Erziehermangel im Main-Kinzig-Kreis: Brandbrief an Landesregierung
Brandbrief aus Main-Kinzig - Erziehermangel wird immer dramatischer
Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern in kommunalen Kitas wird von Monat zu Monat dramatischer - dieser Hilferuf kommt aus dem Main-Kinzig-Kreis. Mehr als zwei Dutzend Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben sich dort mit einem Brandbrief an die Landesregierung gewandt.
Es sei mittlerweile fast unmöglich, Rechtsansprüche auf einen Betreuungsplatz einzulösen. "Besserung ist aktuell nicht in Sicht", klagen die 26 Kommunen aus dem Main-Kinzig-Kreis und schlagen unter anderem vor, den Zugang zum Erzieherberuf für junge Leute mit Realschulabschluss zu erleichtern.
Noch keine Antwort
Der Brandbrief ging vor wenigen an die Landesregierung. Unterschrieben haben unter anderem die Bürgermeister von Bad Soden-Salmünster, Nidderau und Wächtersbach, wie in einer Mittelung der Stadt Langenselbold zum Erziehermangel zu lesen ist. "Zu dem Schreiben haben wir noch keine Antwort erhalten", heißt es jetzt von der Maintaler Bürgermeisterin, Monika Böttcher, auf dpa-Anfrage. Es sei lediglich eine Zwischennachricht eingegangen, dass das Schreiben an das Sozialministerium weitergeleitet worden sei und von dort eine Antwort kommen werde.
Der offene Brief aus dem Main-Kinzig-Kreis an die Landesregierung zum Thema Fachkräftemangel in Kitas wurde von 26 Kommunen unterzeichnet. Eine Dokumentation des Schreibens in Auszügen:
"Die Situation in unseren kommunalen Kinderbetreuungseinrichtungen wird aufgrund des Fachkräftemangels von Monat zu Monat dramatischer. Es ist aufgrund des Fachkräftemangels für die Kommunen mittlerweile fast unmöglich geworden, den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz gem. § 24 Sozialgesetzbuch VIII einzulösen. Besserung ist aktuell nicht in Sicht."
"Der massive Mangel an pädagogischen Fachkräften und die damit fehlenden Betreuungsplätze werden zu einem immer größeren Problem für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dies entwickelt sich zu einem wachsenden Hemmnis für Wirtschaftswachstum - in Hessen wie in Deutschland."
Erziehermangel auch in anderen Städten in Hessen
Auch in anderen Landesteilen fehlen nach wie vor Fachkräfte in Kindergärten, beispielsweise in Frankfurt. Laut einer groben Schätzung werden dort bis 2029 rund 750 weitere Erzieher und Erzieherinnen benötigt, wie eine Sprecherin mitteilte.
"NICE!" - Frankfurt wirbt mit Kampagne für Erzieherberuf
"Wir brauchen mehr Plätze und gut ausgebildetes Personal", hatte Bildungsdezernentin Sylvia Weber vor einigen Tagen erklärt. Sie verwies darauf, dass in Frankfurt seit 2021 vier Einrichtungen unter kommunaler Trägerschaft neu eröffnet beziehungsweise erweitert worden seien. "Große Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder im Grundschulalter, der 2026 in Kraft tritt", erläuterte Weber. Um junge Menschen für den Beruf zu begeistern, sei die Werbekampagne "Erzieher*in werden? NICE!" gestartet.
Keine Entspannung in Sicht
In Marburg sind derzeit weniger als drei Prozent der Stellen in den 17 städtischen Kindertagesstätten unbesetzt, wie ein Sprecher mitteilte. "Das ist relativ wenig im Vergleich mit anderen Kommunen." Dennoch herrsche eine gewisse Personalknappheit. Es fielen hohe Krankenstände ins Gewicht - sowohl in den städtischen Einrichtungen als auch in denen der Freien Träger. "Wir sehen daher momentan leider nicht, dass sich diese Situation in der nahen Zukunft entspannen wird", ergänzte der Sprecher.
