Nach Bluttat in Freudenberg: Wieder Unterricht an Luises Schule
Nach Bluttat in Freudenberg - Wieder Unterricht an Luises Schule
An der Schule der getöteten zwölfjährigen Luise hat erstmals seit der Tat wieder regulärer Unterricht stattgefunden.
"Der Unterrichtsbetrieb läuft planmäßig", sagte ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Es seien aber auch weiterhin Schulpsychologen vor Ort, um Schüler und Lehrer zu unterstützen.
Kein Unterrichts-Zwang
Es gebe auch keinen Zwang für die Klassen, jetzt den Unterrichtsstoff nach Lehrplan durchzuziehen. Wo Schülerinnen und Schüler noch den Wunsch nach Gesprächen hätten, stehe der reguläre Unterricht hinten an, sagte der Sprecher. Drei Tage lang hatten sich Schüler und Lehrer nach der Tat am Wochenende Zeit für Gespräche und die Trauerarbeit genommen. Nun sei es Fachleuten zufolge sinnvoll, den Weg zurück zum normalen Schulbetrieb einzuschlagen.
Tatwaffe weiter unaufindbar
Die Ermittler haben weiterhin keine konkrete Spur zur Tatwaffe. Zuletzt hatten gut 30 Beamte am Dienstag das Gebiet rund um den Tatort in einem abgelegenen Wald an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen durchsucht - ohne Erfolg.
Keine weitere Suche nach der Tatwaffe geplant
"Derzeit ist keine weitere Suchmaßnahme beabsichtigt", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen. Dabei wäre die Tatwaffe trotz des Geständnisses der beiden 12- und 13-jährigen mutmaßlichen Täterinnen für die Ermittler wichtig. "Alles, was eine geständige Einlassung objektiv untermauert, ist von Relevanz", sagte der Sprecher. Nach früheren Angaben der Ermittlungsbehörden wird nach einem haushaltsüblichen Messer gesucht.
Mutmaßliche Täterinnen leben nicht mehr bei ihren Familien
Die tatverdächtigen Mädchen wurden nach der Tat außerhalb ihrer Familien untergebracht. Die 12- und die 13-Jährige werden auch zunächst nicht ihre bisherigen Schulen besuchen. Das teilte der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller mit. Landrat Müller bezeichnete das Verbrechen als grausam und wünschte den Eltern der Getöteten, "dass Sie inmitten dieser Dunkelheit Trost und Unterstützung finden, sei es durch Freunde, Angehörige oder professionellen Beistand."
Jugendamt bietet Opfer-Familie Unterstützung an
Das Kreisjugendamt habe die tatverdächtigen Mädchen derzeit außerhalb der Familie untergebracht. In einer Pressemitteilung des Landrates heißt es, sowohl die Familie der Täterinnen wie des Opfer bräuchten intensive Unterstützung. Es handele sich für alle um eine außergewöhnliche Situation. Man werde die Geschehnisse mit den Beteiligten aufarbeiten. "Sobald die Familie von Luise dies wünscht, stehe das Kreisjugendamt der Familie jederzeit zur Unterstützung zur Verfügung."
"Familie der Tatverdächtigen brauchen intensive Unterstützung"
Aus Sicht des Kreisjugendamtes benötigten die Familien der Tatverdächtigen intensive Unterstützung. Hierfür sei ein Rahmen entwickelt worde, der auch eine derzeitige außerhäusliche Unterbringung der Kinder beinhalte. Verbunden hiermit sein auch, dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchten. Der Kontakt zwischen tatverdächtigen Kindern und Eltern werde insofern unterstützt, als er für die Entwicklung bedeutsam sei. Die Aufarbeitung sei komplex und könne zeitlich nicht eingegrenzt werden.
Polizei beobachtet Hass-Postings
Die Polizei beobachtet in den sozialen Netzwerken gezielt die Debatten zum Fall der getöteten 12-jährigen Luise aus Freudenberg. "Wir haben ein Monitoring dazu und prüfen laufend, ob strafrechtlich Relevantes gepostet wird", sagte ein Sprecher der Polizei Siegen-Wittgenstein. In sozialen Netzwerken wurden von teils anonymen Nutzern zahlreiche Spekulationen und auch Drohungen und Hass gegen die 12- und 13-jährigen mutmaßlichen Täterinnen veröffentlicht. Die Polizei appellierte an die Nutzer, keine Mutmaßungen und Drohungen zu verbreiten. "Es gehen sehr, sehr zügig auch Falschinformationen durchs Internet - und vieles deckt sich einfach nicht mit unseren Ermittlungen", sagte der Sprecher.
FFH-Reporterin Anne Schmidt auf der Presskonferenz
Nach dem Gewaltverbrechen an der zwölfjährigen Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft zu den Hintergründen des Falls. Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren haben gestanden, die Zwölfjährige erstochen zu haben.
Die mutmaßlichen Täterinnen und das Opfer sollen sich gekannt haben. Zum Motiv machten die Ermittler mit Verweis auf die noch strafunmündigen Kinder keine Angaben. Es gebe keine Hinweise auf die Beteiligung weiterer Personen. Die Polizei gab an, die Tatwaffe noch nicht gefunden zu haben und weiter danach zu suchen.
