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13.12.2021, 10:25 Uhr
Ein Job, wo jede Minute zählt -
Stammzellkurier aus Wetzlar rettet Leben
© Privatfoto Sandro Sket
Stammzellkurier Sandro Sket aus Wetzlar am Flughafen im Einsatz
Mit einer Box rund um die Welt. Sandro Sket aus Wetzlar hat einen verantwortungsvollen Job. Denn der Inhalt in seiner Box rettet Leben: der Mittelhesse arbeitet als Stammzellen-Kurier.
In Deutschland bekommt alle 12 Minuten ein Mensch die Diagnose Blutkrebs. Viele der Patienten sind dringend auf eine lebensrettende Stammzellspende angewiesen. Den passenden Spender zu finden, ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Bei der gemeinnützigen Organisation DKMS sind nach eigenen Angaben schon mehr als 11 Millionen mögliche Spender registriert. So konnten schon über 95.000 Mal Stammzellspenden vermittelt werden, schreibt die DKMS auf ihrer Internetseite.
© DKMS
DKMS Spender in Deutschland: Rot kennzeichnet alle registrierten, aktiven Spender (hessenweit 547.787) und blau die Anzahl der Entnahmen (hessenweit 6.211)
Die frohe Botschaft: Es gibt am anderen Ende der Welt den genetischen Zwilling. Derjenige, der dem Erkrankten die lebensrettende Stammzellspende geben kann. Wenn dieser Fall eintritt, wird nach zahlreichen medizischen Tests eine Spende entnommen, die dann jedoch teilweise in einem ganz anderen Land beim Empfänger transplantiert wird. Und damit die wichtige Fracht auch über hunderte Kilometer von A nach B kommt, gibt es Menschen wie Sandro Sket.
Stammzellen-Transport weltweit
Von Wetzlar reist Sandro Sket los - beispielsweise nach Indien, Armenien oder São Paulo. Letzteres war mit Zwischenstopp in Los Angeles seine bisher längste Strecke, auf der er die überlebenswichtigen Blutstammzellen transportiert hat. Ob mit dem Flugzeug oder innerhalb von Deutschland mit der Bahn: auf seiner Reise darf der Stammzellen-Kurier seine Kühlbox niemals aus den Augen lassen, erzählt er im Gespräch mit HIT RADIO FFH. Wenn er mal auf's Klo muss, dann kommt die Box mit.
Stammzellkurier Sket: "Man sichert sich doppelt ab"
Sandro Sket versucht alles, was in seiner Verantwortung steht, abzusichern. Das heißt auch: morgens zwei Wecker stellen
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Es kann ein Flügel ausfallen, es kann irgendeinen Streik geben und es gibt Sachen, die kann man nicht ausschließen. Aber alle die Dinge, die unter meiner Kontrolle stehen, das sichert man sich doppelt ab. Also zum Beispiel morgen steht mir grundsätzlich zweimal der Wecker, dass ich keinen Flug verschlafe. Das ist einfach keine Option. Dann hat man die Tasche bei sich und man hat eigentlich ein Leben da drin. Die stellt man auch nicht mal einfach so neben sich. Also die steht immer vor einem, ist in einem Blickfeld und da darf nichts passieren. Und soweit ich weiß, ist auch bei keinem Kurier bisher irgendwas schiefgegangen. Also das ist einfach absolute Priorität. In dem Moment, wo man die Box hat, muss man die sich eigentlich mit seinem Leben verteidigen, wenn man so will. Man weiß, worum es hier geht und das ist eigentlich auch die Erfüllung und der gewisse Druck, die gewisse Anspannung ist einfach gut. Auch wenn man dann mal vielleicht nur zwei, drei Stunden geschlafen hat. Man weiß, wofür man das macht und da muss man auch mal die eigene Bequemlichkeit hinten anstellen und sich vielleicht auch mal die Lage versetzen, was wäre, wenn ich auf das Produkt angewiesen wäre. Dann wäre ich auch froh, wenn da jemand wirklich auf Zack ist und man 100 Prozent davon ausgehen kann, dass alles gut geht.
Vom Spender zum Empfänger in 72 Stunden
Eine große Verantwortung, die Skets Job mit sich bringt. Die Spende in seiner Box kann Leben retten. Deshalb gilt den ganzen Trip höchste Aufmerksamkeit. Und Geschwindigkeit. Denn letztlich dürfen zwischen Entnahme und Transplantation nur 72 Stunden liegen. Um den nächsten Transportauftrag gut zu planen, bekommt Sandro Sket von seinem Auftraggeber, dem internationalen Logistikunternehmen time:matters in Neu Isenburg, etwa 10 Tage vor der Reise die groben Infos. Etwa 3 bis 4 Tage vorher weiß er dann im Detail, wie seine Reise ablaufen soll. Rund 50 Stammzellen-Transporte hat Sket in den letzten zwei Jahren erledigt.
Stammzellkurier Sket: "Man spielt sich das im Kopf durch"
Planung ist bei der Arbeit als Stammzellkurier das A und O, erzählt Sandro Sket am FFH-Mikro. Nur so können möglichst viele Fehler verhindert werden
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Ein paar Tage vorher kriege ich dann den konkreten Plan, was ist die Flugroute, welches Krankenhaus muss ich ansteuern und dann beginnt eigentlich erst mal die Planung zu Hause. Man spielt sich das im Kopf so ein bisschen durch, was kann passieren oder wie komme ich von A nach B und was ist, wenn da was schief geht, was ist die Alternative dafür, sodass ich dann, wenn ich dann wirklich mal unausgeschlafen bin, dann eigentlich die Sachen schon so ein gewisses Backup habe, was dann die Alternativen sind. Vielleicht ist es auch das Interessante dabei, sich da irgendwie immer umorientieren zu müssen. Man hat sich irgendwie daran gewöhnt, auch an diesen Trips, dadurch, dass man alles so durchplanen muss, eine gewisse Routine, soweit es möglich ist, auch aufzubauen. Und natürlich muss man manchmal nachts um zwei aufstehen und sich für den Flug bereit machen, aber das ist irgendwo auch eine Herausforderung und das entwickelt einen auch weiter. Man hat eine gewisse Anpassungsfähigkeit, man ist in anderen Kulturen. Also es sind so viele Herausforderungen, was das Ganze aus der Routine draußen sein auch interessant macht.
