"Sorge um Kinder und Kollegen" - Grünberger leitet Schule bei Bethlehem
Der Krieg in Nahost betrifft Menschen unterschiedlich - bis nach Hessen. Den Grünberger Studiendirektor Matthias Wolf hat er zum Verlassen der Westbank/Palästinas gezwungen. Jetzt leitet er die Schule online von Grünberg aus. Hiervon erzählt der 60-Jährige im FFH-Gespräch.
Wolf sagt: "Ich habe eine Aufgabe für meine Schüler und Kollegen und möchte bald zurück an meine Schule bei Bethlehem. In Grünberg fühle ich mich derzeit fehl am Platz." Die letzten sieben Jahre hat der Grünberger in der Westbank gelebt und die deutsche Auslandsschule Talitha Kumi geleitet, eine deutsch-lutherische Schule und kennt das Leben der Menschen und vor allem der Kinder in den besetzten Gebieten.
Hier finden Sie mehr Informationen über die ausgezeichnete Schule Talitha Kumi in Beit Jala
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Kinder in der Westbank sind extrem belastet
Jetzt sitzt Wolf in seinem Wohnhaus in Grünberg und leitet von dort seine Auslandsschule in Beit Jala in der Nähe von Bethlehem. "Die Kinder in der Westbank sind noch belasteter, als sie es ohnehin schon waren. Trotzdem versuchen die Menschen beinahe stoisch, ihrem Alltag nachzugehen. Das ist sehr beeindruckend. Aber auch in der Westbank ist die Situation mehr als angespannt," erzählt er.
Deutsche Lehrkräfte mussten nach Kriegsbeginn das Land verlassen
Während des Gespräches mit HIT RADIO FFH in Grünberg piept mehrmals das Handy, die Töne kommen von einer israelischen Raketen-App und weisen auf Hamas-Raketen hin, die vom Gaza aus nach Israel und auch in die Westbank geschossen werden. Zum Glück fängt die israelische Raketenabwehr alle ab. Doch als vor zwei Wochen bei den ersten Hamas-Angriffen auch Raketen auch in die Nähe der Schule fielen, mussten die deutschen Lehrkräfte (ca 18) das Land verlassen, denn der Gazastreifen liegt nur etwa 70 Kilometer entfernt. Eigene Bunker hat die Schule nicht, so wie überhaupt niemand in der Westbank. Wolf lacht: "Schutzbunker gibt es nur in Israel"
Kinder können sich schlecht konzentrieren
Die arabischen Ortskräfte und die Kinder blieben zurück, als die deutschen Lehrkräfte das Land verließen. Die Kinder werden nun teils in Präsenz, teils per Online unterrichtet. "Das ist sehr schwer," so Wolf, "manche Eltern lassen ihre Kinder derzeit gar nicht aus dem Haus." Er selber möchte möglichst bald in die Westbank zurückkehren und erzählt von den Folgen des neuen Krieges. "Die jüngeren Kinder können sich noch schlechter konzentrieren und möchten immer mehr spielen. Die älteren Kinder haben viele Fragen. Wir reden mit ihnen über das Warum des Krieges, so können sie mehr als ein Perspektive auf den Konflikt lernen."
Wir brauchen mehr psychologische Betreuung
Der Studiendirektor aus Grünberg wünscht sich nun, mehr Lehrer und auch psychologische Betreuungskräfte für die belasteten Kinder zu finden. Außerdem hätten viele der palästinensischen Familien ihre Arbeit verloren, da würde es sicherlich auch für viele mit den Schulgebühren eng.
Schule will Werte des Friedens und der Toleranz vermitteln
Die vom Berliner Missionswerk getragene evangelisch-lutherische Schule Talitha Kumi leitet Wolf seit über sechs Jahren. Über 700 Kinder vom Kindergarten bis zum deutschen Abitur werden hier betreut und unterrichtet. Rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler kämen aus christlichen arabischen Familien, rund 70 Prozent aus muslimischen Familien, erzählt Wolf. "Die Familien der Kinder schätzen unseren liberalen Bildungsansatz, wir versuchen Werte des Friedens und der Toleranz zu vermitteln. Wichtig sei, dass die Menschen, miteinander ins Gespräch kämen."
Talitha Kumi - Mädchen, ich sage dir - Steh auf!
Talitha Kumi - geht auf einen Ausspruch Jesu in der Bibel zurück und bedeutet soviel wie "Mädchen, ich sage dir, steh auf." So würden die Mädchen an der deutschen Auslandsschule in Beit Jala auch keinen Hidschab im Unterricht tragen. Leider gebe es aber immer weniger christliche Familien im gesamten Nahen Osten und auch in Jerusalem, Betlehem oder Nazareth.
Viele Schüler machen hier ein deutsches Abitur
An der Talitha Kumi Schule können die Kinder sowohl einen palästinensischen als auch einen deutschen Schulabschluss und sogar das Abitur erlangen. Das hilft vielen, später gute Arbeitsstellen zu finden. Die Schule ist sowohl als Unesco-Schule anerkannt als auch seit 2017 als excellente deutsche Auslandsschule ausgezeichnet.