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> Medikamenten-Notstand in vielen Apotheken in Hessen
20.12.2022, 02:10 Uhr
Kaum Schmerz- und Fiebermittel -
Medikamenten-Not in Hessens Apotheken
© dpa
In vielen Apotheken herrscht derzeit Medikamenten-Notstand, viele Präparate sind derzeit nicht verfügbar, Patienten müssen auf alternative Mittel hoffen (Symbolbild).
Wer derzeit ein Erkältungs- oder Schmerzmittel will, muss auf Alternativen hoffen. In vielen hessischen Apotheken herrscht Notstand, viele Medikamente sind derzeit nicht verfügbar.
Alle Medikamente sind betroffen, sagte Holger Seyfarth, Chef des Apothekerverbandes zu HIT RADIO FFH. Unter anderem Antibiotika, Schmerzmittel, Fiebersäfte für Kinder, aber auch Krebsmittel. In seiner Apotheke muss Seyfarth inzwischen für jedes dritte Rezept nach Alternativen suchen.
Holger Seyfarth, Hessischer Apothekerverband
Holger Seyfarth, Chef des hessischen Apothekerverbandes, zum Pillen-Notstand:
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Im Prinzip alle. Also wir fangen an bei Schmerzmitteln für Kinder. Das sind die Fiebersäfte, die jetzt ja auch verstärkt nachgefragt werden. Im Sommer hatten wir da schon mal einen sehr, sehr großen Engpass. Dann sind es natürlich Antibiotika, Herz-Kreislauf-Mittel, verschiedene Krebsmittel. Also man kann sagen, aus jeder Wirkstoffgruppe ist irgendwo immer ein Wirkstoff nicht lieferbar.
Null-Covid-Politik von China verantwortlich
Peter Goldschmidt, Chef vom Pharmakonzern STADA in Bad Vilbel, macht neben der deutschen Bundesregierung und den Krankenkassen auch China dafür verantwortlich. Von dort und aus Indien kommen die meisten Rohstoffe für Medikamente. Wegen der Null-Covid-Politik in China wurden aber Fabriken und Häfen geschlossen. Deshalb konnten viele dieser Rohstoffe das Land zeitweise nicht verlassen. STADA kauft inzwischen Rohstoffe auf Vorrat, um den Engpässen entgegenzuwirken.
Peter Goldschmidt, Pharmaunternehmen STADA
Peter Goldschmidt, Chef des Pharmaunternehmen STADA: "Solange die Mentalität herrscht, noch funktioniert alles, wird das Problem immer größer."
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Was jetzt natürlich zu Engpässen geführt hat, war die Zero-Covid-Policy von China, wo also wochenlang Firmen geschlossen waren. Das hat natürlich zusätzlich zu Engpässen geführt. Und solange bei der Politik oder bei den Kassen die Mentalität herrscht, noch funktioniert sie einigermaßen, dann wird das Problem immer größer.
FFH-Reporter Andreas Kohl
FFH-Reporter Andreas Kohl zum Medikamenten-Notstand in den Apotheken: Patienten müssen auf Alternativen hoffen
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Alle Medikamente sind betroffen, sagte mir Holger Seifert, Chef des Apothekerverbandes. Antibiotika, Schmerzmittel, aber auch Fiebersäfte für Kinder und auch Krebsmittel. In seiner Apotheke muss er für jedes dritte Rezept inzwischen nach Alternativen suchen. Stardar-Chef Peter Goldschmidt macht vor allem China dafür verantwortlich. Von dort kommen die meisten Rohstoffe für Medikamente. Wegen der Null-Covid-Politik wurden Fabriken und Häfen aber geschlossen. Deshalb ging und geht dort nichts mehr raus. Andreas Kohl, Frankfurt.
© HIT RADIO FFH
Der Gießener Apotheker Thorsten Junk sagt: "Wir sind nun einer größere klinikversorgende Apotheke und versorgen in Hessen über 30 Krankenhäuser. Inzwischen beschäftigt sich eine Mitarbeiterin in Vollzeit nur mit der Kompensation von Lieferengpässen."
