Steuerentlastungen, E-Rezept - Ampel beschließt zahlreiche Vorhaben
"Wir werden hämmern und klopfen aber mit Schalldämpfern." Das gibt Kanzler Scholz als Devise für seine Ampel-Regierung in der zweiten Halbzeit der Wahlperiode aus. Die erste Nagelprobe wird nicht lange auf sich warten lassen.
Steuererleichterungen für die Wirtschaft, Digitalisierung des Gesundheitswesens, weniger Bürokratie für alle: Nach viel Streit ist die Ampel-Regierung mit einem Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft und Entlastung von Verbrauchern in die zweite Hälfte der Wahlperiode gestartet. Zum Abschluss einer zweitägigen Klausurtagung beschloss das Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz außerdem eine Reform des Bundesnachrichtendiensts, eine Strategie für die Nutzung Künstlicher Intelligenz und erklärte Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsländern von Migranten.
Endlich Ruhe in der Ampel?
Ob das Bündnis von SPD, Grünen und FDP mit den Maßnahmen aus dem Umfragekeller kommen kann, wird sich erst noch zeigen. Jedenfalls gelobten in Meseberg alle Besserung und verständigten sich auf ein Regieren ohne das laute öffentliche Poltern der vergangenen Monate. "Wir werden hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfern", sagte Regierungschef Scholz (SPD), als er nach der Klausur eingerahmt von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Ergebnisse des zweitägigen Treffens vorstellte.
Zuvor hatte Linder die Regierungsarbeit mit einem ähnlichen Bild beschrieben. "Wir sind eine Regierung, wo gehämmert, geschraubt wird. Das führt zu Geräuschen, wie Sie schon festgestellt haben. Aber es kommt eben auch was raus."
Der harte Kern saß bis kurz vor zwei zusammen
In Meseberg gaben sich die Koalitionäre - wie bei den vier Klausuren zuvor - wieder größte Mühe, ein Zusammengehörigkeitsgefühl herzustellen. Am Dienstagabend saßen sie bis Mitternacht zusammen. Der Soziologe Steffen Mau sprach über gesellschaftliche Spaltung und gab den Tipp, dass eine einheitliche Regierungskommunikation hilfreich sei. Es wurde gegrillt. Der harte Kern drehte noch eine Extra-Runde bis kurz vor zwei Uhr nachts.
Bei der Pressekonferenz am nächsten Morgen gab sich das Führungstrio des Kabinetts dann sichtlich Mühe, sich nicht zu widersprechen. "Ich kann mich dem Bundeskanzler nur in allen Punkten anschließen", sagte Lindner auf die Frage nach Maßnahmen zur Dämpfung der hohen Energiekosten für die Wirtschaft, über die die Bundesregierung noch nicht entschieden hat.
Kampf gegen die Wirtschaftskrise: Was kommt und was noch fehlt
Genau diese Frage dürfte aber zur Nagelprobe für die guten Vorsätze der Regierung werden. Das Kabinett beschloss in Meseberg zwar ganze 50 größere und kleinere Steuererleichterungen für die Wirtschaft. Für viele Unternehmen ist die Senkung der Energiekosten jedoch die wichtigste Frage. "Deutschlands Industrie sendet SOS, aber die Bundesregierung ignoriert weiter die akute Notlage", kritisierte die besonders betroffene Chemische Industrie sofort.
Doch zu viel Hoffnung kann sich die Wirtschaft nicht machen - zumindest nicht auf eine schnelle Lösung. Scholz, Habeck und Lindner vermieden es am Mittwoch, ihre Differenzen zu einem staatlich subventionierten Industriestrompreis öffentlich auszutragen. Klar ist: Habeck ist dafür, Lindner dagegen, Scholz zumindest skeptisch. Alternative könnte eine Senkung der Stromsteuer sein, die aber wohl teurer wäre und wenig Anreiz zum Energiesparen gäbe.
Für die Unternehmen dürfte zweitrangig sein, ob ihnen nun mit Industriestrompreis oder über die Stromsteuer geholfen wird - Hauptsache die Ampel handelt. Andernfalls drohe eine Deindustrialisierung, warnt die Chemieindustrie. Da könnten dann auch alle anderen staatlichen Stützen wie die am Mittwoch beschlossenen Möglichkeiten zur Abschreibung und Verlustverrechnung nicht mehr helfen. Durch dieses "Wachstumspaket" sollen die Unternehmen bis 2028 mehr als 32 Milliarden Euro sparen. Doch in der aktuellen Lage reiche das nicht aus, betonten direkt mehrere Verbände.
Bürokratie: Operation Papiersparen
Wichtig für die Wirtschaft ist auch, dass der Bürokratieabbau in Gang kommt. Justizminister Marco Buschmann hat dazu in Meseberg einen ganzen Katalog von Maßnahmen zusammengetragen, der bis Ende des Jahres Gesetz werden soll. An vielen Stellen sollen Daten künftig auch in digitaler Form vorgehalten oder übermittelt werden statt wie zwingend auf Papier. So müssen Hotels nicht mehr für jeden einzelnen Gast einen Meldeschein ausfüllen.
Aber reicht das? Der Zentralverband des Deutschen Handwerks reagierte enttäuscht. Das Eckpunktepapier bleibe hinter den Möglichkeiten zurück, meint Generalsekretär Holger Schwannecke. Der Familienunternehmer-Verband sprach von einem bloßen Lippenbekenntnis.
Lauterbach: "Dramatischer Durchbruch" bei Patientenversorgung
Bei der vielfach schleppenden Digitalisierung in Deutschland will die Koalition zwei Projekte in Fahrt bringen, die Breitenwirkung für Millionen Menschen haben: Ab Anfang 2024 sollen in allen Praxen und Apotheken E-Rezepte Standard sein. Und ab Anfang 2025 sollen dann alle gesetzlich Versicherten E-Patientenakten als Datenspeicher für gebündelte Gesundheitsdaten eingerichtet bekommen - außer man lehnt das ab. Als Wahlangebot werden sie bisher kaum genutzt. Für eine bessere Versorgung soll das einen "dramatischen Durchbruch" bringen, meint Minister Karl Lauterbach (SPD).
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