Sauerstoffgerät ausgeschaltet: Was geschah in Mannheimer Klinik?
Sauerstoffgerät ausgeschaltet - Seniorin muss drei Jahre in Haft
Im Prozess um ein abgestelltes Sauerstoffgerät in einem Krankenhaus ist eine 73-Jährige vom Landgericht Mannheim zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nach Angaben eines Sprechers erkannte das Gericht auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Das Gericht stellte einen bedingten Tötungsvorsatz fest. Die angeklagte Türkin habe einer Mitpatientin im November 2022 das Sauerstoffgerät in Mannheim abgestellt, weil sie selbst habe schlafen wollen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Angeklagte schweigt vor Gericht
Die angeklagte 73-Jährige betrat den Gerichtssaal mit einem roten Ordner vor dem Gesicht. Die Frau mit tiefen Augenringen saß zuletzt in Untersuchungshaft. Eine Übersetzerin half ihr, das vor Gericht Gesagte zu verstehen. Sie sei Witwe, 1950 geboren, sagte die Angeklagte. Wann genau? Das wisse sie nicht. Zur Sache schweigt die Frau.
Mitpatientin wegen Corona-Erkrankung in Klinik gewesen
Die Mitpatientin der Angeklagten - eine damals 79 Jahre alte Frau, die mittlerweile gestorben ist - war bei der angeklagten Tat Ende November 2022 wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes und einer Corona-Erkrankung auf das Gerät angewiesen. Die Angeklagte soll zuvor schon einmal das Sauerstoffgerät abgeschaltet haben. Danach hätten die Mitarbeiter der Klinik sie darauf hingewiesen, dass dies ihre Bettnachbarin in Lebensgefahr bringe.
Opfer starb später an Multiorganversagen
Das Opfer erlitt laut der Staatsanwaltschaft eine schwere Atemstörung - eine sogenannte Schnappatmung - woraufhin sie auf die Intensivstation verlegt werden musste. Die 79-Jährige starb gut zweieinhalb Wochen später an Multiorganversagen - wobei das Abschalten des Geräts dafür nicht die Ursache gewesen sein soll.
Bild einer gebrochenen Frau
Dafür berichtete ihr Anwalt von ihrem Leben. Er zeichnete das Bild einer gebrochenen Frau. In der Türkei geboren, die Eltern Bauern. Ein Leben in einfachen Verhältnissen. Sie habe im Haushalt helfen müssen, habe weder Kindergarten noch Schule besucht. Schon als Jugendliche sei sie verheiratet gewesen. Ihr Mann zog Anfang der Siebziger als Gastarbeiter nach Deutschland, sie kam später mit den Kindern nach.
Schlafprobleme bei Angeklagter?
Er arbeitete auf dem Bau, sie ging putzen. Sie trennte sich von ihm nach körperlicher Gewalt und Untreue, so der Anwalt. Als der Mann starb, habe sie das trotz der schwierigen Ehe mitgenommen. Zuletzt habe sie von Sozialhilfe in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Mannheim gelebt. Sie sei einsam gewesen, habe tagelang ihre Wände angeschaut und Schlafprobleme gehabt.
Angeklagte hatte wohl großes Ruhebedürfnis
Um ihr Schlafbedürfnis geht es auch im Prozess. Eine Krankenschwester sagte aus, die Angeklagte habe ein großes Ruhebedürfnis gehabt. Sie habe schlafen wollen. Weil es ihrer Mitpatientin schlecht ging, sei das aber schwierig gewesen. Das Opfer habe sich im Laufe des Tages immer wieder selbst die Sauerstoffzufuhr abgemacht. Sicher 20 Mal sei die Schwester deshalb ins Zimmer gekommen, weil es dadurch einen sehr lauten Alarm gegeben habe, der auf der Station selbst durch die geschlossene Zimmertür gut hörbar gewesen sei.