Betreuungszeiten mussten reduziert werden
"Wenn man Fachkräfte aus anderen Disziplinen zur Mitarbeit in Kindereinrichtungen gewinnen will, so muss dies auch von der tariflichen Bezahlung her interessant sein." Konkret bedeute das: Für interessante Berufsgruppen wie Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie sei die bisher mögliche Bezahlung in Kitas nicht attraktiv, gab der Sprecher zu Bedenken. In den vergangenen Monaten habe es Fälle gegeben, in denen Betreuungszeiten reduziert oder Notbetreuungen eingerichtet werden mussten. "Aufgrund von fehlendem Personal musste ein freier Träger sogar zwei Krippengruppen längerfristig schließen."
Rechtsanspruch nicht immer direkt erfüllt
In Bad Hersfeld fehlen derzeit nach Angaben der Stadtverwaltung fünf Erzieher und Erzieherinnen bei etwa 125 Fachkräften insgesamt. "Personal wird auch weiterhin knapp bleiben, da sich zu wenige für diesen Beruf interessieren - gemessen am Bedarf, der durch die vom Bund beschlossene Rechtszusage ausgelöst wurde", erläuterte ein Sprecher. Da Plätze fehlen, könne der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nicht immer sofort umgesetzt werden. Dann werde mit den betroffenen Eltern gesprochen.
Verzögerungen bei Kindergartenplätzen
"Dabei ergeben sich manchmal Lösungen innerhalb von Wochen; es ist aber vereinzelt dazu gekommen, dass Eltern erst ein Jahr später an ihrem Wunschort ein Platz bekommen haben", ergänzte der Sprecher. Diese Verzögerungen beträfen nicht die Krippenplätze der ganz Kleinen, sondern nur die Kindergärten mit der Betreuung der Drei- bis Sechsjährigen.
Eltern lehnen Plätze manchmal auch ab
Der Sprecher verwies darauf, dass die bundesweite Rechtszusage einen Kita-Platz in der jeweiligen Heimatkommune beinhalte, nicht aber in der von den Eltern bevorzugten Einrichtung. Die Stadt Bad Hersfeld mit ihren 14 städtische Kitas versuche, jedem Elternwunsch nachzukommen. "Das ist aber aus Kapazitätsgründen nicht überall gleich möglich." Die Verzögerungen kämen daher nicht selten dadurch zustande, dass die Eltern die angebotenen Alternativen - etwa eine Kita in Nähe des Arbeitsortes eines Elternteils -nicht wollten.
Mehr als die Hälfte der kommunalen Kitas in Offenbach reduziert Angebot
Der Eigenbetrieb Kindertagesstätten Offenbach berichtet von etwa 100 fehlenden Fachkräften in Vollzeit. Eine Stadt-Sprecherin geht davon aus, dass etwa 750 bis 800 vorhandene Betreuungsplätze aufgrund des Fachkräftemangels den Offenbacher Familien nicht zur Verfügung stehen. "Aktuell haben 17 von 29 städtischen Kitas eine Betreuungszeitreduzierung oder es sind einzelne Gruppen nicht voll belegt", teilte die Sprecherin mit. "Im U3-Bereich haben wir eine geringe Einschränkung, bei den Drei- bis Sechsjährigen haben wir größere Einschränkungen durch den Fachkräftemangel."
Wachsende Konkurrenz um Fachkräfte befürchtet
"Generell versuchen wir in allen Fällen, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten, oftmals nur um eine Stunde pro Tag, damit allen Kinder der Zugang zum Bildungsangebot in unseren Kitas möglich ist", erläuterte die Sprecherin. Nach Einschätzung der Stadt Offenbach wird sich die Konkurrenz zwischen Freien Trägern und Kommunen im Werben um Fachkräfte verschärfen.
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