Kinder in Dorfteich ertrunken: Geldstrafe für Ex-Bürgermeister
Kinder in Dorfteich ertrunken - Geldstrafe für Ex-Bürgermeister
Im Berufungsprozess um drei in einem Dorfteich in Neukirchen (Schwalm-Eder-Kreis) ertrunkene Kinder hat das Landgericht Marburg den ehemaligen Bürgermeister der Stadt wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der damalige Rathauschef Klemens Olbrich (CDU) die Verkehrssicherungspflicht für den Teich verletzt hatte. Die Kammer verhängte eine Geldstrafe von insgesamt 14.400 Euro. "Weil es Kinder waren, die sich nicht selbst schützen konnten, mussten Sie sie schützen", sagte der Vorsitzende Richter Sebastian Pfotenhauer in seiner Begründung.
Gericht: Olbrich hätte Teich absichern lassen müssen
Nach Ansicht des Landgerichtes hätte Olbrich den bis zu knapp zwei Meter tiefen Teich absichern lassen müssen, in dem im Juni 2016 drei Geschwister im Alter von fünf, acht und neun Jahren ertranken. Die Anklage ging davon, dass mindestens ein Kind beim Spielen ins Wasser gefallen war und die anderen beim Versuch, Hilfe zu leisten, ebenfalls verunglückten. Wegen der gepflasterten und rutschigen Uferböschung hätten sie sich nicht retten können, befand das Gericht.
Bürgermeister hatte Teich nicht für gefährlich gehalten
Olbrich hatte am ersten Verhandlungstag erklärt, er habe den Teich nicht als gefährlich wahrgenommen. "Es gab keine Hinweise aus der Bevölkerung, auch nicht von professionellen Dritten." Die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen sei nie ein Thema gewesen.
Versicherer hatte auf Gefahr hingewiesen
Im Mittelpunkt des Berufungsverfahrens hatte ein Schreiben einer Kommunalversicherung vom April 2014 gestanden, in dem der Versicherer den Teich auf die Anfrage eines Verwaltungsmitarbeiters der Stadt hin als verkehrsgefährlich eingeschätzt und der Kommune aus haftungsrechtlichen Gründen empfohlen hatte, das Gelände einzuzäunen beziehungsweise abzusichern. Olbrich will den Inhalt des Schreibens erst im März 2020 und somit erst kurz nach dem erstinstanzlichen Urteil zur Kenntnis genommen haben.
Kopfschütteln bei Bürgermeister-Verband
Beim Verband der kommunalen Wahlbeamten in Hessen, einem Zusammenschluss der Bürgermeister, sorgt das Urteil für Kopfschütteln. Es könne nicht Aufgabe der Kommunen sein, jeden für alle Gefahren abzusichern, sagt Geschäftsführer Karl-Christian Schelzke im FFH-Gespräch. Die Anforderungen an den ohnehin nicht gerade beliebten Job des Bürgermeisters seien dadurch noch einmal gestiegen.
Schelzke: Verantwortung auch bei Eltern
Einige Kommunen hätten wegen des ersten Urteils bereits Teiche eingezäunt, so Schelzke. Zudem gebe es Überlegungen, Sicherheitsbeauftrage zu engagieren, um nach Gefahrenstellen Ausschau zu halten. Dennoch gebe es nie eine Sicherheitsgarantie. Auch die Eltern würden eine Verantwortung tragen.
Staatsanwaltschaft hatte Freiheitsstrafe gefordert
Die Staatsanwaltschaft hatte im Berufungsprozess eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung sowie eine Geldauflage gefordert. Die beiden Nebenkläger - Vater und Mutter der ertrunkenen Kinder - schlossen sich der Forderung an.
Revision ist möglich
Mit dem Urteil verwarfen die Richter die Berufung des 65-Jährigen. Er war 2020 in erster Instanz vom Amtsgericht Schwalmstadt wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro auf Bewährung verurteilt worden. Auch die Staatsanwaltschaft hatte Rechtsmittel eingelegt. Gegen das Urteil ist Revision möglich.