Kriegs-Reporter in der Ukraine - Berichten während Bomben einschlagen
Als Kriegsreporter Stephan Richter aus der ukrainischen Stadt Cherson sendet, schlagen in unmittelbarer Nähe Bomben ein. Wie ist es, aus einem Kriegsgebiet zu berichten, wenn nur ein paar 100 Meter weiter die bittersten Kämpfe toben? In FFH Guten Morgen, Hessen erzählt er, was er in der Ukraine erlebt hat.
Berichterstattung vor Trümmern und Zerstörung: Stephan Richter ist als Reporter in der Ukraine im Einsatz. Unter Lebensgefahr berichtet er aus Cherson, Charkiw oder Kiew.
Die Eskalation hat er nicht vorausgesehen
Als Russland die Ukraine am 24. Februar 2022 überfällt, befindet sich Stephan Richter in Kiew. "Ich habe es nicht fassen können", erzählt er von diesem Tag - dem Tag, der das ganze Leben einer Nation verändert hat. Richter ist zu diesem Zeitpunkt für RTL und ntv als Reporter im Einsatz und berichtet über die diplomatischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Dass Putin die Invasion so plötzlich befiehlt, hat auch er nicht vorausgesehen: "Dass es so dermaßen eskaliert, hätte niemand in unserem Team und in den Redaktionen für möglich gehalten."
Als er am Vorabend dieses einschneidenden Tages in Kiew unterwegs gewesen ist, habe nichts auf einen Krieg hingewiesen."Die Straßen waren voll, die Menschen saßen trotz der Eiseskälte in den Cafés und haben sich unterhalten, auf den Straßen waren Straßenmusiker (...) Keine vier Stunden später hört man zum ersten Mal Sirenen für Luftalarm", berichtet er. Nachts um 2:30 Uhr erhält er einen Anruf, der Krieg sei losgegangen. Richter hört die ersten Raketen über ihn hinwegfliegen. Er ruft seinen Kameramann an und ist eine halbe Stunde später live auf Sendung.
Seine Mutter hatte Todesangst um ihn
Weder vor einem Jahr noch heute ist das für ihn wirklich greifbar. "Dass es das überhaupt noch in Europa gibt, ist kaum in Worte zu packen." Erst jetzt verstehe er seine Mutter, die Todesangst um ihn hatte und wollte, dass er nachhause kommt. Zunächst versichert Richter ihr "Mach dir keine Sorgen, es ist alles gut." Zurückblickend bezeichnet er die ersten Kriegstage jedoch als "völliger Wahnsinn".
Das Leben in der Ukraine hat sich schlagartig verändert
Doch Krieg ist nicht nur blutiger Kampf. "Es ist nicht nur die akute Situation an der Front, wo tausende Menschen sinnlos sterben", sagt Stephan Richter. "Dieser Krieg zieht sich durch das ganze Land." Zu Beginn betraf das vor allem die Kinder, die von jetzt auf gleich nicht mehr zur Schule gehen können. Fehlender Sprit, Lebensmittelknappheit, kein Zugang zu Strom - der Mangel dieser elementaren Dinge - auch das ist Krieg.
All dies haben den Menschen in der Ukraine plötzlich gefehlt. Hautnah mitzuerleben, wie sich das Leben von Millionen von Menschen schlagartig ändert, beschäftige ihn immer noch sehr, erzählt Richter. Wann die Ukrainer wieder ein 'normales' Leben führen können, sei nicht absehbar. Trotz aller Zerstörung versuchen sie, weiterzumachen. Das könne auch bedeuten, dass in Krankenhäusern beim Licht von Handy-Taschenlampen operiert werden muss, wenn der Strom ausfällt.
Trotz aller Zerstörung machen die Ukrainer weiter
Ein Erlebnis ist Stephan Richter besonders in Erinnerung geblieben: Am 6. Januar besucht er zum orthodoxen Weihnachtsfest die Frauen des Ortes Butscha, um mit ihnen zu drehen. Gemeinsam feiern sie in beheizten Containern - als eine Frau mit Tränen in den Augen hereingelaufen kommt. Ein Zug sei in dem Ort angekommen. In zwei Waggons transportiere er die Leichen von Männern - von Söhnen und Ehemännern. In einer "vermeintlich normalen Situation" ändert die Ankunft dieses Zuges alles.
Als Daniel Fischer fragt, ob es zwischen den ganzen Schrecken auch schöne Erlebnisse gibt, kommt Richter ins Stocken. Was ihn berührt, ist, dass die Ukrainer nicht nur untereinander solidarisch sind, sondern auch Fremden gegenüber offen und freundlich. Sie würden die Reporter bei Gesprächen auch mal zu einem Kaffee einladen. In Odessa haben die Einheimischen ihnen während einer Berichterstattung in den Straßen Tee zum Aufwärmen vorbeigebracht.
Die Gefahr blendet er aus
In den Momenten der Berichterstattung würde man einfach nur funktionieren, erzählt der Reporter. Erst später rekapituliere man das Erlebte. Das reflektiere er dann oft mit seinem Kameramann Adam. Doch dass auch nach einem Jahr ein Krieg in Europa mit aller Härte tobe, sei für Stephan Richter immer noch surreal.
Die Gefahr, die mit seinem Job verbunden ist, werde ihm erst nach seiner Berichterstattungen bewusst. Als er aus Cherson sendet, hört er permanent Explosionen und die Kämpfe der Artillerie toben - und das in unmittelbarer Nähe. Erst als er in den Aufnahmen die riesigen Rauchsäulen im Hintergrund sieht, wird ihm klar, wie nah die Gefahr war. "Da haben wir wahrscheinlich sehr viel Glück gehabt, denn Tote gibt es in dieser Stadt fast täglich."
Beim Berichten muss er jedes Wort vorsichtig wählen
Den wichtigen Job als Kriegsreporter sieht er nicht bloß als große Herausforderung, sondern auch als großes Privileg. Allerdings muss er jedes Wort in einer Liveschalte vorsichtig wählen, um keine Panik zu verbreiten. Immer dabei ist sein Team mit Kameramann Adam. Ohne ihn würde Richter den Job nicht machen wollen, denn beide wissen immer, was der andere gerade brauch. Wichtig Vorort sind auch ukrainische Vermittler, die bei Übersetzungen helfen, Fahrer organisieren oder die Reporter mit den Menschen dort in Kontakt bringen.
Das Jahr im Einsatz in der Ukraine hätte ihn definitiv verändert, erzählt Richter. Vor allem ist er dankbar, in einem friedlichen demokratischen Land zu leben, aber auch jederzeit Zugang zu Strom zu haben oder seine Liebsten in Sicherheit zu wissen. Das haben die Menschen in der Ukraine nicht mehr.