Bluttat in Aschaffenburg: Verdächtiger hätte in Haft sitzen sollen
Bluttat in Aschaffenburg - Verdächtiger hätte in Haft sitzen sollen
Der mutmaßliche Attentäter von Aschaffenburg hätte zur Tatzeit eigentlich im Gefängnis sitzen sollen. Laut Staatsanwaltschaft Schweinfurt habe er wegen vorsätzlicher Körperverletzung am 23. Dezember eine 40-tägige Haft antreten sollen.
Das tat der 28-jährige Afghane jedoch nicht.
Gesetzliche Regel im Weg
Grund dafür sei die gesetzliche Regel, dass ein Gericht bei zwei verschiedenen Verurteilungen unter bestimmten Bedingungen eine sogenannte Gesamtstrafe bilden muss, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Erst dann sei klar, wie lang der Verurteilte tatsächlich in Haft muss - oder wie viel Geld er zahlen muss. Mehrere Medien hatten zuvor über den Vorgang berichtet.
Zu Geldstrafe verurteilt
Im Fall des Verdächtigen von Aschaffenburg war der Mann an zwei verschiedenen Gerichten zu Geldstrafen verurteilt worden. Die erste Geldstrafe zahlte er nicht, weshalb er am 23. Dezember 2024 eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen antreten sollte - was er aber nicht tat. In der Zwischenzeit sei zudem das zweite Urteil mit Geldstrafe rechtskräftig geworden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
28-Jährige blieb auf freiem Fuß
Deshalb habe das Amtsgericht Schweinfurt erst über eine Gesamtstrafe entscheiden müssen - was aber "unter anderem wegen zwingend erforderlicher Zustellungen und Übersetzungen" bisher nicht erfolgte. So blieb der 28-Jährige bis zum 22. Januar auf freiem Fuß - was aber mit Blick auf die Gerichtsverfahren auch der Fall gewesen wäre, wenn er seine Geldstrafen wie gefordert bezahlt hätte.
Trauerfeier am Sonntag
Der 28-Jährige soll am Mittwochmittag im Park Schöntal in der Innenstadt eine Kindergartengruppe angegriffen und einen zweijährigen Jungen marokkanischer Herkunft sowie einen 41-jährigen Deutschen getötet haben. Der Mann wollte die Kinder offenbar beschützen. Am Sonntag soll in der Stiftskirche in Aschaffenburg eine Trauerfeier stattfinden. Aus Sicherheitsgründen würden dafür unter anderem Straßen gesperrt, sagte eine Sprecherin der Stadt. Zum Gottesdienst sind nur geladene Gäste zugelassen. Ob auch Angehörige der Opfer teilnehmen werden, war zunächst unklar.
Übertragung im Internet
Die Gedenkfeier mit ökumenischem Gottesdienst soll um 10:30 Uhr beginnen. Sie wird für Zuschauer, die nicht in die Kirche kommen können, auf einer Leinwand auf dem Stiftsplatz übertragen. Zudem soll sie auf dem YouTube-Kanal der Stadt Aschaffenburg zu sehen sein.
Tatverdächtiger in psychiatrischer Einrichtung
Eine Ermittlungsrichterin am Amtsgericht hat eine einstweilige Unterbringung des Verdächtigen in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dort befinde der Mann sich inzwischen, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Einen Unterbringungsbefehl gibt es in der Regel, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass ein Verdächtiger zur Tatzeit aufgrund einer psychischen Erkrankung schuldunfähig war. Dem Mann wird zweifacher Mord, zweifacher versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen
Schock in Aschaffenburg
Unser Reporter hat in Aschaffenburg viele betroffene und schockierte Anwohner am Tatort getroffen. Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing sagte nach der Tat: "Ich bin schockiert, zutiefst erschüttert und mit dem Herzen bei den Opfern und ihren Angehörigen". Auch die Politik hat reagiert. Mehrere Politiker haben inzwischen ihr Mitgefühl mit den Opfern ausgedrückt und teilweise konsequentere Abschiebungen von Straftätern gefordert.
Reaktionen von Politikern: Abschiebungen vereinfachen?
Mitten im Bundestagswahlkampf die gegenseitigen Schuldzuweisungen weiter. Bundeskanzler Olaf Scholz hat den bayerischen Behörden Versäumnisse bei der Umsetzung bestehender Asylregeln vorgeworfen. "Es gibt offensichtlich Vollzugsdefizite, insbesondere in diesem Fall bei den bayerischen Behörden, die ein großes Problem sind", sagte Scholz.
Er verwies darauf, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen habe, um Abschiebungen zu erleichtern. "Die Regierung wird alles dafür tun, dass wir den Kurs fortsetzen, den wir eingeschlagen haben", sagte der Kanzler. "Aber es gibt erkennbar ein erhebliches Vollzugsdefizit. Und deshalb muss es jetzt aufhören, dass nicht alle alles tun dafür, dass man diejenigen, die nicht hier bleiben können, hier nicht auch zurückführt."
