So regeln es hessische Kommunen - Streit um verkaufsoffene Sonntage
- Einzelhandel
- Wiesbaden
- Kassel
- Baunatal
- Darmstadt
- Bad Hersfeld
- Fulda
- Frankfurt am Main
- Rüdesheim am Rhein
Was in anderen Ländern zum Alltag gehört, ist in Deutschland umstritten. Sonntags Brötchen beim Bäcker holen – kein Problem. Bei vielen anderen Geschäften bleiben allerdings die Türen verschlossen. In Hessen regelt ein eigenes Ladenöffnungsgesetz die strengen Vorgaben für eine Sonntagsöffnung.
Was die einen als wichtige Marketingaktion sehen, ist für andere der Verlust eines hohen Gutes.
"Reger Zuspruch" in der Landeshauptstadt
In Wiesbaden sind verkaufsoffene Sonntage an den Oster- und Herbstmarkt gebunden. Der Ostermarkt hat bereits Anfang April stattgefunden, der Herbstmarkt ist vom 26. bis 28. September geplant. Außerdem gibt es noch einen verkaufsoffenen Sonntag in Wiesbaden-Biebrich.
Märkte sorgen für mehr Besucher in der Stadt
"Die Stadt ist an diesen Tagen voll mit Menschen, es herrscht reger Zuspruch", erklärt ein Sprecher der Stadt. Genaue Zahlen lägen nicht vor. Es gibt in Wiesbaden zwei Messpunkte, die die Vorbeigehenden zählen. Demnach sei klar, dass Oster- und Herbstmarkt für deutliche Steigerungen der Besucherzahlen sorgen.
Drei verkaufsoffene Sonntage pro Jahr in Wiesbaden
"Verkaufsoffene Sonntage sind wichtige Marketingaktionen für die Einkaufsstädte", heißt es aus dem Wiesbadener Rathaus. Laut einer Umfrage befürworteten sie rund 80 Prozent der Einzelhandelsbetriebe grundsätzlich, rund 70 Prozent seien auch mit der Anzahl zufrieden. "Daher wird man in Wiesbaden auf absehbare Zeit an dem bewährten und beliebten Konzept mit den drei verkaufsoffenen Sonntagen festhalten."
Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen
Für die Veranstaltungen werde wie in anderen Städten jeweils ein Sicherheitskonzept unter anderem mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten abgestimmt. Betrachtet würden verschiedene Szenarien wie Brände, Unwetter, Bombendrohungen oder Schlägereien.
Wichtiger Baustein für den Einzelhandel in Kassel
In Kassel gibt es zwei verkaufsoffene Sonntage: Einer hat nach Angaben der Stadt bereits im März zur Frühlings-Freyheit stattgefunden, der zweite folgt Ende Oktober zur Herbst-Freyheit. Die verkaufsoffenen Sonntage seien ein sehr wichtiger Baustein für den Einzelhandel in der Innenstadt, erläuterte ein Sprecher. Sie lockten jeweils gut 50.000 Menschen an.
Regelung mit Augenmaß
Seitens der Stadt würden die verkaufsoffenen Sonntage mit Augenmaß betrachtet, sagte er. Zum einen würden die Innenstadt belebt und der Einzelhandel gefördert. Zudem werde Familien ein gemeinsames Einkaufserlebnis geboten. "Zum anderen soll der Sonntag zu keinem generellen Arbeitstag werden, damit es, auch im Sinne der Kirche, einen gemeinsamen freien Tag für Familien und Freunde gibt und der heilige Sonntag gewahrt bleibt."
Stärkung des lokalen Einzelhandels in Baunatal
Im nordhessischen Baunatal (Landkreis Kassel) sind nach Angaben der Stadt zwei verkaufsoffene Sonntage geplant – am 11. Mai zur Baunataler Automobilausstellung und am 6. Juli zum Stadtfest. Die beiden Tage lockten jeweils 3.000 beziehungsweise 7.500 Besucher in die Innenstadt.
Nicht alle Einzelhändler machen mit
"Verkaufsoffene Sonntage stärken den lokalen Einzelhandel und die Gastronomie in der Innenstadt", erläuterte Dirk Wuschko, Geschäftsführer des Stadtmarketings Baunatal. "Gerade durch die Begleitveranstaltungen kommen Menschen aus der Region zu Besuch, die nicht regelmäßig in der City sind und sie können sich so ein "Livebild" vom Einzelhandelsangebot der Stadt machen." Wie in fast allen Städten machten aber nicht alle Einzelhändler mit.
Zwei Shopping-Sonntage in Darmstadt
Auch in Darmstadt gibt es zwei verkaufsoffene Sonntage im Frühjahr zur Ausstellung Darmstadt Mobil und zum Weinfest im Herbst. "Für den Handel sind verkaufsoffene Sonntage weiterhin eine wichtige Gelegenheit, um zusätzliche Umsätze zu generieren, die Kundenfrequenz in der Innenstadt zu steigern und sich Besucherinnen und Besuchern auch mit Sonderaktionen zu präsentieren", heißt es von der Stadt.
Fester Bestandteil im Bad Hersfelder Jahreskalender
Die insgesamt vier verkaufsoffenen Sonntage in diesem Jahr in Bad Hersfeld sind nach Angaben der Stadtverwaltung ein fester Bestandteil im Jahreskalender und werden von Händlern und Bürgern gleichermaßen geschätzt. Bad Hersfeld verspreche sich dadurch eine zusätzliche Belebung der Innenstadt und Werbung für den Standort, sagte eine Sprecherin der Stadtverwaltung.
