Interview mit Schlafforscher - Darum sollte Schule später beginnen
Schule beginnt um 8 Uhr - oder sogar kurz davor! So ist es fast überall in Deutschland. Ab der Pubertät ist das aber keine gute Idee, sagt Schlafforscher Dr. Alfred Wiater und plädiert dafür, den Schulbeginn nach hinten zu verlegen.
Für die ganz jungen ist frühes Aufstehen noch gar kein Problem - das wissen alle leidgeplagten Eltern, wenn der oder die Kleine mal wieder Samstagmorgens um kurz nach sechs im Schlafzimmer steht. Für die ersten Klassen ist 8 Uhr also eine vollkommen akzeptable Zeit, um mit dem Unterricht anzufangen. Doch mit der einsetzenden Pubertät verschiebt sich bei fast allen Jugendlichen der Tagesrhythmus nach hinten - sie werden abends später müde und brauchen dementsprechend morgens auch mehr Schlaf.
Das geht aber in der Regel nicht, weil der Schulbeginn weiterhin um 8 Uhr ist. Und das hat laut Schlafforscher Dr. Wiater klar messbare Folgen: "Das wirkt sich kurzfristig zum Beispiel darin aus, dass man unkonzentriert ist, dass man Aufmerksamkeitsstörungen hat und dass man dann auch nicht erfolgreich lernen kann."
Spätaufsteher im Schnitt eine halbe Note schlechter
Natürlich gibt es auch unter Teenagern eine gewisse Bandbreite, was die optimale Aufstehzeit angeht: "Auch da gibt es sehr frühe Frühtypen. Denen macht die Verschiebung in der Pubertät zum Spättyp hin nicht so viel aus, wie denen, die sowieso schon Spättypen sind. Für die bedeutet das Aufstehen um 7 Uhr, dass sie erst die Hälfte des Nachtschlafes hinter sich haben", sagt Dr. Wiater.
Auch auf die Schulnoten hat der Biorhythmus eine Auswirkung - so zeigt zum Beispiel eine Studie, dass Spättypen im Schnitt eine halbe Note im Abitur schlechter waren, als Schüler, die zu den Frühaufstehern zählen.
Statistisch gesehen trifft der frühe Schulbeginn vor allem die jungen Männer hart. Denn bei ihnen verschiebt sich die innere Uhr üblicherweise stärker nach hinten, als bei jungen Frauen.
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"Sozialer Jetlag" auch schlecht für die Gesundheit
Und auch aus gesundheitlichen Gründen spricht laut Dr. Wiater einiges für einen späteren Schulbeginn. Denn aktuell lebten viele Schüler und Schülerinnen in einem dauerhaften sozialen Jetlag: "Und das hat Auswirkungen sowohl auf die körperliche Gesundheit, ein erhöhtes Risiko z.B. für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, als auch für die seelische Gesundheit, ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Angststörungen."
Für Dr. Wiater spricht nichts dafür, am Schulbeginn um 8 Uhr festzuhalten: "Bis auf die Jugendlichen, die halt extreme Frühtypen sind und ihre Leistungsfähigkeit auch schon in den ersten Stunden haben, hat er nur Nachteile in dieser Altersgruppe. Wir sind halt so ein bisschen fixiert mit diesen ganzen logistischen Problemen: Wie man zur Schule kommt und die Eltern zur arbeiten. Aber ein Jugendlicher braucht ja jetzt nicht mehr bis er zur Schule geht, von den Eltern beaufsichtigt werden. Also das kann man alles, wenn man es denn wollte, gut regeln."
Mehrheit der Schüler bevorzugt Start um 8 Uhr
Allerdings: Fragt man die Schüler selber, so sind die Meinungen nicht mehr so eindeutig. Bei einer Studie der Frankfurt University of Applied Sciences favorisierten 52 Prozent der Schüler eine Unterrichtszeit von 8 bis 13 Uhr, wenn sie sechs Stunden Unterricht haben. Bei einem Schultag mit acht Stunden sprachen sich sogar 69 Prozent für die daraus folgende Schulzeit von 8 bis 15 Uhr aus, damit mehr Freizeit am Nachmittag bleibt.
Gleitzeit-Modell an der Schule
Eine mögliche Lösung wären "Gleitzeit-Modelle" für Schüler. In einem Gymnasium in Alsdorf bei Aachen wird dies erfolgreich durchgeführt. Dabei werden Schüler nach dem "Dalton"-Modell unterrichtet - dabei gibt es jeden Tag Selbstlernzeiten, in denen die Schüler sich Stoff unter Aufsicht eines Lehrers selbst erarbeiten müssen. Im Alsdorfer Gymnasium können die Schüler dabei entscheiden, ob sie diese Selbstlernzeiten morgens in der ersten Stunde nehmen oder lieber nachmittags nach Ende des regulären Unterrichts.