Nach Antisemitismus-Eklat - documenta-Findungskommission tritt zurück
Die documenta fifteen in Kassel war von einem Antisemitismus-Eklat überschattet worden. Jetzt ist die Findungskommission für die künstlerische Leitung der kommenden Ausgabe der Weltkunstausstellung komplett zurückgetreten. Die vier verbleibenden Mitglieder hätten ihren Rücktritt erklärt, teilte die documenta am Abend mit.
Der Arbeitsprozess der Kommission sei unter dem Eindruck der Terrorattacken der Hamas, dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und den polarisierten Debatten darum immer mehr unter Druck geraten. Es sei zuvor erwogen worden, nach den ersten beiden Rücktritten mit den verblieben Mitgliedern der Kommission weiterzumachen, die Kommission aufzustocken, die Arbeit auszusetzen oder ganz neu aufzulegen.
Suche nach neuem Kurator
Die ursprünglich sechsköpfige Findungskommission sollte bis Ende 2023 oder Anfang 2024 einen Kurator, eine Kuratorin oder ein Kollektiv für die kommende Ausgabe der documenta im Jahr 2027 vorschlagen. Nun soll der Findungsprozess vollständig neu aufgesetzt werden.
Schon zwei Rücktritte im Vorfeld
Zunächst hatte die israelische Künstlerin Bracha Lichtenberg Ettinger ihr Amt niedergelegt - offenbar wegen der aktuellen Situation im Nahen Osten. Wenig später war der indische Schriftsteller und Kurator Ranjit Hoskoté zurückgetreten. Gegen ihn hatte es Antisemitismus-Vorwürfe gegeben.
Hoskoté und die Petition
Hoskoté war in die Kritik geraten, weil er im Jahr 2019 eine Petition mit dem Titel "BDS India" unterzeichnet hatte. Die Kampagne ruft zum Boykott des Staates Israel und israelischer Produkte wegen des Vorgehens gegen Palästinenser auf. Hoskoté habe deutlich gemacht, dass er die Ziele des BDS ablehne, hatte die documenta mitgeteilt. Auf die "Erwartung einer unmissverständlichen Distanzierung" hin habe er dann seinen Rücktritt erklärt.
Kulturstaatsministerin dringt auf "Neustart"
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) dringt nach dem Rückzug der Findungskommission auf einen Neustart der Kunstausstellung documenta. Nach dem Rücktritt der kompletten Findungskommission sagte Roth am Freitag: "Wir brauchen jetzt einen glaubwürdigen Neustart, dafür muss die documenta auch mit Blick auf ihre Organisationsstrukturen neu aufgestellt werden." Der Bund sei bereit, an der Neuaufstellung mitzuarbeiten. Sie könne die Entscheidung der Findungskommission nachvollziehen, sagte Roth: "Ohne vernünftige Strukturen und klare Verantwortungsketten war deren schwierige Aufgabe kaum zu bewältigen."