Stammzellkurier Sket: "Schlafen darf man nicht!"
Etwa 50 Trips in den letzten 2 Jahren hat Sandro Sket für diesen Job hinter sich. Die längste Route war bisher über Los Angeles nach São Paulo
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Frankfurt nach Los Angeles und dann gleich umsteigen und weiter nach Sao Paulo. Ich wusste, das ist ein 12-Stunden-Flug nach L.A., aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das sind vielleicht nochmal vier, fünf, sechs Stunden runter nach Sao Paulo. Aber das ist wirklich nochmal von Nord nach Süd und von West nach Ost. Das war nochmal ein 12-Stunden-Flug und dann zwischen zwei Passagieren, Knie hoch, schlafen darf man auch nicht, die Box unter einem noch da unterm Sitz geschoben. Das ist dann schon anstrengend und dann kommt der Zeitunterschied noch dazu. Dann sind es auch nochmal sechs Stunden Zeitunterschied in Sao Paulo und neun Stunden mit L.A. Das ist dann schon mal einer der anstrengenderen Trips. Das gleiche nochmal zurück, also Rückflug dann einen Tag später nach L.A. und wieder zurück nach Frankfurt.
© FFH
Jeder Zeit bereit: Damit Sandro Sket sich direkt auf den Weg machen kann, hat er die Transportbox für Stammzellen und Knochenmark in seiner Wohnung in Wetzlar
15 Jahre hat der Mittelhesse in Asien gelebt. Die Auslandserfahrung hilft ihm bei seiner jetzigen Arbeit als Stammzell-Kurier. Ein Job, der vor allem dadurch entlohnt wird, dass man etwas Gutes tut, wie er im FFH-Gespräch erzählt: "Man macht es nicht aus finanziellen Gründen. Man hat durch die Bedeutung des Jobs eine gewisse Erfüllung." Und er sagt weiter: "Es ist ein Menschenleben dahinter!" Auch wenn Sandro Sket die Spender und Empfänger nie trifft, sondern sein Job am Krankenhaus-Eingang endet, sei er sich seiner Sache sehr bewusst.
"Ein wichtiges Glied in der Kette"
"Man weiß: Da wartet jemand auf eine Operation. Und man ist ein wichtiges Glied in der Kette, die das ermöglicht", beschreibt Sandro Sket seine Aufgabe. Empfehlen kann er den Job übrigens jedem, der sich gut im Ausland zurecht findet und für die gute Sache im Einsatz sein will. Sandro Skets Auftraggeber time:matters ist eine Tochterfirma von der Lufthansa Cargo und verfügt nach eigenen Angaben über einen Pool aus mehr als 300 Stammzellen-Kurieren, die größtenteils ehemalige Piloten und Flugbegleiter sind.
Stammzellkurier Sket: "Es ist ein Menschenleben dahinter"
Skets Job erfordert viel Verantwortungsbewusstsein
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Na ja gut, man muss sich immer vor Augen führen, es ist ein Menschenleben dahinter. Man trifft die Person nie, das wäre vielleicht noch eine stärkere Erfahrung, wenn man wirklich einen Kontakt mit der Person hatte, aber die hat noch nicht mal der Spender. Ich glaube, der Spender kann nach zwei oder drei Jahren Kontakt aufnehmen, aber wir als Kuriere, bei uns endet der Trip dann im Krankenhaus bei der Übergabe mit den Ärzten. Aber trotzdem, man ist sich der Sache bewusst und das ist auch das, was einen dann auch antreibt. In dem Fall weiß man schon, okay, da wartet jemand auf eine Operation und man ist ein wichtiges Glied in der Kette, die das auch mit ermöglicht, vom Spender, Ärzten oder von den ganzen Teamen, was dahinter steht, abgesehen. Und da ist man sich so einer Rolle schon bewusst.
Stammzellkurier Sket: "Die Entlohnung kommt von der Bedeutung des Jobs!"
Auch wenn die Arbeit als Stammzellkurier natürlich bezahlt wird, am Ende komme die Belohnung viel mehr dadurch, dass man etwas Gutes tut
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Was natürlich von Vorteil ist, ist eine gewisse Auslandserfahrung, dass man mal im Ausland entweder gelebt hat oder ab, wenn man hat als Pilot gearbeitet, als Flugbegleiterin oder war ein Geschäftsreisender, für den das second nature ist, einfach im Ausland sich auch schnell zurechtzufinden. Und man kommt auch mal an einen Security Officer, der sich ein bisschen krumm stellt, und dann muss man einfach von der Mentalität auch wissen, das ist eine gewisse Empathie von Vorteil, wie reagiere ich jetzt darauf. Das Zweite, was ich sagen würde, man macht das eigentlich nicht aus finanziellen Gründen. Da ist man wahrscheinlich besser bedient, einen normalen Bürojob zu machen, weil es ist eigentlich mehr ein Volontierjob. Aber die Entlohnung kommt von der Bedeutung des Jobs. Also man hat eine gewisse Erfüllung. Es ist ein sehr interessanter und auch ungewöhnlicher Job. Ich bin sehr, sehr zufrieden.