Debatte um Asylreform - Der Streit um Mehrheiten mit und ohne AfD
Die SPD und die Grünen benötigen die Unterstützung der Union, um eine Mehrheit für ihre geplanten Entscheidungen zur Asylpolitik zu erlangen. Geplant ist unter anderem, dass Asylanträge bereits an den EU-Außengrenzen bearbeitet werden sollen. In Deutschland könnten solche Verfahren dann direkt an den Flughäfen abgewickelt werden.
Zudem stehen ein Sicherheitspaket für das Bundeskriminalamt (BKA) und ein Reformpaket für die Bundespolizei zur Debatte, welche noch in dieser Woche beschlossen werden könnten.
Abgrenzung zur AfD
Die Ministerpräsidenten der SPD rufen zur klaren Abgrenzung von der AfD auf. In einem Brief betonen sie, dass die Brandmauer zwischen demokratischen und undemokratischen Parteien nicht ins Wanken geraten dürfe. Sie fordern, dass sich die Entwicklung, die auf kommunaler Ebene bereits stattfindet, weder auf Landes- noch Bundesebene fortsetzen sollte.
Brandmauer-Debatte
Im Gegenzug fordert die Union, SPD und Grüne sollen ihren Anträgen zustimmen. Thorsten Frei von der CDU erinnerte an Tötungsfälle mit ausländischen Tatverdächtigen und erklärte, dass Kompromisse nicht länger tragbar seien. Andrea Lindholz von der CSU kritisierte die Brandmauer-Debatte als Ablenkung. Sie betonte, die Union habe sich Vorhaben von übergeordneter Bedeutung nicht verschlossen.
Forderungen der Union
Die Union fordert dauerhafte Grenzkontrollen und eine strikte Zurückweisung illegaler Einreiseversuche, auch bei einem Asylgesuch. Weiterhin schlagen sie Abschiebehaft für ausreisepflichtige Personen und mehr Unterstützung der Bundesländer bei der Ausreisepflicht vor. Auch ein verschärftes Aufenthaltsrecht für Straftäter und Gefährder gehört zu ihren Forderungen. Sie möchten nationales Recht vorrangig anwenden, wenn EU-Regelungen versagen.
Merz hält Asylverschärfungen für umsetzbar
Dauerhafte Kontrollen an allen deutschen Grenzen und deutlich mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber seien praktisch umsetzbar, machte Merz deutlich. "Die deutsche Bundespolizei hat ein sicheres Gespür dafür, wen sie rauswinken muss und wen nicht." Der Grenzverkehr funktioniere dann weitestgehend störungsfrei. Mehr Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber dürften nicht daran scheitern, dass es die nötige Infrastruktur nicht gebe, um sie in Gewahrsam zu nehmen. Unterbringungsmöglichkeiten müssten so schnell wie möglich geschaffen werden. Möglich seien Containerbauten, es gebe außerdem leerstehende Kasernen.
FDP-Spitze stellt sich an die Seite von Merz
Die FDP-Spitze unterstützt die Vorschläge von Merz. Deren Geist entspreche dem, "was wir unter einer neuen Realpolitik in der Migration verstehen, nämlich mehr Kontrolle und Ordnung", sagte der designierte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann nach einer Präsidiumssitzung in Berlin. "Wer sich diesem Thema verweigert, der macht die Extremisten nur groß." Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die AfD mit ihrem Stimmverhalten Einfluss auf das Verhalten der anderen Parteien nehmen könne. FDP-Chef Christian Lindner hatte schon am Morgen im Deutschlandfunk Billigung signalisiert und gesagt: "Das ist mir sogar egal, ob die AfD dort mitstimmt." Es gehe um ein politisches Signal des Bundestages.
Auch BSW will zustimmen
Auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat Zustimmung zu den Plänen von Merz geäußert. Ohne die AfD hätte die Union gemeinsam mit FDP und BSW aber keine Mehrheit jenseits von SPD und Grünen. Die Linke hält die Vorschläge von Merz für rechtswidrig und nutzlos. Wenn dieser Mehrheiten mit der AfD im Bundestag in Kauf nehme, öffne er "die Büchse der Pandora", sagte Linken-Chefin Ines Schwerdtner in Berlin.
