LKW-Streik an der A5 in Gräfenhausen: Trucker erhalten 20.000 Euro

Filmreife Geldübergabe an der A5-Raststätte Gräfenhausen-West: Die streikenden Lkw-Fahrer dort haben 20.000 Euro erhalten. Bezahlt hat es ein Kunde, der nun im Gegenzug seine Waren erhalten soll, die seit Wochen beim Streik in Südhessen festhängen.

Die Trucker fordern noch viele weitere Tausende Euro ausstehender Gehälter von ihrem Arbeitgeber - einer polnischen Spedition. Welcher Kunde genau hinter der Zahlung steckt, ist unklar. Vertreten hat ihn eine Art Zwischenhändler bzw. Geldbote aus Österreich, der das Geld nach Gräfenhausen gebracht hat.

Weißer BMW bringt Cash in schwarzer Laptoptasche vorbei

Unser Reporter, der die Geldübergabe vor Ort verfolgt hat, berichtete, dass ein weißer LKW und ein weißer BMW aus Österreich auf die Raststätte gefahren seien. Die 20.000 Euro in bar habe der Geldbote in einer schwarzen Laptoptasche dabei gehabt. Nachdem die Waren, Bauteile für eine Fabrik, aus einem der Streik-LKW in den weißen LKW aus Österreich geladen wurden, habe der Geldbote das Geld an die Fahrer übergeben. Danach brach zwar großer Jubel aus. Der Streik geht aber weiter.

Vermittler: Hoffen auf Dominoeffekt

Der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema, der von den Fahrern mit der Verhandlungsführung beauftragt wurde, sagte: "Wir hoffen, dass das einen Dominoeffekt auslöst." Die mittlerweile etwa 90 Fahrer aus Georgien, Usbekistan und anderen Ländern streiken, um ausstehende Löhne durchzusetzen. Einige von ihnen wurden seit Monaten nicht bezahlt, ein usbekischer Fahrer gab an, seit mehr als einem Jahr keinen vollständigen Lohn mehr bekommen zu haben.

Fahrer fordern über 500.000 Euro

Angesichts von mehr als 500.000 Euro, die die Fahrer fordern, sei die Summe von 20 000 Euro vielleicht ein kleiner Schritt, "aber strategisch ein wichtiger Schritt", sagte Atema. Er hoffe, dass andere Kunden des Speditionsunternehmens dem Beispiel folgen.

Notarzt musste schon mehrmals kommen

Sorgen macht auch die Gesundheit der Trucker. Das berichtete Edwin im Gespräch mit HIT RADIO FFH. Er hoffe jeden Tag, dass kein Fahrer leblos in der LKW-Kabine liege, so Atema gegenüber unserem Reporter. Es sei gut, dass sich das Wetter mittlerweile ein wenig abgekühlt habe. Die hohen Temperaturen hatten den Truckern in den vergangenen Wochen stark zugesetzt. Selbst der Notarzt habe schon mehrfach anrücken müssen, sagt Atema.

Fahrer warten wohl seit Monaten auf Lohn

Die streikenden Fahrer warten nach eigener Aussage teilweise seit fünf Monaten auf ausstehenden Lohn, es gibt auch Klagen über intransparente Abzüge. Der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema wies darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen der Männer gegen deutsches und europäisches Recht verstießen. So lebten sie seit Monaten durchgehend in den Kabinen der Lastwagen, da die Spedition an arbeitsfreien Wochenenden keine andere Unterbringung organisiere. "Die Fahrer denken, dass das Problem nur gelöst werden kann, wenn die Generalunternehmer Verantwortung übernehmen", sagte Atema.

Debatte über Arbeitsbedingungen im europäischen Gütertransport

Auch die Europaparlamentarierin Gaby Bischoff (SPD) hat sich auf der südhessischen Raststätte über die Situation der dort streikenden Fahrer aus Usbekistan, Georgien und anderen Staaten Osteuropas und Zentralasiens informiert. Bischoff hatte bereits im Frühjahr anlässlich eines ähnlichen Streiks im Europaparlament eine Debatte über die Arbeitsbedingungen im europäischen Gütertransport initiiert.

Sozialdemokratin: Ausbeutung und Lohnraub in Europa

"Wir haben als Europäisches Parlament das Straßenverkehrsgesetz geändert, um sicher zu stellen, dass so eine Ausbeutung nicht passieren kann, dass Fahrer anständige Löhne erhalten, wenn sie in Europa arbeiten - egal wo sie arbeiten", sagte Bischoff. Die besten Gesetze hätten aber keine Wirkung, wenn sie nicht eingehalten oder kontrolliert würden. "Der europäische Arbeitsmarkt funktioniert nicht, wenn wir nicht sicherstellen, dass es solche Ausbeutung und solchen Lohnraub in Europa nicht geben kann", betonte die Sozialdemokratin.