Lieferengpässe auch bei lebensrettenden Medikamenten
Auch der Gießener Apotheker Thorsten Junk bestätigt: "In der Tat sind die Lieferengpässe ein äußerst großes Problem. Dabei halte ich Dinge wie Fiebersaft, etc. für wirklich nachrangig, denn man kann als Apotheke immer improvisieren. Wirklich dramatisch sind Lieferengpässe bei lebensrettenden Medikamenten wie beispielsweise beim Präparat Metalyse. Hierbei handelt es sich um ein Notfallpräparat, welches auf jedem Notarztwagen verfügbar sein muss und im Falle von akutem Herzinfarkt oder Schlaganfall angewendet wird. Hier haben wir langfristige Versorgungsengpässe dahingehend, dass nur circa 50 Prozent der tatsächlich benötigten Menge verfügbar ist."
Thorsten Junk, Apotheker
Wie komme ich an Fiebersaft, wenn es Lieferengpässe gibt? Apotheker Thorsten Junk sagt: Den kann man sich auch frisch herstellen lassen.
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Ich würde immer in die Apotheke gehen, mit meinem Apotheker oder Apothekerin sprechen. Und die finden immer eine Lösung, etwas zu tun. Die machen ihnen ein Fieberzäpfchen oder mixen ihnen den Saft selbst an. Das kann eigentlich jede Apotheke und jede kleine Apotheke noch in Deutschland kann das auch machen. Der Fiebersaft kostet vielleicht zwei, drei Euro und da würde der zehn Euro kosten. Wobei inzwischen die Krankenkassen akzeptieren, dass der Apotheker das auch auf Rezept abrechnen kann.
Thorsten Junk, Apotheker
Apotheker Thorsten Junk aus Gießen erklärt, welche Medikamente Sie wie lange verwenden können: "Paracetamol hält sich Jahrzente!"
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Ein gebrauchter Fiebersaft ist genauso lang haltbar wie eine gebrauchte Buttermilch, die Sie aufmachen und im Kühlschrank stehen haben, nämlich nicht wirklich sehr lange. Was sich länger hält, manchmal auch, wenn Sie eine Aspirin-Tablette von vor 100 Jahren heute aufmachen, die könnten Sie heute noch nehmen, die ist gute Qualität. Wenn Sie eine Aspirin aus Amerika kaufen, die ist nach drei Wochen richtig nach Säure und können Sie nicht mehr nehmen. Ein Paracetamol hält sich Jahrzehnte, kann man sagen. Aber als Saft oder als Zäpfchen sieht es schon wieder anders aus. Das sollte man nicht aus dem letzten Jahr nehmen.
Fehlende Medikamente machen den Praxis-Alltag von Dr. Uwe Popert schwierig. Er ist Hausarzt in Kassel und im Vorstand vom Hausärzteverband in Nordhessen. "Die Patienten kommen dann gleich zurück von der Apotheke und sagen mir, dass sie das nicht kriegen können", so Popert. Mitunter würden Apotheker auch Ersatzpräparate ausgeben. Die seien zwar von den Wirkstoffen her gleich, allerdings könnten unterschiedliche Farben der Tabletten Patienten verwirren. Zudem gebe es Risiken durch mögliche Allergien bei abweichenden Inhaltsstoffen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant als Reaktion auf Lieferengpässe…
Patienten wollen gleich mehrere Packungen haben
Neben Fiebersaft seien etwa auch Beta-Blocker von dem Engpass betroffen. Das könnte zu ernsten Problemen führen. "Wenn man die Medikamente plötzlich absetzt, geht der Blutdruck erst recht hoch", so Popert. Einige Patienten hätten daher gebeten, gleich mehrere Packungen aufzuschreiben. "Das verschärft das Problem natürlich", so Popert.