Harte SPD-Attacken auf Merz
CDU und CSU hätten in den vergangenen Wochen unter anderem ein Sicherheitspaket mit mehr Befugnissen für die Behörden und eine Reform des Bundespolizeigesetzes blockiert, kritisierte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch in Berlin. Außerdem solle die europäische Asylreform zur Steuerung von Migration in Deutschland schnell umgesetzt werden. "Unsere Vorschläge diskutieren wie gerne - erneut - mit allen demokratischen Fraktionen", heißt es in einem Vorstandsbeschluss der SPD. SPD-Chefin Saskia Esken sagte der Funke Mediengruppe, Merz spiele mit dem Feuer und versuche, die demokratischen Parteien zu erpressen, indem er mit einer Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten der AfD drohe. Sollte es dazu kommen, wäre dies ein "beispielloser Tabubruch in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland", meinte Miersch.
Habeck warnt vor Ende des Rechtsstaats
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnte vor einem Ende des Rechtsstaats. "Die Anträge sind in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig, und man kann nicht sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern", sagte er in den ARD-"Tagesthemen". Wenn man damit anfange, Europarecht zu brechen, dann gehe Europa kaputt, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Für die Verunsicherung, die durch die Debatte bei den europäischen Partnern entstehe, wolle sie sich entschuldigen.
Gewerkschaft: Für Merz-Pläne fehlen Zehntausende Polizisten
Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind die Pläne von Merz ohne Tausende neue Mitarbeiter nicht umzusetzen. "Benötigt würden sicherlich 8.000 bis 10.000 zusätzliche Kräfte, um die Grenze umfänglich zu kontrollieren", sagte der GdP-Chef für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der "Rheinischen Post". Die Bereitschaftspolizei unterstütze bereits jetzt jede Woche mit etwa 1.000 Kolleginnen und Kollegen an der Grenze.
Kompromissbereitschaft
Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, zeigte sich kooperativ. Auf einer Sonder-Innenministerkonferenz herrschte Einigkeit zwischen SPD- und Unionsländern über die Notwendigkeit der Begrenzung der Migration. Die Methoden blieben jedoch umstritten. Reul ermutigte zu zeigen, dass bürgerliche Kräfte Lösungen bieten können, ohne auf die AfD angewiesen zu sein.
Österreichs Kanzler kritisiert Merz' Vorhaben
In Österreich werden Merz' Pläne für eine grundsätzliche Zurückweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Landgrenzen teils kritisch gesehen. "Wir brauchen - das wissen wir alle - gemeinsame Lösungen", sagte der geschäftsführende österreichische Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am Rande eines EU-Treffens in Brüssel. "Wenn jeder von uns jetzt einzeln einfach die Zugbrücken hochzieht, dann sind wir alle ärmer und keiner ist sicherer." Auch die rechte FPÖ aus Österreich meldete sich zu Wort. Parteichef Herbert Kickl wies darauf hin, dass die Asyl-Pläne von Merz schon seit längerem von der FPÖ gefordert würden. Kickl verhandelt derzeit mit der konservativen ÖVP über eine Koalition unter Führung der FPÖ. "Österreich geht vor, Deutschland folgt nach", meinte Kickl zu seinen Plänen, Asylwerber an der Grenze zurückzuweisen.
Hintergrund der Debatte
Der Auslöser der aktuellen Debatte war ein Messerangriff in Aschaffenburg. Ein ausreisepflichtiger Afghane, möglicherweise mit psychischer Beeinträchtigung, tötete einen zweijährigen Jungen und einen eingreifenden Mann. Weitere Attacken mit ausländischen Tatverdächtigen sorgten für Aufruhr. Vor dem Hintergrund des laufenden Bundestagswahlkampfs wird die Debatte hitzig geführt.