Rhön-Klinikum-Chef klagt an - "UKGM-Mitarbeiter werden benachteiligt"
Im Streit um den Zukunftsvertrag zwischen dem Land Hessen und den Unikliniken in Gießen und Marburg (UKGM) erhebt der Chef des Rhön-Klinikums schwere Vorwürfe gegen das Land Hessen. Im Exklusiv-Interview mit HIT RADIO FFH sagt Dr. Christian Höftberger: "Unsere Mitarbeiter fühlen sich als Mitarbeiter zweiter Klasse, weil sie benachteiligt werden, weil ihr Klinikum eben keine Fördermittel enthält."
Weiter fordert Höftberger eine Förderung, wie sie auch das Uniklinikum Frankfurt erhält.
Drittgrößte Uniklinik in Deutschland
Fast 10.000 Mitarbeiterinnen, über 430.000 Patienten pro Jahr. Das UKGM in Gießen und Marburg ist die drittgrößte Uniklinik in Deutschland. Sie ist Teil des bundesweiten Kliniknetzwerks der Rhön-Klinikum AG. Doch der Zukunftsvertrag der Rhön-Klinikum AG mit dem Land Hessen steht auf der Kippe. Es geht um Geld und um Anerkennung.
Streit und immer wieder Streik
Seit Wochen beharken sich die Rhön-Klinikum AG und die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn öffentlich. Seit Wochen streiken auch immer wieder Pfleger, Physiotherapeuten oder Verwaltungsmitarbeiter, weil sie sich um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze sorgen, wie HIT RADIO FFH mehrfach berichtet hat.
Krieg und Inflation führen zu höherem Förderbedarf
Jetzt äußert sich der Vorstandschef der Rhön-Klinikum AG Dr. Christian Höftberger erstmals klar über die Streitpunkte in den Verhandlungen. Im FFH-Gespräch sagt er: "Es gibt einen Krieg in Europa, es gibt eine explodierende Inflation, es gibt gestörte Lieferketten." Deswegen habe sich eine neue Situation ergeben und die Fördermittel müssten situativ angepasst werden." Der Letter of Intent (Absichtserklärung), der Fördermittel und unternehmerische Handlungsspielräume für zehn Jahre festschreibe, bereite dem UKGM zunehmend Bauchschmerzen.
"Geringschätzung unserer Mitarbeiter muss ein Ende haben"
Höftberger, der zugleich Präsident der hessischen Krankenhausgesellschaft ist und als Vordenker der Strukturen im Gesundheitswesen gilt, kritisiert deutlich die Haltung des Landes Hessen gegenüber den über 9.600 UKGM-Mitarbeiter. Sie sei geringschätzig. Die Mitarbeiter würden seit Jahren erarbeiten, was die Klinikstandorte nicht an rechtmäßiger Förderung erhielten. Das müsse ein Ende haben."
Hoffnung auf Einigung in den nächsten Wochen
Trotzdem geht Höftberger von einer Einigung mit Land in den nächsten Wochen aus. Die Wahrscheinlichkeit hierfür liege deutlich über 50 Prozent, so Höftberger. Deshalb äußert sich der Rhön-Klinikum-Chef derzeit nicht dazu, was es bedeute, wenn es am 31.12.2022 keinen Zukunftsvertrag gibt.
Rechtsstreit wäre ein Desaster
Allerdings hat sich das Rhön-Klinikum mit der Kündigung des Altvertrages bereits die Möglichkeit eröffnet, die Frage der Förderung ab 2023 gerichtlich klären zu lassen, wenn es keinen Folgevertrag gibt. Ein langer und teurer Rechtsstreit könnte die Folge sein - ein Desaster nicht nur für das Land Hessen wie die Rhön-Klinikum AG, sondern vor allem für fast zehntausend Beschäftigte und die medizinische Versorgung in Mittelhessen.
Spitzenmediziner flehen das Land um Einigung an
In einem offenen Brief bezeichneten die UKGM-Klinikdirektoren diese Aussicht bereits als "ruinöse Pattsituation". Hier heißt es: Seit der Privatisierung erhalte das UKGM kaum Investitionszuschüsse des Landes - als einziges Großklinikum in Deutschland. Das sei die ganzen Jahre bereits unverantwortlich.
Höftberger: Mitarbeiter enttäuscht vom Land Hessen
Der Rhön-Klinikum-Chef sagt, er sehe und verstehe die Verunsicherung in der Belegschaft, aber: "Was ich immer wieder höre, ist die große Enttäuschung darüber, wie unsere Mitarbeiter und die UKGM - ihr Klinikum sozusagen - behandelt wird, nämlich als Klinikum zweiter Klasse. Es gibt so einen Spruch, der sich durchzieht: Wer hier in Gießen geboren wurde, dass es sich anfühlt wie verraten, verkauft, vergessen. Und diesen Zustand müssen wir beenden und zwar für unsere Mitarbeiter und für die beiden Klinikstandorte und für die Versorgung der Menschen in der Region."
Vorwurf: Seit der Privatisierung kaum noch Investitionszuschüsse
Seit der Privatisierung erhalte das UKGM kaum Investitionszuschüsse des Landes - als einziges Großklinikum in Deutschland. Gegenüber der Gießener Allgemeinen Zeitung bezifferte Höftberger den eigentlichen Förderbedarf mit 90 Millionen Euro jährlich für die beiden Uniklinik-Standorte Gießen und Marburg.
Jeder Euro Fördergeld bleibt in Gießen und Marburg
Dabei wendet er sich auch direkt an die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne), eine erklärte Gegnerin der einstigen Privatisierung des Unikliniken Gießen und Marburg. "Ich wünsche mir von Frau Dorn nicht mehr als die Gleichbehandlung mit allen anderen Kliniken." Zu HIT RADIO FFH sagt Höfberger, das Rhön-Klinikum werde jeden Euro Fördergeld am Standort belassen und reinvestieren.
Höftberger fordert auch für Digitalisierung mehr Geld
Außerdem verweist Höftberger darauf, dass die Uniklinik Frankfurt im vergangenen Jahr bereits 58 Millionen Euro Fördergelder bekommen habe. Die zwei Unikliniken Gießen und Marburg sollten jedoch auch in Zukunft zunächst nur 43 Millionen Euro erhalten. Auch mit Blick auf die zukünftigen Aufgaben der Digitalisierung und Ambulantisierung sei zu wenig.
UKGM als Leuchtturm der digitalen Zukunftsmedizin
Dabei habe das Rhön-Klinikum große Pläne mit dem UKGM. Zwei Unikliniken unter einem Dach, eingebunden in den Krankenhauskonzern Aslkepios, würden unglaubliche Datenmenge beherbergen. Damit könne man zu einem Leuchtturm der digital-medizinischen Versorgung werden - für eine große Region, vielleicht sogar für die Welt.