Öffentlicher Dienst - Worum geht es in den Tarifverhandlungen?
In den Verhandlungen für den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes ist die dritte Verhandlungsrunde gescheitert. Arbeitgeber und Gewerkschaften trennten sich ohne Ergebnisse. Seit der ersten Runde Ende Januar ist es zu mehreren Streiks gekommen, die teilweise Flughäfen, Kitas und den Öffentlichen Nah- und Fernverkehr lahmgelegt haben.
Worum geht es dabei genau? Wie ist der aktuelle Stand? Und welche Rechte habe ich eigentlich als Betroffener. All diese Fragen klären wir hier.
Wer verhandelt überhaupt was?
Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb verhandeln mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dem Bundesinnenministerium die Einkommen der beim Bund und bei den Kommunen tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Nicht verhandelt wird für die Beschäftigten der Länder.
Wer gehört zum Öffentlichen Dienst?
Beispielsweise Beschäftigte im Verkehr: Busfahrerinnen, Straßenbahnfahrer aber auch Flughafenmitarbeiter. Städtische Mitarbeiter, die Parks und Stadtgärten, Freizeiteinrichtungen und Sportplätze pflegen. Menschen, die in Kitas, Schulen oder sozialen Einrichtungen arbeiten, genauso wie in der Gesundheitsvorsorge und in Krankenhäusern. Polizisten und Rettungskräfte. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst stellen oft die Versorgung mit Energie und Wasser sicher und kümmern sich auch um die Entsorgung von Abfällen. Außerdem die meisten Angestellten in Behörden und Verwaltungen.
Wie viele Menschen arbeiten mit dem Tarifvertrag?
Es geht um die Einkommen von bundesweit 2,5 Millionen Menschen. In Hessen sind es rund 120.000.
Was ist die Forderung?
Eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 200 Euro monatlich angehoben werden. Das Ergebnis soll später zeit- und wirkungsgleich auf Beamte, Richter, Soldaten sowie Versorgungsempfänger übertragen werden.
Wie wird die Forderung begründet?
„Die Inflationsentwicklung, Lebensmittel- und insbesondere Energiepreise reißen tiefe Löcher in die Haushaltskassen der Beschäftigten. Viele von ihnen wissen nicht, wie sie sich und ihre Familien über Wasser halten können, einige können ihre Mieten oder Heizkosten nicht mehr zahlen“, betont der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.
Dazu komme außerdem, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zahlreiche zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen, beispielsweise in Verbindung mit Geflüchteten oder pandemiebedingte Aufgaben. Das führe in Kombination mit der ohnehin angespannten Personalsituation zu massiven Arbeitsbelastungen.
Was ist das Angebot der Arbeitgeber?
Die Arbeitgeber boten zuletzt 8 Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro an - dazu eine steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro mit einer Auszahlung von 1750 Euro bereits im Mai. Noch im Februar hatten die Arbeitgeber erst 5 Prozent mehr Lohn und Einmalzahlungen von 1500 und dann noch einmal 1000 Euro angeboten - aber keinen Mindestbetrag. Die nun angebotenen mindestens 300 Euro mehr hätten in unteren Einkommensgruppen bis zu 15 Prozent mehr ausgemacht, hieß es aus Arbeitgeberkreisen.
Wie wird das Angebot begründet?
Schon zu dem Angebot der Arbeitgeber im Februar sagte VKA-Präsidentin Karin Welge, am Ende habe das Paket ein Volumen von rund 12 Prozent und würde die Arbeitgeber mehr als 11,7 Milliarden Euro kosten. "Das ist kein Pappenstiel". Zuvor sagte sie, die Forderungen der Gewerkschaften werden so nicht erfüllt werden können. "Zum einen liegen wir eben nicht bei 10,5 Prozent, sondern im Schnitt bei fast 15 Prozent und in der Spitze sogar bei etwa 25 Prozent. Zum anderen würde jeder Tarifabschluss, der die vorhandenen Entlastungen und die aktuellen Inflationserwartungen unberücksichtigt lässt, dazu führen, dass wichtige Investitionen, Instandsetzungen und Zukunftsaufgaben der Kommunen darunter leiden würden.“
Wie ist die Prognose für die Verhandlungen?
„Krass unsozial“. So bezeichnet der ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke das Angebot der Arbeitgeber. Gewerkschaft und Arbeitgeber lägen weit auseinander, sagte Werneke. Mit Blick auf die dritte Verhandlungsrunde Ende März sagte er: "Es ist aus meiner Sicht vollkommen offen, ob wir zu einem Ergebnis kommen oder ob dann der Zeitpunkt ist, wo wir über das Scheitern der Verhandlungen entscheiden müssen." In dem Fall werde Verdi den Weg der Urabstimmung einleiten. Weitere Ausstände wären dann die Folge - dann als Erzwingungsstreiks.
Wo wurde schon alles gestreikt?
Bisher ist es zu einer Reihe von Warnstreiks gekommen.
17. Februar | bundesweiter Warnstreik an Flughäfen |
01. März | bundesweiter Warnstreik der Auszubildenden und dual Studierenden |
02. März | Warnstreik in einigen hessischen Kitas und Verwaltungen |
03. März | bundesweiter Warnstreik im Öffentlichen Nahverkehr |
08. März | bundesweiter Warnstreik in Kitas und sozialen Einrichtungen |
14. und 15. März | Warnstreik an hessischen Kliniken |
21. März | Warnstreik im Nahverkehr, an Kliniken und Verwaltungen in vielen hessischen Städten |
27. März | Bundesweiter Warnstreik im Nah- und Fernverkehr und am Flughafen Frankfurt |
Wie lange und wie oft darf gestreikt werden?
Bei Warnstreiks gilt: Solange sie als verhältnismäßig eingestuft werden, darf unendlich oft und lange gestreikt werden, sofern der Tarifvertrag ausgelaufen ist. Generell ist für die Arbeitnehmerseite ein Streik aber als letztes Mittel zu sehen, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Grundsätzlich darf jeder Arbeitnehmer streiken, auch wenn er in keiner Gewerkschaft ist.
Was passiert, wenn die Verhandlungen scheitern?
Da die Tarifverhandlungen erstmal gescheitert sind, werden unabhängige Schlichter jetzt nach einer Lösung suchen. In der Zeit der Schlichtung herrscht Friedenspflicht - somit wird es über die Ostertage keine neuen Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst geben.
Meine Rechte als Betroffener
Fällt durch einen Streik ein gebuchter Flug aus, haben Passagiere unter anderem das Recht auf Ersatzflüge und gegebenenfalls Ausgleichsleistungen. Streikt am Flughafen allerdings das Sicherheitspersonal bei den Kontrollen und verpasst man dadurch seinen Flug, ist es nicht so einfach. Mögliche Ansprüche können dann nur gegenüber dem Staat geltend gemacht werden, weil die Kontrollen Aufgabe der Bundespolizei sind.
Bei Streiks im Öffentlichen Nahverkehr hat man das Nachsehen, hier können keine Ersatzansprüche geltend gemacht werden, auch nicht durch eine oft gewährte Mobilitätsgarantie. Wer dadurch zu spät auf der Arbeit erscheint, muss die Zeit nachholen oder durch Urlaub ausgleichen. Die Suche nach Alternativen liegt in der Verantwortung des Arbeitnehmers.