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach im ZDF-"heute journal" von Versäumnissen auch in Bayern.
Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) wies Vorwürfe in den ARD-"Tagesthemen" zurück. Zu der Frage, ob Abschiebungen besser in die Zuständigkeit des Bundes übergehen sollten, sagte er: "Wenn der Bund sagen würde (...), er will das alles übernehmen, hätte ich nichts dagegen - aber das ist keine Forderung, die wir an den Bund richten."
Söder verliert Geduld
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drückte Empörung aus: "Es reicht. Es reicht. Es reicht. Wie viel eigentlich noch? Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Was kommt vielleicht als Nächstes? Das sind alles keine Zufälle, sondern die Folge einer Kette einer falschen, jahrelangen Migrationspolitik", sagte er in München.
Grenzen für illegale Migration schließen
24 Stunden nach der Tat sagt er einen harten Kursschwenk in der Migrationspolitik nach der angestrebten Regierungsübernahme im Bund voraus. Faktisch werde es "eine Grenzschließung für illegale Migration" geben. Darüber und über weitere Schritte habe er sich mit Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) verständigt.
Psychische Probleme
Der mutmaßliche Gewalttäter hatte nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine gerichtlich bestellte Betreuerin. Grund seien die psychischen Probleme des Afghanen gewesen, der mehrmals in ein Bezirkskrankenhaus eingewiesen worden sei und auch Medikamente bekommen habe.
Klinik-Entlassungen prüfen
Es müsse nun überprüft werden, nach welchen Kriterien solche Menschen wieder aus einer Klinik lassen werden, "weil wir sehen, wie gefährlich die Situation sein kann". Bei Ausländern plädierte der Minister für die Möglichkeit, sie direkt aus der Unterbringung ins Ausland abschieben zu können. Dies funktioniere aber derzeit beispielsweise mit Afghanistan nicht.
Abschiebung scheiterte an verstrichener Frist
Der mutmaßliche Angreifer hatte Herrmann zufolge selbst Anfang Dezember 2024 den Behörden schriftlich angekündigt, ausreisen zu wollen. Zuvor habe der 28-Jährige aber unter anderem wegen einer verstrichenen Frist nicht abgeschoben werden können. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe den Asylantrag des Mannes zwar am 19. Juni 2023 abgelehnt und nach den Regeln des Dublin-Verfahrens eine Abschiebung nach Bulgarien angeordnet, sagt Herrmann.
Probleme zwischen Bund und Land
Den Afghanen selbst habe die Behörde wohl auch darüber informiert. Die bayerischen Ausländerbehörden habe das Bamf aber "aufgrund welcher Fehler und Probleme auch immer" erst am 26. Juli, also mehr als einen Monat später, in Kenntnis gesetzt - wenige Tage vor Ablauf der Frist für die Abschiebung. Es sei "offenkundig", dass eine bayerische Behörde "nicht innerhalb von sechs Tagen" eine derartige Rückführung organisieren könne - "noch dazu, wenn das völlig unvorbereitet entsprechend kommt", sagt Herrmann. Das Bamf äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Papiere für Ausreise fehlten wohl noch
Dass der Mann die Ausreise-Ankündigung später nicht in die Tat umsetzte, lag laut Herrmann wohl auch daran, dass er die dafür benötigten Papiere vom afghanischen Generalkonsulat bisher nicht erhalten hatte - und damit nicht ausreisen konnte.
Hessens Innenminister fordert konsequentere Abschiebungen
Hessens Innenminister Roman Poseck fordert nach der Messerattacke konsequente Abschiebungen - auch nach Syrien oder Afghanistan. "Ich trete schon seit längerem dafür ein, dass wir mit Straftätern, die zu uns gekommen sind, konsequenter umgehen. Dazu gehört für mich, dass sie in ihre Heimatstaaten zurückgeführt werden", sagte Poseck bei einer Veranstaltung in Frankfurt.
Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein forderte im Gespräch mit der Ippen-Mediengruppe "einen kompletten Kurswechsel in der Migrationspolitik".
Schon durch Gewalt aufgefallen
Der Afghane ist den Behörden bereits in der Vergangenheit wegen Straftaten aufgefallen, "unmittelbar in den jeweiligen Asylunterkünften, wo er sich aufgehalten hat", wie Herrmann sagt. In drei Fällen sei es zu Tätlichkeiten gegenüber anderen Menschen gekommen. Dies sei dann auch immer Anlass für eine weitere psychiatrische Behandlung gewesen.
FFH-Reporter Yanik Schick am Donnerstag vor Ort:
FFH-Reporter Yanik Schick am Mittwoch vor Ort:
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