Bundesjustizminister: Altersgrenze für Unmündigkeit bleibt
Bundesjustizminister Marco Buschmann reagierte tief entsetzt. Kinder unter 14 Jahren würden zwar strafrechtlich nicht belangt, "aber unsere Rechtsordnung kennt andere Wege, um darauf zu reagieren, etwa das Kinder- und Jugendhilferecht sowie das Familienrecht", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
Geständnis im Verhör
Die Ermittler gehen von Strafunmündigkeit aus. Erst ab 14 Jahren setzt die Strafmündigkeit ein. Der Verdacht habe sich durch die objektive Beweislage und auch durch den Inhalt der Anhörungen ergeben, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Nach der ersten Anhörung der Mädchen seien Widersprüche aufgetaucht. Daraufhin seien sie erneut befragt worden. Dabei hätten sie die Tat eingeräumt. Beide seien nun an einem "geschütztem Ort". Weitere Details zu den tatverdächtigen Mädchen und einem möglichen Motiv wollen die Ermittler aus Gründen des Persönlichkeits- und Jugendschutzes nicht nennen.
Tod durch zahlreiche Messerstiche
In der Rechtsmedizin der Uniklinik Mainz waren bei der Obduktion zahlreiche Messerstiche an der Leiche der Zwölfjährigen festgestellt worden. Sie sei in der Folge verblutet. "Wir haben derzeit noch keine Tatwaffe", sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz, Mario Mannweiler. Polizisten suchten das Gelände um den Tatort am Dienstag erneut ab.
Mädchen verwickelten sich in Widersprüchen
Die tatverdächtigen Mädchen waren ins Visier der Ermittler geraten, weil ihre Aussagen aus einer ersten Anhörung im Widerspruch zu den Aussagen anderer Zeugen standen. Bei einer nochmaligen Anhörung im Beisein von Erziehungsberechtigten und Psychologen seien sie am Montag mit den Widersprüchen konfrontiert worden und hätten die Tat schließlich gestanden. Beide Mädchen seien der Polizei zuvor nicht aufgefallen.
"Nach über 40 Dienstjahren gibt es immer noch Ereignisse, die einen sprachlos zurücklassen", sagte der Koblenzer Polizei-Vizepräsident Jürgen Süs.
Da die mutmaßlichen Täterinnen noch Kinder sind, bedeute dies, "dass keine strafrechtlichen Sanktionen erfolgen können, weil das Gesetz das verbietet", sagte Mannweiler. Die 12 und 13 Jahre alten Mädchen seien "in einem geschützten Raum in der Obhut des Jugendamtes".
Luise kommt nie zuhause an
Die vermisste zwölfjährige Luise war am Sonntag tot in der Nähe eines Radweges auf rheinland-pfälzischem Gebiet unmittelbar an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen gefunden worden. Am Montag hatten die Behörden bekanntgegeben, dass das Kind Opfer eines Verbrechens geworden ist.
Die Schülerin war zuletzt am Samstag gegen 17.30 Uhr in Freudenberg gesehen worden, als sie nach dem Besuch einer Freundin zu Fuß den Heimweg antrat. Als die Zwölfjährige nicht nach Hause kam, hatten die Eltern nach etwa drei Stunden den Notruf gewählt. Es sei dann noch am Samstag eine Suchaktion mit Mantrailer-Spürhunden, einem Hubschrauber mit Wärmebildkamera und Kräften von Polizei und Feuerwehr gestartet worden.
Nach Hinweisen sei die Leiche des Mädchens dann am Sonntag in einem Böschungsbereich auf rheinland-pfälzischem Gebiet nahe der Landesgrenze entdeckt worden.
Schock und Entsetzen in Freudenberg
In Freudenberg, eine Stadt mit 18.000 Einwohnern, steht viele unter Schock. Auch nach der Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Polizei bleiben noch viele Fragen offen: Wie konnte es zu dieser Gewalttat kommen?
Mitschüler erhalten psychologische Hilfe
In der Schule des Mädchens fand am Tag nach der Tat Unterricht statt, es gab aber Gesprächsangebote von Psychologen an die Mitschülerinnen und Mitschüler, sagte Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD) unserer Reporterin in Freudenberg. Noch am Sonntagabend hatte es eine Trauerandacht in der Stadt gegeben. "Wir sind in Freudenberg tief erschüttert und in Gedanken bei den Angehörigen. Ich habe für heute Trauerbeflaggung angeordnet", sagte die SPD-Politikerin.
Warum Kinder bei Straftaten nicht vor Gericht gestellt werden
Kinder, die noch keine 14 Jahre alt sind, wenn sie ein Verbrechen begehen, gelten nach dem Gesetz als schuldunfähig. Denn es wird davon ausgegangen, dass sie die Folgen ihres Handelns noch nicht ausreichend überblicken. Deshalb werden Kinder selbst bei einem Tötungsdelikt nicht strafrechtlich verfolgt, sie können nicht vor Gericht gestellt und nicht verurteilt werden.
Bei aufsehenerregenden Fällen wird deshalb oft gefordert, das Alter für die Strafmündigkeit abzusenken. Auch nach geltender Rechtslage ist es aber nicht so, dass die Tat keine Konsequenzen hätte.
Die Polizei ermittelt trotzdem - etwa um zu klären, was genau passiert ist und ob möglicherweise ältere, strafmündige Menschen an der Tat beteiligt waren. Dazu darf das Kind zur Dienststelle mitgenommen und befragt werden. Auch eine Durchsuchung ist möglich.
Bei einer Strafanzeige stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren in jedem Fall wegen der fehlenden Strafmündigkeit ein. Sie prüft aber, ob das Familiengericht oder andere Stellen wie das Jugendamt zu benachrichtigen sind. Auch die Polizei informiert das Jugendamt.
Hier geht es nicht um Strafe, sondern um Unterstützung. Welche Maßnahmen ergriffen werden, hängt stark vom Einzelfall ab. Vielleicht braucht das Kind eine psychiatrische Behandlung, unter Umständen auch in einer geschlossenen Einrichtung. Möglich ist auch, dass die Eltern Hilfe bei der Erziehung bekommen - oder dass das Kind eine Zeit lang in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht wird. Die rechtlichen Hürden für eine Trennung von den Eltern gegen deren Willen sind aber hoch.