Für ihn geht's am 26.03. in die Stichwahl: Sven Schoeller (Grüne) landet bei der OB-Wahl in Kassel auf Platz zwei hinter Amtsinhaber Christian Geselle.
SPD-Kandidatin Isabel Carqueville erhielt weniger Stimmen als erhofft.
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Paukenschlag bei der Oberbürgermeisterwahl in Kassel: Amtsinhaber Christian Geselle will nicht für die Stichwahl in zwei Wochen antreten. Geselle holte laut vorläufigem Endergebnis als unabhängiger Kandidat 31,47 Prozent. Sven Schoeller von den Grünen kam auf 27,84 Prozent der Wählerstimmen. Die beiden Kandidaten wären am 26. März in die Stichwahl gegangen.
Geselle sagte, er habe die Entscheidung zum Rückzug mit Blick auf die letzten Monate und Wochen getroffen, die für seine Familie und ihn nicht leicht gewesen seien. "Es gab einige Vorfälle und Diffamierungen, die meine Familie doch schon sehr beeinträchtigt haben bis hin zu nächtlichen Aktionen vor unserer Haustür", erklärte der Rathaus-Chef. "Ich wünsche mir, dass die politische Kultur in dieser Stadt nicht langfristig Schaden nimmt."
Anonymer Brief an Geselle
Geselle spielte damit unter anderem auf einen anonymen Brief an, in dem ihm vor einigen Wochen Defizite bei der Personalführung vorgeworfen wurden. Er hatte Strafanzeige gegen die unbekannten Verfasser gestellt und gegen sich selbst ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Geselle: "Habe mir das schon länger überlegt"
Christian Geselle erklärt am FFH-Mikro, warum er nicht in die Stichwahl einzieht.
Ich habe mir das für diesen Fall, dass das so ist, wie das heute ist, auch schon länger überlegt. Ich möchte vor dem Hintergrund dessen, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, den Einzug in die Stichwahl nicht antreten. Ich habe heute Abend gewonnen, darf mich auch recht herzlich bei allen Wählerinnen und Wählern, über 18.500 Stimmen, recht herzlich bedanken. Aber ich bitte auch um Rücksicht mit Blick auf meine Familie, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, was die aushalten müssen. Da stelle ich mich vor, meine Familie, das ist wichtiger, als jetzt verkrampft in einer Stichwahl zu kämpfen.
So finden Menschen in Kassel Geselles Entscheidung.
Von Zustimmung bis Ablehnung: So bewerten Menschen in Kassel am FFH-Mikro die Entscheidung von Christian Geselle, nicht in die Stichwahl zu gehen.
Ich finde es okay, wenn er das so macht. Wenn seine Familie bedroht wird, ist okay. Finde ich nicht so gut. Wenn man sich zur Wahl stellt, dann sollte man das auch durchziehen. Und da später zurückzuziehen, das finde ich ziemlich daneben. Dass er noch mal parteilos angetreten ist mit diesen Konflikten und da schwingt auch so ein bisschen mit, aber vielleicht die SPD damit auch ein bisschen schaden wollte, dass er noch mal angetreten ist. Ich finde es gegenüber den Wählern auch nicht fair, dass wir nicht vorher wussten, dass er bei einer Stichwahl nicht antreten würde. Hätte man es vorher gewusst, dass er nicht antritt, wäre eventuell die Entscheidung ja anders ausgefallen.
Geselle: "Meine Familie hat es sehr mitgenommen"
Christian Geselle über die Auswirkungen des Wahlkampfs auf seine Familie.
Vor allen Dingen meine Familie hat es sehr mitgenommen, sonst wäre auch diese Entscheidung so nicht getroffen und gefallen. Ich weiß nicht, wie lange das dann weitergehen soll. Es ist ja einfach nicht nur so, dann auch eine Stichwahl zu gewinnen, die kann man gewinnen, sondern hinterher muss man auch Oberbürgermeister sein und mit entsprechender Rückendeckung das machen können und nicht mit ständigen Befürchtungen leben müssen, um Sorge, um Angst um die Familie und das möchte ich meiner Familie nicht zumuten.