Fulda: Wichtiger Wirtschaftsfaktor
In Fulda gibt es in diesem Jahr zwei verkaufsoffene Sonntage, den nächsten beim Stadtfest vom 22. bis 25. Mai. Die Veranstaltungen und die begleitenden verkaufsoffenen Sonntage erhöhen nach Angaben der Stadtverwaltung die Aufenthaltsqualität der Innenstadt und ziehen Menschen an. Wichtig sei, dass die verkaufsoffenen Sonntage "innovativ und qualitätsvoll" gestaltet werden, etwa mit einem Rahmenprogramm. "Klar ist: Der verkaufsoffene Sonntag ist und bleibt auch ein Wirtschaftsfaktor", sagte eine Sprecherin. Bisher gab es den Angaben zufolge überwiegend positive Rückmeldungen zu den verkaufsoffenen Sonntagen. Allerdings beteiligten sich längst nicht alle Innenstadthändler, fügte sie hinzu.
Keine verkaufsoffenen Sonntage in Frankfurt
In Frankfurt finden schon seit rund zehn Jahren keine verkaufsoffenen Sonntage mehr in der Innenstadt statt. Grund ist, so eine Sprecherin der Wirtschaftsförderung Frankfurt, dass "eine Allianz aus verschiedenen Institutionen sich gegen eine sonntägliche Verkaufsöffnung einsetzt und in den entsprechenden Fällen diese dann auch verhindert hat".
Spezielle "Aktionstage"
Stattdessen wurden "Aktionstage" durchgeführt, etwa "Zu Gast in Frankfurt" an Allerheiligen. An diesem Tag – der kein Feiertag in Hessen, aber in umliegenden Bundesländern ist – darf in der Innenstadt bis 22 Uhr eingekauft werden. 2023 waren an diesem Tag mehr als 100.000 Passanten auf der Zeil, deutlich mehr als sonst. "Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es als Unterstützung des Einzelhandels auf jeden Fall zu begrüßen, verkaufsoffene Sonntage an vier Tagen im Jahr stattfinden zu lassen", sagte die Sprecherin der Wirtschaftsförderung, Regina Seibel.
40 verkaufsoffene Sonntage für Tourismus in Rüdesheim
Gesetzlich sind vier verkaufsoffene Sonntage erlaubt. Eine Ausnahmeregelung macht sich Rüdesheim am Rhein als Tourismusstadt zunutze. Dort plant man insgesamt 40 verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage für Läden, die Angebote für Touristen haben. Ein begleitendes Marktgeschehen gibt es dabei nicht. Man habe rund zwei Millionen Besucher pro Jahr, heißt es von der Stadt.
Handel begrüßt Regelung, sieht aber Hürden
Verkaufsoffene Sonntage hätten einen hohen Stellenwert für den hessischen Handel, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Hessen, Sven Rohde. Sie ermöglichten über das Alltagsgeschehen hinaus, Innenstadtbesucherinnen und -besucher für Standorte und Angebote zu begeistern. Es gebe jedoch besonders hohe Umsetzungshürden, sodass faktisch kaum verkaufsoffene Sonntage beantragt werden. Wegen der überzogenen Anforderungen sei eine Nutzung des Instruments de facto kaum noch möglich.
Handelsverband: Brauchen vier verkaufsoffene Sonntage
Städte und Gemeinden bräuchten dringend die Möglichkeit, verkaufsoffene Sonntage durchführen zu können. "Es ist heutzutage kaum vermittelbar, dass während Kulturveranstaltungen oder Stadtfesten Cafés, Kinos und Spielhallen öffnen dürfen – der Handel aber mit rechtlichen Hürden blockiert wird", sagte Rohde. Der Handel brauche diese vier Tage, und zwar rechtssicher und praktikabel.
Sonntagsschutz hohes Gut
Vom Bistum Limburg heißt es: "Als Kirche sind wir kein Spielverderber, der Einkäufe am Sonntag verurteilt." Der Sonntagsschutz sei aber ein hohes Gut. Erholung und gemeinsame freie Zeit gehörten zu einem guten Leben dazu. "Als Kirche sehen wir natürlich die schwierige Lage des stationären Einzelhandels und der dort tätigen Menschen." Allerdings sehe man nicht, dass mit Sonntagsverkäufen die Probleme des Einzelhandels zu lösen sind.
Kirche will freie Sonntage schützen
Sonn- und Feiertage seien eine kulturelle und rechtliche Errungenschaft, heißt es bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. "Es ist daher ein hohes Gut, dass möglichst viele Menschen die Sonn- und Feiertage ohne Arbeitsverpflichtung begehen können und die Sonn- und Feiertage insgesamt einen von den Alltagen deutlich unterschiedenen Charakter haben."
Gewerkschaft gegen verkaufsoffene Sonntage
Ganz klar gegen verkaufsoffene Sonntage positioniert sich die Gewerkschaft Verdi. "Der arbeitsfreie Sonntag bildet – noch – eine Ruheinsel, in der Menschen ihre Zeit nach ihren Bedürfnissen verbringen können", heißt es dort.