Gießener Initiative gibt Tipps - Gegen sexuellen Missbrauch an Kindern
Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt schützen - das ist das Ziel eines Gießener Rats von Bürgerinnen und Bürgern. Sie haben gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, die sie nun an die Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung übergeben haben.
Sexuelle Gewalt kann überall passieren. Jeden Tag werden fast 50 Kinder in Deutschland Opfer sexueller Gewalt, wie aus der Kriminalstatistik der Polizei hervorgeht. Statistiken zeigen auch, dass in jeder Schulklasse 1-2 Kinder betroffen sind. Wie man diese Kinder schützen kann, darüber hat sich ein Zusammenschluss der Beratungsstelle Wildwasser Gießen e. V. und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Gedanken gemacht.
Schutz der Kinder erhöhen
Konkret hat sich die Initiative überlegt, wie die Kinder direkt vor Ort in der Schule, Kita und Zuhause geschützt werden können und welche Hindernisse dafür abgebaut werden müssen. Der "Rat zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt" hat hierzu Handlungsempfehlungen erarbeitet, die nun dem Gießener Oberbürgermeister sowie der Bundesregierung überreicht wurden.
Sexuelle Gewalt findet oft in der Kernfamilie statt
"Sexueller Missbrauch findet größtenteils im nahen sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen statt. Dazu gehören Angehörige, der Freundes- und Bekanntenkreis der Familie oder auch Mitarbeitende in Bildungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen", schreibt die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs auf ihrer Seite. Gemeinsam mit der Gießener Beratungsstelle Wildwasser hat sie sich Anfang November zusammengetan, um konkrete Empfehlungen zum Schutz der Kinder zu erarbeiten.
Täter nutzen Verletzlichkeit und Schwächen aus
Kinder und Jugendliche würden von den Täterinnen und Tätern häufig gezielt ausgewählt werden. Besonders gefährdet seien Kinder, die sich als Außenseiter fühlen und sozial isoliert sind. Auch Kinder, die in Familien mit strenger Autorität aufwachsen, eine körperliche oder geistige Behinderung haben oder Kinder, die bereits zuvor körperlich oder seelisch misshandelt werden, würden besonderen Schutz benötigen, heißt es von der Initiative.
Das rät die Initiative
Die rät: Hinsehen, Kindern aufmerksam Zuhören und behutsam Nachfragen! Wichtig sei es, Kindern oder Jugendlichen Glauben zu schenken, wenn sie etwas erzählen. Wer unsicher ist, sollte sich Rat holen, zum Beispiel bei einer Beratungsstelle. Dort kann man sich auch über Missbrauch informieren und bekommt Infos, wie man Kinder und Jugendliche schützen kann. Denn die können sich selbst oft nicht alleine schützen.
Mehr Aufklärungsarbeit
Hieraus leitet die Gießener Gruppe ab, dass es mehr und verpflichtende Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung gerade für diejenigen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen umgehen, geben muss. Sie müssen für das Thema sexuelle Gewalt sensibilisiert werden. Außerdem sollten in allen Bereichen - Schule, Kita, Arbeitsplatz - Infoveranstaltungen zu diesem Thema für die Eltern angeboten werden.
"Kinderschutz kostet Geld"
Auch plädiert die Gruppe für die Stärkung der institutionellen Grundlagen. Dazu zählen einheitliche Schutzkonzepte, eine engere Vernetzung von den verschiedenen Institutionen und hierfür die entsprechende finanzielle Förderung.
Über sexuelle Gewalt ins Gespräch kommen
Julia Birnthaler, Leitungsteam Wildwasser Gießen e. V.: „Es braucht mehr Information, mehr Qualifikation und vor allem mehr Möglichkeiten, um miteinander über dieses Thema ins Gespräch zu kommen. Wir von Wildwasser sind sehr ermutigt und motiviert für die weitere Umsetzung und fordern die politische Ebene auf, diese gesellschaftspolitische Aufgabe gemeinsam zu lösen.“
Auf bundespolitische Ebene weitertragen
Der Gießener Bürgerrat ist nach eigenen Angaben bundesweit der erste zum Thema sexuelle Gewalt und besteht aus 16 Bürgerinnen und Bürgern, die privat, ehrenamtlich oder beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, sagte: „Ich nehme die Ergebnisse aus Gießen auch für meine Arbeit und Gespräche auf bundespolitischer Ebene mit." Weitere Infos zu den Ergebnissen des Bürgerrats finden Sie online.