Allergene seien ja nichts anderes als Eiweißprodukte) sich verändert hat. Bedeutet: Die Polle ist "aggressiver" geworden.
Was kann man selbst tun, um sich besser zu wappnen?
Kann man eigentlich selber etwas tun, um besser gewappnet zu sein gegen Allergien oder zumindest nicht so schwer getroffen zu werden? Das haben wir ebenfalls Frau Dr. Hilka gefragt:
Was wir tun können: Auf unsere Ernährung achten - Kinder nicht zu lange stillen
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Fangen wir an zur Ursache. Also wir wissen heute sehr, sehr gut, was bei einer Allergie abläuft. Aber warum es dann plötzlich das Immunsystem in die falsche Richtung abschwenkt, so genau wissen wir das nicht. Es gibt viele Studien darüber, dass die Immunität ja im Darm erworben ist und dass wir durch unseren Western Lifestyle einiges in unserem Darm nicht mehr so gut regulieren können. Was wir jetzt machen können, ist einfach auf unsere Ernährung achten, nicht so viel Fast Food zu uns zu nehmen. Kinder sollten nicht mehr allzu lange gestiegelt werden. Sie sollten so schnell wie möglich mit Fremdeiweiß in Kontakt kommen. Und natürlich ist es so, dass wenn ich eine genetische Disposition habe, das heißt, wenn Vater und Mutter beide Allergiker sind, ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr, sehr, sehr groß, dass das Kind zu 80 Prozent auch eine Allergie entwickelt. Was noch zu bedenken ist, ist natürlich die Städteplanung. Zurzeit haben wir das Problem, dass unsere Städte zu betoniert werden, dass keine Resorption der Schadstoffe durch Bäume stattfindet. Man sollte Bäume pflanzen, die eben die Allergenität nicht so stark ausprägen.
Selber Medikamente ausprobieren?
Wenn man erste Symptome einer Allergie hat, sollte man nach dem Rat der Fach-Ärztin besser nicht mit frei verkäuflichen Medikamenten aus der Apotheke experimentieren. Besser sei, sich beim Hausarzt checken zu lassen. Manche Symptome seien am Ende gar keine Allergie. Der Hausarzt könne dann zu einem Facharzt überweisen, der eine gründliche Anamnese mache und dann eine Therapie vorschlage.
"Schmuddelkinder" besser geschützt?
Zum Abschluss wollten wir von Frau Dr. Hilka noch wissen, ob an der alten "Volksweisheit" was dran sein könnte, dass Kinder "auch mal Dreck essen" sollten - also auch mit Schmutz und Staub in Kontakt kommen müssten, damit sie besser vor Allergien geschützt seien?
"Kinder sollten so viel wie möglich Antikörper bilden", empfiehlt die HNO-Ärztin
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Das ist sicher ein Grund, das wird ja überall proklamiert, das muss alles hygienisch sauber sein, sicher falsch. Kinder sollen, es gibt ja die sogenannte Schmuddelkind-Theorie und das ist auch sicher sinnvoll, Kinder so viel wie möglich Antikörper bilden zu lassen. Das ist die einzige Chance, die wir haben. Es gibt auch jetzt, es gibt einige Studien, dass man Kleinstkinder, die aus einer autopischen Familie kommen, also Vater, Mutter, Großmutter, alle Allergiker sind, wenn die geboren wären, dass man denen Wurmeier zu trinken gibt, damit die Immunität im Darm gestärkt wird. Es gab auch Versuche mit Fremdeiweiß, sei es jetzt die Katze ins Bett zu legen, Versuche da das Immunsystem nach oben zu bringen, aber da fehlen uns noch die Ergebnisse.