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Reichsbürger um Prinz Reuß: Holpriger Prozessauftakt in Frankfurt

Reichsbürger um Prinz Reuß - Viel Kritik an Prozesstag 2 in Frankfurt

Es ist der größte Gerichtsprozess, den es in Frankfurt jemals gegeben hat: Das Verfahren gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Gruppe um Prinz Reuß hat am Dienstag begonnen. Laut Anklage wollte die Gruppe den Reichstag stürmen und die Bundesregierung stürzen. 

Unter enormen Sicherheitsvorkehrungen hatte diese Woche in Frankfurt der "Reichsbürger"-Prozess um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen.

Großer Prozess mit neun Angeklagten

Es gibt neun Angeklagte, darunter Ex-Militärs, ein Adeliger und eine ehemalige Bundestagsabgeordnete. Bisher startete der Prozess mit zeitlichen Verzögerungen am Dienstag und viel Kritik von Seiten der Verteidiger. Der Prozess findet in der eigens für das Verfahren errichteten Metall-Leichtbauhalle am Rand der Stadt statt.

Vorwürfe gegen Reuß zurückgewiesen

An Prozesstag Zwei am Donnerstag hat die Verteidigung von Heinrich XIII. Prinz Reuß erneut die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen. Es fehlten konkrete Tatsachen in der Anklageschrift, kritisierte Verteidiger Roman von Alvensleben. Es handele sich um eine wertende Anklage, an der er deutliche Kritik übe.

Anwalt spricht von wertender Anklage

In der Anklage sei beispielsweise mit Blick auf seinen Mandanten die Rede von einem "ihm verhassten Staat", doch Reuß habe bisher auf Grundlage des Grundgesetzes und anderen Gesetzen gelebt und gehandelt. Die Anklage nehme hier Schlussfolgerungen und Wertungen vor. Es habe keine Gewalttaten gegeben und es hätte auch keine geben sollen.

Viel Kritik von Verteidigern

Von Alvensleben kritisierte zudem erneut die Aufteilung des Verfahrens gegen die Gruppe auf insgesamt drei Gerichtsstandorte in Frankfurt, Stuttgart und München. Zudem seien bei der Verhaftung seines Mandanten im Dezember 2022 Medienvertreter vor Ort gewesen. Dies zeige, dass Informationen an Medienvertreter weitergeben worden seien. Es habe eine Vorverurteilung von Reuß stattgefunden.

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft wiesen den Vorwurf zurück, sie hätten Informationen an Medien weitergegeben.

Reuß' Frau ebenfalls angeklagt

Zudem bat das Anwaltsteam darum, dass Reuß seine Lebensgefährtin im Gericht begrüßen und ein paar Sätze mit ihr wechseln dürfe - die ebenfalls angeklagte 40 Jahre alte Vitalia B.. Auch wenn das nachvollziehbar sei, seien beide Angeklagte in einem Strafprozess, entgegnete der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk. Da gelte die Tätertrennung.

Zudem sei die Kontrolle der Gesprächsinhalte ausgesprochen schwer. Laut Bonk soll eine Begrüßung ermöglicht werden, "aber dabei muss es bleiben". Ein inhaltlicher Austausch dürfe nicht passieren.

Prinz Reuß war mutmaßlich Rädelsführer

617 Seiten umfasst die Anklageschrift, in der Verhandlung wird allerdings nur ein Anklagesatz von 65 Seiten vorgetragen. Mehr als zwei Stunden erläutert die Bundesanwaltschaft ihre Anklagepunkte. Sie wirft den neun Männer und Frauen vor, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Prinz Reuß habe dabei als ein Rädelsführer agiert, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Tobias Engelstetter, in seinem Vortrag.

Sturm auf Reichstag

Die terroristische Vereinigung sei Ende Juli 2021 gegründet worden. Eine bewaffnete Gruppe habe in das Reichstagsgebäude in Berlin eindringen und Bundestagsabgeordnete sowie Mitglieder der Bundesregierung festnehmen sollen. Die Anklage lautet teilweise auch auf die Planung eines hochverräterischen Unternehmens. Auch der Verstoß gegen das Waffengesetz zählt zu den Vorwürfen gegen einen Teil der Angeklagten.

Eigene Staatsform bereits ausgearbeitet

Konkret heißt es in der Anklage, die Gruppe habe es sich zum Ziel gesetzt, "die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen". Die Angeklagten seien durch Verschwörungstheorien und Narrative von "Reichsbürgern" miteinander verbunden gewesen. Prinz Reuß habe sich mit den Plänen auch an Vertreter Russlands gewandt.

