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Guten Morgen Hessen
> Gefährlicher Lachgas Trend macht Experten Sorgen
07.11.2023, 11:47 Uhr
Experten sind besorgt -
Lachgas als Partydroge nimmt zu
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Eine beliebte aber gefährliche Partydroge unter Teenagern: Die Ballons werden oft an öffentlichen Plätzen aufgeblasen und inhaliert
Vom medizinischen Narkosemittel zur Partydroge
Euphorie, Glücksgefühle, Entspannung und Kicheranfälle: So wird der Lachgas-Rausch oft beschrieben, der unmittelbar nach der Anwendung auftritt und nur wenige Minuten andauert. Dabei wird Lachgas eigentlich als Narkosemittel unter anderem in Zahnarztpraxen verwendet, weil es schmerzlindernd wirkt und beispielsweise Angstpatienten die Behandlung erleichtert.
Nach aktueller Rechtslage ist Lachgas keine Droge im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Erwerb, Besitz und Konsum sind völlig legal - in jedem Supermarkt oder online gibt es mit Lachgas gefüllte Kapseln für Sahnespender. Das Gas aus den Kartuschen wird dann in einem Luftballon gesammelt und inhaliert.
Die Verfügbarkeit, Legalität und die kurze Wirkung sorgen allerdings dafür, dass Lachgas oftmals verharmlost und unterschätzt wird.
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Leere Kartuschen achtlos zurückgelassen
Experten sind besorgt
Dass Lachgas als Partydroge benutzt wird, ist seit wenigen Jahren zu beobachten. Der Konsum unter Jugendlichen nehme allerdings immer mehr zu, was Experten wie Zahnärztin Dr. Tanja Brächer-Radecker aus Friedberg Sorgen bereitet. Zum einen wegen der Unfallgefahr, sagt sie. Konsumenten reagieren danach nicht mehr adäquat im Straßenverkehr. Zum anderen aus medizinischer Sicht: Eine Überdosis kann zu Bewusstlosigkeit, Atemlähmung bis hin zum Atemstillstand führen. Vor allem nach großen Mengen stellen Neurologen auch schwere Lähmungen fest - bis hin zu Querschnittslähmungen.
"Lachgas ist schon beim ersten Konsum riskant" sagt Suchtexperte Marc Pestonik, Referent bei der Berliner Fachstelle für Suchtprävention. Man wisse nicht, wie der Körper darauf reagiert oder ob bestimmte Grunderkrankungen möglicherweise bestehen, die die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen erhöhen. Ein Mischkonsum mit Alkohol oder anderen Drogen multipliziert die Risiken noch.
Lachgas-Challenges wie auf der Video-Plattform TikTok hält er für extrem gefährlich: Dabei würden Risiken und Gefahren, die Konsumenten eingehen, völlig ausgeblendet und die Partydroge verharmlost.
Wir haben die Friedberger Zahnärztin Dr. Tanja Brächer-Radecker gefragt: "Ist der Lachgastrend gefährlich"?
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Auf jeden Fall. Also, es gibt ja auch ... Die gehen ja dann auch in den Verkehr und sind dann auch bedöst. Da gibt's Unfälle. Oder sie fallen in den Verkehr oder aufs Bahngleis oder sonst wohin. Ja? Oder einfach, sie nehmen zu viel zu sich, fallen dann in Ohnmacht, haben eventuell auch Atemblähmung. Also, wenn man 100-prozentiges Lachgas in einer gewissen Menge einatmet, kommt's zum Atemstillstand und letztendlich zum Tod.
Suchtexperte Marc Pestonik sagt: Schon der erste Lachgas-Konsum ist riskant.
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Grundsätzlich kann man sagen, dass es ab dem ersten Mal schon riskant ist. Ich weiß ja nicht, wie ich darauf reagiere. Ich weiß nicht, ob ich bestimmte Grunderkrankungen vielleicht habe, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, dass ich Nebenwirkungen habe, dass ich vielleicht auch sensibel bin auf die Wirkung und vor allem, wenn ich mische, also wenn ich Alkohol dazu trinke, wenn ich Kiffe oder Ähnliches, andere Substanzen konsumiere, das erhöht natürlich das Risiko, Nebenwirkungen zu haben.
Lachgas-Hotspots in Hessen werden zugemüllt
In vielen hessischen Städten macht sich der Lachgas-Trend auch optisch immer mehr bemerkbar und wird zum Müllproblem. "Vor eineinhalb Jahren hat es ganz vereinzelt angefangen" sagt Stefan Röttele, Sprecher der Frankfurter Entsorgungsbetriebe (FES). "Es waren einzelne Kartuschen, die wir im öffentlichen Raum gefunden haben. Inzwischen sind es jedes Wochenende mehrere Dutzend." Vor allem in den Frankfurter Partyzonen wie die Zeil, das Bahnhofsviertel, Alt-Sachsenhausen und viele Grünflächen nehmen Lachgas-Überreste zu.
