Nach LKW-Streik an A5: Fahrer haben Geld nicht von Spedition erhalten
Nach LKW-Streik an der A5 - Fahrer haben Geld nicht von Arbeitgeber
Der Streik usbekischer und georgischer Lastwagenfahrer auf der südhessischen Autobahnraststätte Gräfenhausen ist beendet. Es sei eine Vereinbarung erzielt worden, sagte Edwin Atema.
Eine Vetreterin des polnischen Speditionsunternehmens hat eine Einigung bestritten. Weder mit den streikenden Fahrern noch mit deren Verhandlungsführer, dem niederländischen Gewerkschafter Edwin Atema, sei eine Vereinbarung unterzeichnet worden, betonte Magdalena Kurek, die Finanzchefin des bestreikten Unternehmens, am Montag in einer Stellungnahme. Das Unternehmen habe auch keine Zahlungen an die Fahrer geleistet.
Spediteur nimmt Anzeige gegen Fahrer zurück
Der polnische Speditionsunternehmer habe schriftlich zugesichert, dass er seine Anzeige gegen die Fahrer zurücknehme. Außerdem sicherte er Atema zufolge zu, auch künftig keine Ansprüche in Deutschland oder in anderen Ländern gegen die Fahrer zu erheben. Der Unternehmer hatte Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Erpressung gestellt.
Die polnische Spedition wolle "die Angelegenheit auf rechtlichem Weg regeln", so Kurek. Nachdem die Fahrer am Wochenende bei der Beendigung des Streiks die Lastwagen an Mitarbeiter der Spedition zurückgegeben hätten, "zogen wir unsere Ansprüche im Zusammenhang mit der Unterschlagung der Autos zurück", sagte Kurek. Das Unternehmen hatte vor Wochen bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt Anzeige unter anderem wegen Erpressung gegen die Fahrer erstattet.
Geld kam offenbar von Kunden
Der Streik war am Wochenende zu Ende gegangen. "Verantwortungsträger" hätten die Bezahlung der Fahrer übernommen, sagte Atema am Montag. Wer konkret wie viel bezahlt habe, blieb dabei offen. Bereits während des Streiks waren Gelder an die Fahrer von Unternehmen innerhalb der Lieferkette geflossen.
80 Fahrer waren im Streik
Eine Fortsetzung des Streiks mache daher keinen Sinn mehr, sagte Atema - auch angesichts der belastenden Situation für die Fahrer nach Wochen auf der Raststätte an der Autobahn 5. Die rund 80 Männer hatten von ihrem Auftraggeber ausstehenden Lohn in einer Gesamthöhe von mehr als einer halben Million Euro gefordert. Sie wurden nach eigenen Angaben seit Monaten nicht bezahlt.
Erleichterung bei den Gewerkschaften
Die Gewerkschaften, die für die Fahrer und ihre Rechte gekämpft haben, zeigten sich erleichtert. Die Stimmung unter den Fahrern war ausgelassen - einer spielte Gitarre und sang, andere klatschten.
Teil der Fahrer war zwischenzeitlich im Hungerstreik
Etwa 30 Fahrer waren zwischenzeitlich in einen Hungerstreik getreten. Unter anderem hatte der durch seine Kandidatur für die Linken für das Amt des Bundespräsidenten 2022 bundesweit bekanntgewordene Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert mit einem Team seines Vereins Armut und Gesundheit medizinische Hilfe geleistet. Er sagte Ende September: "Ein Hungerstreik ist eine lebensbedrohliche Situation." Trabert sprach sich für medizinische Anlaufstellen an europäischen Autobahnen aus.
Gewerkschaften fordern politische Konsequenzen
Endlich sei der "verzweifelte Protest" der osteuropäischen LKW-Fahrer beendet und eine Lösung gefunden, teilte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) mit. Dank einer großen Zahl von Spenden könne den Fahrern nun geholfen werden. "Jetzt müssen aus dem Vorfall in Gräfenhausen endlich politische Konsequenzen gezogen werden", forderte Körzell - und zwar auf europäischer Ebene, im Bund und auf Landesebene. Die polnischen Behörden müssten der Unternehmensgruppe die Transportlizenz für immer entziehen. Ähnlich äußerte sich Verhandlungsführer Atema. "Gräfenhausen ist kein Einzelfall", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er hoffe, dass von dort ein Signal ausgehe.
Lob für Kampfgeist der LKW-Fahrer
Der DGB im Bezirk Hessen-Thüringen teilte mit: "Für die Fahrer geht damit ein mutiger, langer und verzweifelter Kampf zu Ende, der einmal mehr ein erschreckendes Licht auf die Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen geworfen hat." Die Fahrer hätten verantwortungsbewusst und solidarisch gehandelt und allen Kriminalisierungsversuchen durch das Unternehmen getrotzt.
Streikende haben große Solidarität erfahren
Zudem hätten sie eine breite Solidarität und eine große Unterstützung vor allem durch gewerkschaftliche und kirchliche Akteure erfahren, teilte der DGB Hessen-Thüringen weiter mit. Mit der in diesem Fall gefundenen Lösung seien die Missstände im internationalen Straßentransport aber nicht beseitigt. "Eine Fortsetzung der Ausbeutung auf den Straßen Europas lässt sich nur verhindern, wenn die Einhaltung bestehender Regeln konsequent überprüft wird."
Zweiter erfolgreicher Streik bei Gräfenhausen
Die Raststätte an der A5 war schon zum zweiten Mal Schauplatz eines Arbeitskampfes gewesen. Im Frühjahr hatten etwa 60 Fahrer des gleichen Unternehmens in einem knapp sechswöchigen Streik ihre Forderungen durchgesetzt. Der Streik hatte die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Fernfahrer in den Blickpunkt gerückt.