Schoeller: "Trete als Oberbürgermeister für alle an"
"Ich trete als Oberbürgermeister für alle an, unabhängig davon, welcher Partei oder Politik jemand zugetan ist", sagte Sven Schoeller in einer Erklärung nach der Wahl. "Diese Stadt hat es verdient, dass sie die klare Orientierung bekommt, die es für die anstehenden Aufgaben braucht." Mit Blick auf die Äußerungen Geselles zu Vorfällen im Wahlkampf sagte er: "Da gab Dinge, die rufschädigend waren für Herrn Geselle, die ich als üble Nachrede bezeichnen würde." Diese Angriffe seien aber von keinem der anderen Bewerber gekommen. Kritik an Geselles Amtsführung sei dagegen legitim, so Schoeller im FFH-Gespräch.
Gibt es trotzdem eine Stichwahl?
Zu einem zweiten Wahlgang wird es trotz Geselles Entscheidung kommen, erklärte die Wahlleiterin Anja Morrell. Damit Schoeller neuer Oberbürgermeister wird, muss er im zweiten Wahlgang mindestens 50 Prozent Zustimmung bekommen. Sonst würde es Neuwahlen geben.
Schoeller: "Dafür haben wir gekämpft!"
Sven Schoeller, OB-Kandidat der Grünen für Kassel, freut sich am FFH-Mikro über das Ergebnis
Sehr gut geht es mir damit. Das ist das, was wir uns erhofft haben. Dafür haben wir gekämpft, den ganzen Wahlkampf. Und wir sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Man muss sehen, das bislang beste Ergebnis der Grünen hier in Kassel bei einer Oberbürgermeisterwahl lag bei 15 Prozent. Nach den bisherigen Ergebnissen, die vorliegen, haben wir das fast verdoppelt. Also das ist schon ein grandioses Ergebnis.
Schoeller: "Es gab Dinge, die rufschädigend waren"
Sven Schoeller, OB-Kandidat der Grünen für Kassel, über die Angriffe auf Geselle im Wahlkampf.
Ich denke, man muss die Dinge, die in diesem Wahlkampf aufgetreten sind von dritter Seite, das will ich betonen, also von Keimen der Bewerberinnen und Bewerber, auch differenziert sehen. Da gab es Dinge, die wirklich rufschädigend waren für Herrn Geselle und die ich als Jurist als üble Nachrede bezeichnen würde und die man auch nicht verbreiten darf. Und es gab andere Äußerungen, wo es einfach um eine Kritik an der Amtsführung gegangen ist. Aber ich denke, jetzt muss jeder Amtsinhaber letztlich akzeptieren, dass es dazu kommt.
Rund 146.000 Menschen waren zur Wahl aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 40,94 Prozent. Sechs Kandidatinnen und Kandidaten standen auf den Wahlzetteln. Sven Schoeller (GRÜNE) kam auf 27,84 Prozent, Isabel Carqueville (SPD) auf 12,82 Prozent, Eva KühneHörmann (CDU) erhielt 16,75 Prozent, Violetta Bock (DIE LINKE) 9,17 Prozent, Stefan Käufler (Die PARTEI) landete bei 1,95 Prozent und Christian Geselle (unabhängiger Kandidat) erziele 31,47 Prozent.
Geselle siegte 2017 klar im ersten Wahlgang
Bei der letzten Oberbürgermeisterwahl 2017 hatte Geselle noch deutlich im ersten Wahlgang gewonnen - mit knapp 57 Prozent der Stimmen. Stärkster Herausforderer war damals Dominique Kalb von der CDU, er bekam rund 18 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag damals bei 36,5 Prozent.
Das waren die Kandidaten bei der OB-Wahl in Kassel
Sie waren für die Oberbürgermeisterwahl in Kassel angetreten (von links oben): Sven Schoeller (Grüne), Isabel Carqueville (SPD), Eva Kühne-Hörmann (CDU), Violetta Bock (Linke), Stefan Käufler (Die Partei), Christian Geselle (Unabhängiger Kandidat). Hinweis: Die Reihenfolge bei der Vorstellung der Kandidaten auf dieser Seite orientiert sich an der offiziellen Bekanntmachung der Wahlvorschläge.