Die Stadt Gießen hat den Kirchplatz mittlerweile gesperrt, weil sich dutzende Teenager immer wieder dort versammelt und Lachgas konsumiert haben. "Ich gucke keinen Tatort mehr" hat uns Anwohnerin Petra Hartmann gesagt. "Ich gucke einfach aus dem Fenster". Den Anwohnern wurde der Drogenkonsum, der Lärm und Müll am Ende zu viel: Auf den Druck der Initiative SOS Kirchenplatz hin ist die Stadt aktiv geworden und hat den Kirchplatz mit einem Bauzaun abgeriegelt.
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Der Gießener Kirchplatz galt als "Lachgas-Hotspot" für dutzende Teenager und wurde mittlerweile gesperrt
FFH-Reporterin Dominique Bundt war am mittlerweile gesperrten Lachgas-Hotspot in Gießen und hat mit einer Anwohnerin gesprochen.
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Berühmt, berüchtigt ist der Platz, wo ich jetzt gemeinsam hier mit Petra Hartmann von der Initiative SOS Kirchenplatz stehe. Eigentlich ein unscheinbarer Platz, also hinter so ein paar Häusern, umringt von Wohnhäusern. Bäume stehen hier auch, sehe ich. Und ja, zuletzt haben sie hier auch immer wieder Gießener Jugendliche gesehen, die Lachgas konsumieren. Wenn wir mal so ein paar Schritte noch rangehen, hier sieht man jetzt schon, dass ein Gerüst aufgebaut wurde, eine Absperrung. Vermutlich, weil genau dahinter so ein paar Treppenstufen sind. Da kann ich mir vorstellen, saßen die da. Genau, sie saßen hier. Also der Platz ist ja rund umgeben von Treppenstufen und einer Mauer. Und da saßen, wenn es wenig waren, waren es zehn, aber sonst auch mal zwischen 30 und 50 Leute. Und nachmittags werden dann und abends auch, werden die schwarzen Ballons mit Lachgas dann eingesetzt. Die Ballons sehe ich jetzt hier gerade nicht, aber es ist ja auch der Zaun davor. Wie kommen denn diese Ballons hierher? Also wo kriegt man die her? Also man kauft das legal. Das ist keine illegale Droge, weil es ist tatsächlich auch nicht aus direkter Quelle, sondern nur aus meinem Nachlesen. In diesen Läden, wo man auch sonstigen Rauchkram so kaufen kann, Pfeifen, Wasserpfeifen und so ein Kram. Also da kann man diese Gaskartuschen kaufen und dann die Ballons, weiß nicht, ob es die dann mit als Beigabe dazu gibt. Das ist eben auch das, was es dann einfach erreichbar macht. Das heißt alle Anwohner und Anwohnerinnen hier in der Umgebung haben es wahrscheinlich auch gesehen, weil so schwarze Ballons, das fällt dann ja doch irgendwie auf. Wie kann ich mir das denn vorstellen? Die lutschen da an ihren Ballons und die können nicht wirklich abschätzen, wie viel sie davon inhalieren, ohne dass das ein Problem ist. Und dann kippen die einfach nach hinten über und regen sich erst mal nicht mehr. Also ich gucke keinen Tatort mehr seit ich hier wohne. Ich gehe nur auf den Balkon raus, da habe ich den dann. Und als Lehrerin haben Sie mir auch gerade schon gesagt, Sie bekommen da auch Feedback von ihren Schülerinnen und Schülern. Das heißt auch bei denen ist das ein bekanntes Thema. Wie merken Sie das so im Schulalltag? Ich habe den Eindruck, die, die mir davon erzählt haben, dass es dann eher so für den Feierabend und was weiß ich, man will sich einen lustigen und entspannten Abend machen und so ein bisschen bunte Luftballons im Kopf sehen. Also irgendwie so, es scheint ja eben auch so Bilder im Kopf zu konstruieren. Und das ist eine Erfahrung, die sie machen wollen gerne und die sie oftmals schön empfunden haben und es deshalb dann auch wieder machen.
Lachgasverbot in Großbritannien und den Niederlande
Während Lachgas bei uns in Deutschland legal ist, gehen andere Länder mittlerweile dagegen vor. In Großbritannien ist es ab dem 8. November illegal. Wiederholungstätern drohen dann bis zu zwei Jahre Haft, wie die britische Regierung mitteilte. Nach Angaben des britischen Innenministeriums ist Lachgas die am dritthäufigsten konsumierte Droge bei 16- bis 24-Jährigen.
In den Niederlanden ist der Besitz und Verkauf von Lachgas seit Anfang des Jahres bereits verboten. Ausnahmen gelten für medizinische und technische Zwecke. Der Missbrauch von Lachgas hatte in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Über 1800 Unfälle in drei Jahren führten auf den Konsum von Lachgas zurück - 63 davon mit tödlichem Ausgang.