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> Ausstellung in Gießen: "Der Mensch dahinter" - Einsatzkräfte erzählen
04.07.2024, 14:04 Uhr
Angriffe auf Einsatzkräfte -
Poseck fordert härtere Strafen für Täter
© FFH
Blaulicht-Tag in Gießen. Hier berichten Einsatzkräfte von Gewalterlebnissen und dem, was sie in Ihrem Berufsalltag belastet. Hessens Justizminister Roman Poseck ist dafür nach Giessen gekommen.
Die mittelhessische Blaulichtfamilie bittet Bürgerinnen und Bürger um mehr Respekt im Einsatz, um den Trend zur Verrohung zu stoppen. Was Polizisten, aber auch Sanitäter oder Nothelfer, im Alltag dagegen erleben, ist Thema der Ausstellung "Der Mensch dahinter" in Gießen.
Die Ausstellung ist im Juli in der Sparkassen-Filiale in der Johannesstraße und in der Filiale der Volksbank Mittelhessen in der Goethestraße in Gießen zu sehen.
Hessen will höhere Strafen bei Tätlichkeiten gegen Blaulicht-Kräfte
Bei der Auftaktveranstaltung auf dem Berliner Platz vor dem Gießener Rathaus kündigte Hessens Justizminister Roman Poseck an, Hessen werde sich im Bundesrat für ein höheres Strafmaß bei Tätlichkeiten gegen Blaulichtkräfte einsetzen. Die Mindeststrafe bei tätlichen Angriffen, so fordert Poseck, solle auf sechs Monate Haftstrafe steigen.
Polizeibeamtin hat Angriff erlebt
Katharina Lenz schildert, was sie erlebt hat
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Eine besondere Situation war bei mir vor etwa anderthalb Jahren im Januar. Da wurde ich bei einer Messerstecherei von einer Frau gebissen in den Arm, durch drei Jacken durch mit offener Wunde und wurde dann noch an den Haaren gezogen über mehrere lange Sekunden. Und ja, das ist bei mir ziemlich hängen geblieben, dieser tätliche Angriff. Und hinterher die Spätfolgen, dass ich meinen Kindern dann sagen musste, was passiert ist und die dann bis heute auch Probleme damit haben, umzugehen, wenn Mama mal auf die Schicht muss. Aber ja, viele Polizisten erleben solche Sachen und das ist jetzt nur ein kleiner Teil davon. Es muss auch nicht immer Gewalt sein. Was bei mir auch besonders war, ist zum Beispiel eine Überbringung von Todesnachricht kurz vor Weihnachten bei einer jungen Frau, die gestorben ist beim Verkehrsunfall. Und dann in eine Familie reinzugehen und mitzuteilen, dass sie halt soeben verstorben ist, das macht auch was mit einem. Und das sind so viele, viele Situationen, die man hat, die schon was verändern im Denken eines Menschen, auch eines Polizisten.
Polizistin schildert erlebte Gewalt
© FFH
Polizistin und Mutter: Die 42-jährige Katharina Lenz wünscht sich Respekt und sagt: "Wir sind doch Menschen wie alle anderen auch." Bei einem Einsatz wurde sie von einer Frau durch Jacke und Hemd bis in den Arm gebissen.
© FFH
Die Ausstellung "Der Mensch dahinter" ist in einer Sparkassen-Filiale und in einer Volksbank-Filiale in Gießen zu sehen.
Polizistin schildert erlebte Gewalt
In der Ausstellung "Der Mensch dahinter" schildern Einsatzkräfte belastende Moment ihres Berufes. Zu ihnen gehört auch die 42-jährige Polizistin Katharina Lenz. Im FFH-Gespräch schildert sie einen Einsatz um eine Messerstecherei, bei dem sie eine schwere Bisswunde erlitt.
"Eigentlich habe ich immer sehr auf meine Eigensicherung geachtet. Aber in dem Moment kam der Angriff trotzdem überraschend. Der Biss in den Arm ging durch Jacke und Hemd bis in Fleisch. An meinen Haaren wurde sekundenlang gerissen. Das habe ich dann schon immer mit mir getragen bei weiteren Einsätzen."
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Polizeibeamtin: Der Angriff hat auch Folgen
Die Kinder von Katharina Lenz haben jetzt Angst um ihre Mutter.
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Also, ich habe jetzt eine kleine Narbe am Oberarm, das ist nicht so schlimm. Ja, so im Kopf, wenn ich jetzt zum Einsatz fahre, ist es halt immer so, dass man schon noch ein bisschen mehr darüber nachdenkt, aber, ja, man kommt schon irgendwie klar, aber es ist schon immer ein bisschen komisch. Ich war auch immer diejenige, die sehr auf meine Eigensicherung geachtet hat, aber ein kleiner Moment und man ist halt mittendrin in der Situation und dann kann man auch nicht mehr so ganz viel machen und hoffen, dass es irgendwann zu Ende ist.
Eigensicherung muss immer sein
Die besonnene Polizistin ist Mutter von zwei Kindern, die sich seit dem Angriff Sorgen machen, wenn Katharina Lenz im Schichtdienst unterwegs ist. Nach der Attacke war die 42-Jährige auf Antibiotika angewiesen, aufgrund derer sie eine Nesselsucht entwickelte.
