Politiker und Experten warnen - Nikotinbeutel in freien Verkauf?
Sie sind klein, aus Zellulose und sie schmecken nach Minze, Beeren oder Cocktails. Die Rede ist von Nikotinbeuteln, die immer häufiger konsumiert werden in Deutschland. Trotz Verkaufsverbots in Läden.
Deutschlands Tabakbranche dringt auf die Zulassung von Nikotinbeuteln, die als weniger schädliche Alternative zu Zigaretten dargestellt werden. "In vielen anderen EU-Staaten sind sie legal zu kaufen, aber Deutschland lässt das nicht zu – damit verzichtet der Bund auf Steuereinnahmen und auf die Kontrolle der Produkte", sagte der Geschäftsführer External Affairs von Philip Morris Deutschland, Torsten Albig, der dpa in Berlin.
Politiker warnen vor den Gefahren
Der frühere SPD-Politiker hofft darauf, dass die neue Bundesregierung den Verkauf der "Pouches" (englisch für Beutel) in Geschäften legalisiert. "Erwachsenen Rauchern können sie helfen, um von der Zigarette wegzukommen." Gesundheitsforscher und Politiker warnen hingegen vor den Gefahren der Pouches, dies auch mit Blick auf junge Menschen.
Verschiedene Aromen
Die kleinen Beutel werden unter die Oberlippe geschoben, damit der Körper Nikotin aufnimmt. Sie enthalten keinen Tabak, aber Aromen - sie schmecken etwa nach Menthol, Zimt oder Früchten. Unlängst hatte die US-Behörde FDA die Vermarktung bestimmter Nikotinbeutel-Produkte in den USA genehmigt, diese Entscheidung verstehen die Hersteller als Rückenwind.
Verkaufsverbot in Geschäften
Die Situation in Deutschland ist kurios: Die Pouches sind vom Staat anders als die ebenfalls tabakfreien E-Zigaretten nicht als tabakähnliches Produkt eingestuft, sondern als Lebensmittel. Weil Lebensmittel kein Nikotin enthalten dürfen, dürfen sie in Geschäften nicht verkauft werden. Im Internet sind sie aber bestellbar - etwa aus Schweden.
Geeignetes Mittel, um Raucherquote zu senken?
Neben Philip Morris setzen auch andere Tabakkonzerne auf Nikotinbeutel. Japan Tobacco International (JTI, "Camel") berichtet bei seiner Marke Nordic Spirit von einem starken Wachstum in Märkten wie Großbritannien, Schweden und der Schweiz. Nikotinkonsumentinnen und -konsumenten suchten nach Alternativen zum Rauchen, sagt eine Firmensprecherin. "Nikotinbeutel sind nicht risikofrei, gelten aber im Allgemeinen als weniger schädlich für erwachsene Raucherinnen und Raucher als Zigaretten."
Ablehnung durch Gesundheitsexperten und Politiker
Die Forderung der Konzerne stößt auf Kritik. Es sei scheinheilig, dass die Firmen die Produkte als risikoreduzierte Alternative zum Rauchen bewerben, sagt Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). "Die Tabakbranche möchte hier angeblich ein Problem lösen, was sie selbst geschaffen hat und mit dem Verkauf von Zigaretten aufrechterhält - deswegen gibt es Zehntausende Krebstote pro Jahr."
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann warnt ebenfalls: Nikotinbeutel sollten nicht "als vermeintliche Wohltat der Tabakindustrie für die öffentliche Gesundheit bagatellisiert werden". Nikotin habe ein hohes Abhängigkeitspotenzial, so die Grüne. "Wer früh im Leben raucht, wird später leichter süchtig sein - das gilt für Nikotin, egal ob geraucht, verdampft oder unter die Lippe gepackt."
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tino Sorge betont, dass jede süchtig machenden Substanz schädlich sei. "Insbesondere bei Jugendlichen und Schwangeren drohen ernste Gefahren durch die aufgenommenen Nikotinmengen, die sogar höher sein können als bei Zigaretten." Sorge ist gegen eine Verkaufsfreigabe in Geschäften. "Es wäre falsch, den Zugang hierzulande ohne Not zu erleichtern."
Auch der Bundessuchtbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) ist dagegen: "Ich sehe die große Gefahr, dass diese Produkte innerhalb kürzester Zeit Tausende von Jugendlichen nikotinabhängig machen würden."
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