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Kanzler Olaf Scholz stellt die Vertrauensfrage

Wahlkampfrede im Bundestag - Kanzler Scholz stellt Vertrauensfrage

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt die Vertrauensfrage im Bundestag.
© dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt die Vertrauensfrage im Bundestag.

Es ist die erste Bundestagsabstimmung in seinen gut drei Jahren als Kanzler, die Olaf Scholz verlieren will. In seiner Rede zur Vertrauensfrage läutet er den Wahlkampf mit einer harten Attacke ein. Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Rede zur Vertrauensfrage im Bundestag zu heftiger Kritik am früheren Koalitionspartner FDP genutzt.

Ihre "wochenlange Sabotage" habe nicht nur der Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. Und an die Adresse von FDP-Chef Christian Lindner: "In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife."

Kritik auch an Merz

Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung "nicht nur respektlos", sondern sie sei auch eine "blanke Unverschämheit".

Scholz wendet sich an Wählerinnen und Wähler

Scholz bekräftigte im Bundestag, dass er die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer um sieben Monate vorgezogenen Wahl des Parlaments stellt. "Bei dieser Wahl können dann die Bürgerinnen und Bürger den politischen Kurs unseres Landes vorgeben, darum geht es", sagte er vor den Abgeordneten. "Die Vertrauensfrage richte ich deshalb heute an die Wählerinnen und Wähler." 

Kanzler mit Wahlkampfthemen

Den größten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz dann dafür darzulegen, mit welchem Programm er in den Wahlkampf ziehen will. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns, Senkung der Mehrwertsteuer, Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte. Die Wählerinnen und Wähler bat er "um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung".

Vertrauensfrage einziger Neuwahl-Hebel des Kanzlers

Scholz wurde von seiner Frau Britta Ernst in den Bundestag begleitet. Die Vertrauensfrage ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt. Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen. 

Steinmeier entscheidet über Bundestagsauflösung

Wenn Scholz wie beabsichtigt keine Mehrheit im Bundestag bekommt, wird er gleich nach der Sitzung ins Schloss Bellevue fahren und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Dann fehlt nur noch dessen Zustimmung.

Warum macht Scholz das?

Die Vertrauensfrage ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Christian Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt. Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.

Worüber stimmt der Bundestag ab?

Scholz hat die Vertrauensfrage vergangenen Mittwoch bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fristgerecht mehr als 48 Stunden vor der Abstimmung beantragt. Das von ihm persönlich unterzeichnete Schreiben besteht nur aus zwei Sätzen: "Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin, gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Montag, dem 16. Dezember 2024, hierzu eine Erklärung abzugeben."

Was bedeutet «namentliche Abstimmung»?

Das heißt, das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten wird etwa eine Stunde nach der mündlichen Verkündung des Ergebnisses durch Bundestagspräsidentin Bas veröffentlicht. Dann wird man sehen, ob es sogenannte Abweichler gibt, also Abgeordnete, die gegen die Linie der eigenen Fraktion oder Gruppe gestimmt haben.

Ist sicher, dass Scholz keine Mehrheit bekommt?

Das gilt als sicher. Dem Bundestag gehören 733 Abgeordnete an. Um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, müsste Scholz 367 Stimmen erhalten - die absolute Mehrheit aller Parlamentarier, auch "Kanzlermehrheit" genannt. Die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten will dem Kanzler zwar das Vertrauen aussprechen. Die Grünen-Fraktionsspitze hat ihren 117 Parlamentariern aber eine Enthaltung empfohlen.

Was steckt hinter dieser Entscheidung?

Die Grünen wollen damit ausschließen, dass die AfD die Neuwahl-Pläne der Koalition durchkreuzt. Würden die Grünen für Scholz stimmen, wären das zusammen schon 324 Stimmen, also nur 43 weniger als die Kanzlermehrheit. Dann hätte die AfD mit ihren 76 Abgeordneten Scholz rein rechnerisch zu einer Mehrheit verhelfen können. Das gilt mit der Entscheidung der Grünen aber nun als ausgeschlossen. Aus der AfD hatte bisher aber ohnehin nur ein Abgeordneter angekündigt, für Scholz stimmen zu wollen.

Was ist mit den anderen Oppositionsfraktionen?

Es ist davon auszugehen, dass sie geschlossen oder fast geschlossen gegen Scholz stimmen. Es kann aber immer einzelne Abweichler geben. Und in Wahlkampfzeiten wären Stimmen für die politische Konkurrenz in einer solch wichtigen Abstimmung auch eher ungewöhnlich.

Was wäre, wenn Scholz eine Mehrheit bekommt

Darüber spekuliert derzeit niemand. Theoretisch könnte Scholz mit seiner Minderheitsregierung dann aber einfach bis zum eigentlich vorgesehenen Wahltermin am 28. September 2025 weiterregieren. Oder er stellt die Vertrauensfrage ein weiteres Mal, in der Hoffnung auf ein anderes Abstimmungsverhalten.

Was passiert, wenn Scholz keine Mehrheit bekommt

Dann ist der Bundespräsident am Zug. Scholz wird Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen, wozu der dann drei Wochen Zeit hat, also bis zum 6. Januar. Wenn der Bundespräsident sich dafür entscheidet, was als sicher gilt, muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden. SPD, Grüne und die Union als größte Oppositionsfraktion haben sich auf den 23. Februar als Wahltermin verständigt. Der Bundespräsident hat bereits erkennen lassen, dass er diesen Termin für realistisch hält.

Was geht noch nach der Vertrauensfrage?

Der Kanzler und seine Regierung bleiben im Amt - und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestags höchstens 30 Tage nach der Wahl endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen sind, kann der Bundespräsident die alte Regierung bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung der neuen weiterzuführen.

Ist der Bundestag nach der Auflösung noch handlungsfähig?

Ja. Er bleibt bis zum Zusammentritt des neuen Bundestags mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen. Das Parlament kann jederzeit wieder zusammentreten, es kann weiter Gesetze beschließen, auch seine Gremien wie Untersuchungsausschüsse bestehen bis zum Ende der Wahlperiode fort. Dieses Ende ist mit dem ersten Zusammentreten des neu gewählten Bundestags erreicht.

Ist es denn realistisch, dass der Bundestag noch etwas zustande bringt?

Scholz wirbt für die Verabschiedung mehrerer Gesetzesvorhaben mit finanziellen Entlastungen noch vor Weihnachten. "Ein Schulterschluss der demokratischen Mitte in diesen wichtigen Fragen wäre ein starkes Zeichen", sagte der SPD-Politiker nach Einreichung seines Antrags auf Vertrauensfrage. Er appelliere an die Opposition: "Lassen Sie uns gemeinsam handeln im Interesse der Bürgerinnen und Bürger."

Macht die Opposition da mit?

Das meiste wird blockiert, einzelne Vorhaben aber könnten noch klappen: Union und FDP wollen beide zustimmen, wenn es darum geht, das Verfassungsgericht widerstandsfähiger gegen Einflussnahme und Blockade durch Verfassungsfeinde zu machen. Einem Gesetz zum Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer und für mehr Kindergeld will zumindest die FDP zustimmen - es könnte dann aber im Bundesrat an den unionsgeführten Ländern scheitern. Auch ein Gesetz zur unterirdischen Speicherung klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) könnte noch kommen - hier haben Union und FDP beide Zustimmung signalisiert.

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