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Adliger als Staatsoberhaupt

Die Bundesanwaltschaft gibt auch Einblicke, wie ein solcher Staat nach Auffassung der Gruppe aussehen solle. An der Spitze solle ein Adliger stehen, in Person von Prinz Reuß. Für den Bereich Justiz war die ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann vorgesehen. Auch weitere Ressorts waren schon mit Personal besetzt.

Nach der geplanten Machtübernahme sollten nach Willen der Gruppe auch die Behörden umstrukturiert werden. Laut Anklage sollten beispielsweise Beamte entlassen werden, die sich freiwillig mit einem mRNA-Impfstoff gegen Corona impfen ließen.

Schießtraining veranstaltet

Immer wieder geht es zum Prozessauftakt im Gerichtssaal um den geplanten bewaffneten Übergriff auf das Reichstagsgebäude. Dafür habe Malsack-Winkemann weitere Mitglieder durch die Liegenschaften des Bundestags geführt, dabei seien Fotos mit dem Smartphone gemacht worden. Zur Vorbereitung sei auch ein Schießtraining veranstaltet worden.

380 Schusswaffen, 148.000 Munitionsteile

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hatte die Gruppe Zugriff auf ein massives Waffenarsenal, bestehend aus rund 380 Schusswaffen, beinahe 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffen- sowie mindestens 148 000 Munitionsteilen. Zudem verfügten sie für ihre Umsturzpläne über etwa eine halbe Million Euro. Wiederholt wurde laut Bundesanwaltschaft militärisches Personal rekrutiert. Als Spitze des sogenannten militärischen Arms ist Rüdiger von Pescatore angeklagt, neben Reuß laut Anklage der zweite Rädelsführer.

 

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Insgesamt drei Prozesse

Das Verfahren ist das zweite von insgesamt drei Mammutprozessen gegen die Gruppe: Ende April hatte in Stuttgart der Prozess gegen mutmaßliche Vertreter des militärischen Arms begonnen. In München stehen ab dem 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe vor Gericht. Die Verschwörungspläne waren nach einer großangelegten Anti-Terror-Razzia im Dezember 2022 bekannt geworden.

25 Verteidiger, 260 Zeugen

Schon die Zahlen zum Prozess in Frankfurt sind eindrücklich: Neben den neun Angeklagten sind fünf Richter, zwei Ergänzungsrichter und 25 Verteidiger im Prozess dabei. Rund 260 Zeugen sollen geladen werden. Die Dokumente zum Prozess sind laut dem Gericht in 801 Stehordnern abgelegt. Es wird mit einer langen Prozessdauer gerechnet, Termine sind bis ins kommende Jahr hinein festgelegt worden.

Den Angeklagten drohen laut Gericht bis zu zehn Jahre Haft, wenn sie in einem Anklagepunkt schuldig gesprochen werden. Im Falle mehrerer Schuldsprüche und einer Gesamtstrafe wären es maximal 15 Jahre Haft.

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Die Sprecherin des Frankfurter Oberlandesgerichts - Gundula Fehns-Böer- erklärt, warum für den Prozess extra eine neue Halle gebaut wurde.

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Was sind Reichsbürger?

Die sogenannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an. Für die Angeklagten gilt bis zu einem etwaigen Urteil die Unschuldsvermutung. Die Anwälte von Reuß erklären am Rande des Prozesses mehrfach vor Journalisten, ihr Mandant sei kein Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung gewesen. Dies wolle er auch in dem Verfahren darlegen. Die Verteidiger kritisieren zudem, dass das Verfahren auf drei Standorte aufgeteilt wurde.

Aufwändige Sicherheitsmaßnahmen und Vorbereitungen

Die Verlegung des Prozesses an den Frankfurter Stadtrand dient auch Sicherheitsbedenken. Zwar gibt es bislang keine Hinweise auf Aktionen aus dem Unterstützerumfeld der "Reichsbürger", dennoch wird auf Nummer sicher gegangen. Insgesamt 40 bis 45 Wachtmeister sorgen an jedem Prozesstag für Ordnung. Zudem sind 10 Sachverständige im Einsatz.

Fehns-Böer: Einen Prozess in dieser Größenordnung hatte das Oberlandesgericht noch nie.

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