Einen anderen besonders bedrückenden Einsatz erlebte die Gießener Beamtin, als sie kurz vor Weihnachten zu einem tödlichen Verkehrsunfall musste. "Ich musste dann den Eltern die Todesnachricht ihrer noch recht jungen Tochter überbringen. Das nimmt man mit nach Hause und das sind wirklich sehr schwere Momente auch für eine geübte Polizistin."
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Polizeibeamtin: Bürgerinnen und Bürger wissen nichts davon
Katharina Lenz wünscht sich mehr Respekt.
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Ja, man wünscht sich natürlich Respekt und dass man so behandelt wird, wie man denjenigen auch behandelt. Dann wünscht man sich, dass man dann die Situation gewaltfrei lösen kann.
"Wir sind Menschen wie alle anderen auch"
Von den Belastungen und Folgen solcher Polizeieinsätze für die Menschen in der Uniform würden Bürger und Bürgerinnen nicht viel erfahren. "Es gibt immer Kollegen, die mit Folgen von Einsätzen zu kämpfen haben," sagt Lenz. Sie selber ist derzeit nicht im Schichtdienst unterwegs, sondern engagiert sich bei der Verkehrserziehung in Dillenburg.
Der Wunsch nach mehr Respekt
Ihr Wunsch: "Respekt und so behandelt zu werden, wie ich auch Menschen behandele. Und dass die Situation ohne Gewalt zu klären ist." Leider erlebten die Polizisten derzeit eher eine Entwicklung in die negative Richtung und seien stärker mit Angriffen und Beleidigungen konfrontiert. Dabei seien Polizisten, Sanitäter oder Helfer doch einfach Menschen wie alle anderen auch.
Polizeipräsident Krückemeier ermutigt Blaulicht-Kräfte
Am Gießener Blaulicht-Tag zum Auftakt der Ausstellung kündigte Mittelhessens Polizeipräsident Thorsten Krückemeier weitere Veranstaltungen an, auf denen Blaulicht-Kräfte mit Bürgern ins Gespräch kommen wollten. Er ermutigte alle Blaulicht-Kräfte zu ihrer Arbeit. "Das Schlimmste wäre, wenn wir unseren Job nicht mehr machen wollten. Dann hätten wir ein großes Problem in unserer Gesellschaft und unserer Demokratie."
Hessens Justizminister: So darf es nicht weitergehen
Roman Poseck fordert höhere Strafen.
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Ja. Herr Posek, Sie haben gerade gesagt, unsere Einsatzkräfte brauchen Respekt, die Blaulichtfamilie, tolles Wort. Sie wollen eine Bundesratsinitiative starten. Was wollen Sie, um den Respekt gesetzessicher einzufordern, sozusagen? Es kommt leider zu immer mehr Übergriffen auf Einsatzkräfte. Wir haben mehr als 5000 Straftaten gegen Polizisten im vergangenen Jahr gehabt. So darf es nicht weitergehen. Und wir wollen hier ein klares Zeichen setzen. Der Rechtsstaat muss hier sehr konsequent handeln. Und deshalb wollen wir, dass die Mindeststrafe angehoben wird, dass es bei solchen verwerflichen Übergriffen eine Mindeststrafe von sechs Monaten, Freiheitsstrafe gibt. Das macht auch deutlich, welchen Unwertgehalt diese Taten haben. Und deshalb werden wir vom Land Hessen aus eine Bundesratsinitiative einbringen. Was für Taten sind das, für die Sie in dieser Strafrahmen vorschwebt? Beleidigung, Gewalt, Angriffe? Was für Taten sind das? Das sind vor allen Dingen tägliche Angriffe auf Polizisten und auf andere Einsatzkräfte. Also wir bewegen uns dort eher im Bereich der Körperverletzung, Tritte, Schläge. Leider inzwischen alltäglich bei Polizeieinsätzen. Und das dürfen wir nicht zulassen. Es dürfen nicht die, die sich für den Rechtsstaat, für die Demokratie oder für andere Menschen einsetzen, am Ende selbst Opfer von Straftaten werden. Und deshalb ist es notwendig, klare Stoppschilder zu setzen. Und deshalb sind wir sehr dafür, dass hier auch die Konsequenzen des Rechtsstaats und die Härte auch deutlich werden. Eine Frage. Solche Taten werden auch begangen gelegentlich auf Demonstrationen aus Mengen heraus. Da haben wir doch in verschiedenen Bundesländern auch wieder immer wieder verletzte Polizisten. Ist es akzeptabel, dass drumherum dann immer andere stehen, die den Tätern helfen, in der Menge zu verschwinden? Das Thema ist vor allen Dingen auch ein gesellschaftliches Thema. Ich habe auch eine klare Erwartungshaltung an die Gesellschaft. Die Gesellschaft muss hier zu einer Trendumkehr beitragen. Wir brauchen insgesamt in der Gesellschaft wieder mehr Respekt. Wir brauchen ein tolerantes und friedliches Miteinander. Und dazu gehört für mich auch, dass man sich bei Demonstrationen von Gewalttätern ganz gut verhalten kann. Und dass man sich ganz klar distanziert und nicht irgendwelchen Gewalttätern gewissermaßen Unterschlupf oder Rückendeckung bietet. Das darf nicht sein. Hier sind alle aufgerufen, klare Trennungen vorzunehmen. Dankeschön. Alles klar. Gerne.