2G kommt flächendeckend - Hessen berät Corona-Beschlüsse
Wie genau werden die Beschlüsse aus den Bund-Länder-Beratungen gestern in Hessen jetzt umgesetzt? Darüber hat am Nachmittag die Landesregierung in Wiesbaden beraten, am Abend wurden die Details bekanntgegeben.
Bund und Länder hatten sich bei ihren Corona-Beratungen auf flächendeckende Zugangsbeschränkungen im öffentlichen Leben für nicht geimpfte Menschen geeinigt. So sollen nur noch Geimpfte oder Genesene (2G) Zutritt etwa zu Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gastronomie sowie zu körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen haben. Kontrolliert werden soll das in Hessen intensiv, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier bereits gestern Abend.
Die Maßnahmen sollen laut Beschluss in drei Stufen greifen - abhängig vom Hospitalisierungswert.
Entscheidend ist der Hospitalisierungswert
Die Regel 2G soll laut Bouffier dann greifen - sofern noch nicht geschehen -, wenn die für das jeweilige Land ausgewiesene Hospitalisierungsrate den Schwellenwert 3 überschreitet. Das ist die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. In Hessen liegt der Hospitalisierungswert derzeit bei 4,8.
2G-plus wenn Hospitalisierungsrate über 6 liegt
Wenn die für das jeweilige Land ausgewiesene Hospitalisierungsrate den Schwellenwert 6 überschreitet, soll die sogenannte 2G-plus-Regel gelten. An Orten mit besonders hohem Infektionsrisiko - etwa Diskotheken, Clubs oder Bars - sollen Geimpfte und Genesene demnach zusätzlich einen aktuellen Corona-Test vorzeigen müssen.
Weitere Maßnahmen bei einem Hospitalisierungswert über 9
Spätestens bei Überschreiten des Schwellenwerts von 9 sollen die Länder dann von weitergehenden Beschränkungen Gebrauch machen. Dies zielt auf eine vom Bundestag beschlossene Klausel: Nach einem entsprechenden Landtagsbeschluss sollen die Länder auch härtere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen verhängen können.
Impfpflicht unter anderem in Krankenhäusern
Dringendes Thema von Bund und Ländern war auch, bei den Impfungen Tempo zu machen. Beschlossen wurde eine Impfpflicht "einrichtungsbezogen" für Personal in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten, wenn Kontakt zu besonders gefährdeten Personen besteht, so Ministerpräsident Bouffier. Die Länder baten den Bund, die Impfpflicht "schnellstmöglich umzusetzen". Selbst versprachen sie bessere Kontrollen etwa von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen.
Fabian Dzewas-Rehm ist bei der Gewerkschaft Verdi für die Unikliniken Gießen und Marburg zuständig - er hat für die angestrebte Impfpflicht im Pflegebereich wenig Verständnis. Auf FFH-Nachfrage sagte Dzewas-Rehm, dass seiner Erfahrung nach die allermeisten Beschäftigten geimpft seien. Das Problem der Pflege liege woanders - etwa bei der nicht ausreichenden Bezahlung.
Wirtschaftshilfen sollen weiterhin bestehen bleiben
Da die Beschlüsse auch Konsequenzen für Gewerbtreibende haben können, versprach Bouffier, dass die Wirtschaftshilfen für Betroffene weiter verlängert werden.
Booster-Impfungen sollen jedem angeboten werden
Bouffier betonte, dass die Auffrischimpfungen in Einklang mit der Empfehlung der Stiko jedem ab 18 Jahren angeboten werden sollen. Schwerpunkt seien aber nach wie vor die älteren und kranken Menschen. Flächendeckend sollen in Hessen Möglichkeiten geschaffen werden, die Impfungen auch durchführen zu können. Das Land werde die Kosten für die Kommunen übernehmen und sich die Hälfte selbst vom Bund erstatten lassen, so Bouffier.
AfD: "Spaltung der Gesellschaft"
Scharfe Kritik an den Bund-Länder-Beschlüssen kommt von der AfD. Robert Lambrou, AfD-Fraktionschef im Hessischen Landtag, sagte auf FFH-Nachfrage: "Das ist de facto ein Lockdown für Ungeimpfte. Und das ist die Spaltung der Gesellschaft." Hätte man sich im Sommer bemüht, die Zahl der Intensivbetten zu erhöhen, Pflegekräfte auszubilden und anzuwerben, dann wären radikalen Maßnahmen jetzt nicht notwendig, so Lambrou.
Gaststättenverband: "2G+ ist nicht umsetzbar"
Steigt die Hospitalisierungsinzidenz über den Wert 6, würde in den meisten gesellschaftlichen Bereichen (ausgenommen zum Beispiel Supermärkte) 2G-plus gelten. Das heißt: Auch Geimpfte und Genesene brauchen dann einen tagesaktuellen negativen Schnelltest. "Das ist nicht praktikabel", kritisiert das Julius Wagner im Gespräch mit HIT RADIO FFH, Hauptgeschäftsführer des hessischen Hotel- und Gastro-Verbandes Dehoga." Man müsse ja Fragen stellen, wo sollen sich die Leute testen lassen, wird das gleich an der Eingangstür kontrolliert? "Das gäbe das reinste Chaos. Regeln des Staates müssen auch umsetzbar sein."
In Bayern würde die in der Bund-Länder-Schalte beschlossene 2G-plus-Regelung bereits zur Anwendung kommen. Dort droht Dehoga nun mit einer klage. "Flächendeckendes 2G plus im Gastgewerbe ist nicht verhältnismäßig und bedeutet auch durch die fehlenden Testkapazitäten einen De-facto-Lockdown für viele Betriebe", sagte der bayerische Landesgeschäftsführer Thomas Geppert. "Wir behalten uns vor, dies auch gerichtlich auf Verhältnismäßigkeit zu prüfen."
Patientenschützer kritisieren Indikator Hospitalisierungsrate
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, die Hospitalisierungsrate sei weder eine aktuelle Zahl, noch spiegele der Wert die tatsächliche Belastung der Krankenhäuser wider. Überfällig sei ein "Covid-19-Radar" für die Kliniken, der tagesaktuelle Parameter in den Blick nehme. Dazu gehörten Corona-Infizierte, Covid-19-Erkrankte, Corona-Verstorbene und die Auslastung aller Stationen.
Die der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, ob die geplanten Maßnahmen reichten, um die Corona-Lage in den Griff zu bekommen, müsse sich zeigen. "Wichtig ist, dass wir bis zur vereinbarten Evaluation der Beschlüsse am 9. Dezember gezielt Daten und Erkenntnisse darüber erheben und sammeln, welche Maßnahmen wirken und wo nachgeschärft werden muss."
Die AfD-Fraktion in Hessen kritisierte die Maßnahmen scharf als unverhältnismäßig.
"Das wird eine Herkulesaufgabe"
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hält die neuen Beschlüsse für umsetzbar, fordert aber Hilfe für die Kommunen. "Das wird eine Herkulesaufgabe", sagte Landsberg im ZDF-"Morgenmagazin". Die Kommunen stünden zur Umsetzung bereit, erwarteten aber eine Unterstützung der Länder, etwa durch die Polizei bei den nötigen Kontrollen. Gleichwohl habe man Erfahrung in der Pandemie gesammelt. "Ich sage mal, wir schaffen das", fügte Landsberg hinzu.