Sven Schoeller (50 Jahre alt) wurde in Göttingen geboren. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Neu-Eichenberg und Berge im Werra-Meißner-Kreis. Sein Vater war dort Gemeindepfarrer. Seine Mutter wurde später ebenfalls Gemeindepfarrerin, weswegen Schoeller während seiner Kindheit noch häufiger umziehen musste: nach Guxhagen, Gudensberg und Fritzlar. "Ich fühle mich in ganz Nordhessen zu Hause", sagt Schoeller. Er hat in Göttingen und Mainz Jura studiert und arbeitet seit über 20 Jahren als Rechtsanwalt in Kassel. Sei 2021 sitzt Schöller in der Stadtverordnetenversammlung. Er lebt mit seinen drei Kindern und seiner Frau im Stadtteil Kirchditmold.
Isabel Carqueville (39 Jahre alt) wurde in Gera geboren und hat Erziehungswissenschaften an der Uni Kassel studiert. Derzeit arbeitet sie als Referentin für Sozialpädagogik und Weiterbildung bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und ist seit 2012 SPD-Mitglied, von 2016 bis 2018 saß sie in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung. Isabel Carqueville hat zwei Kinder und lebt mir ihrer Familie in Forstfeld. In der Freizeit liebt sie es, zu stricken und zu spinnen - unter anderem Schals oder Handschuhe für die Kinder, ihren Mann, aber auch für sich selbst.
Eva Kühne-Hörmann (60 Jahre alt) wurde in Kassel geboren. Sie studierte Jura in Würzburg und Göttingen. Seit 1995 ist sie fast durchgehend für die CDU im Hessischen Landtag vertreten. Kühne-Hörmann war von 2009 bis 2014 Ministerin für Wissenschaft und Kunst und anschließend bis zum vergangenen Jahr Justizministerin in Hessen. Seit 1997 ist sie ebenfalls Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Eva Kühne-Hörmann ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Zu ihren Hobbys zählt Motorbootfahren auf der Fulda.
Violetta Bock (35 Jahre alt) kommt gebürtig aus Passau (Bayern). Nach Kassel kam sie 2009 für ihr Studium der Politikwissenschaften. Seit 2014 arbeitet sie bei der Rathaus-Fraktion der Linken, zwei Jahre später wurde sie ins Stadtparlament gewählt. In ihrer Freizeit engagiert sich die 35-Jährige viel ehrenamtlich, spielt gerne Exit-Games mit Freunden und macht Karate. Sie wohnt in Rothenditmold.
Stefan Käufler (41) Jahre geht für die Satire-Partei "Die Partei" ins Rennen um die Oberbürgermeisterwahl. Er ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in der Kasseler Südstadt. Käufler arbeitet in der Qualitätssicherung bei VW in Baunatal. Zu seinen Hobbys zählt die politische Arbeit bei der Partei, wirklich Oberbürgermeister werden will er eigentlich nicht.
Christian Geselle (47 Jahre alt) wurde in Kassel geboren und hat Abitur am Wilhelmsgymnasium gemacht. Nach einer Ausbildung im Polizeidienst folgte ein Jurastudium in Göttingen. Bis 2015 war Geselle Verwaltungsjurist beim Land Hessen. 2006 wurde er in die Stadtverordnetenversammlung gewählt und übernahm 2013 den Vorsitz der SPD-Fraktion. 2015 ging er als Kämmerer und Sozialdezernent hauptberuflich zur Stadtverwaltung. 2017 wurde Geselle mit 56,6 Prozent der Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt. Der 46-Jährige wohnt mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern in Niederzwehren. Im Sport schlägt sein Herz für den KSV, die Kassel Huskies – und überregional für Schalke 04. Seine Freizeit verbringt er gerne auf der Fulda oder im Habichtswald.