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Heute Morgen Blind Date von Julian Nestle. Thomas Adam hat sie getroffen. Er war, man kann durchaus sagen Jahrzehnte, auf den Straßen von Frankfurt und hatte keine feste Unterkunft und hat uns davon wirklich beeindruckend berichtet. Hallo nochmal Thomas. Hallo. Du hast inzwischen, wenn du jetzt sagst, ich erwisch dich jetzt gerade zu Hause, freut mich das, weil es sagt mir, du hast ein Zuhause. Ich hab endlich ein Zuhause. Super. Ein Zuhause, wo ich auch sagen kann, das ist mein Zuhause. Du bist seit 14 Jahren clean, aber ich denke mal, du wirst immer noch viele Kontakte zur Szene der Wohnsitzlosen haben. Die haben es eh nicht leicht. Ich habe mit einigen auch schon gesprochen. Inwiefern ist es jetzt noch schwerer geworden, seit Corona da ist? Natürlich ist das für mich als Obdachlosen, kommt natürlich erstmal erschwerend dazu, dass meine ganzen legalen Einnahmequellen völlig zum Erliegen gehören. Also das Schnorren quasi oder was gibt es da noch? Ja genau, also seit dem Lockdown, 15.3. keine Menschen, habe ich auch keinen, den ich anschnorren kann. Und wenn keine Menschen unterwegs sind, schmeißen sie auch keine leeren Flaschen weg. Haben die Unterkünfte noch aufgehabt in der Zeit? Die Unterkünfte haben natürlich noch aufgehabt, aber unter strengen Bedingungen natürlich. Und für mich als Obdachloser ist das natürlich nicht einfach, mich an diesen Regeln zu halten. Abstand halten und warten, einreisen. Hygiene, duschen, regelmäßig Händewaschen, geht das auch für die Leute, die tatsächlich noch auf der Straße leben? Nee, also mit den Händewaschen und so, das funktioniert natürlich dann nicht. Und auch dieser Spruch, wir bleiben zu Hause, das gilt natürlich zum Obdachlosen nicht. Wenn ich keins habe, kann ich nicht zu Hause bleiben. Weiß sich die Katze den Schwanz. In Wiesbaden, weiß ich, wurden am Hauptbahnhof Dixi-Klos hingestellt. In Frankfurt gab es wohl irgendwelche provisorischen Waschbecken. Also gab es irgendwas, wo man gesagt hat, naja, irgendeiner denkt schon an die Menschen, die keinen Wohnsitz haben. Ist vielleicht sogar in dieser Krise besser geworden oder sagst du, nee, Freund, das kannst du vergessen? Besser geworden ist dadurch nichts. Was natürlich gut geworden ist, viele Menschen, auch private Menschen, die jetzt nicht mit Einrichtungen zu tun haben, haben sich natürlich auf den Weg gemacht und haben Obdachlose mit Essen versorgt. Das war vorher nicht. Das war natürlich schön. Aber die Einrichtungen selbst, so WESA 5 und so weiter, die haben natürlich offen gehabt. Man konnte da Essen mitnehmen, man konnte sich da duschen, aber natürlich alles unter strengen Auflagen. Warten, warten, warten. Und das ist für Obdachlose nicht so einfach zu warten und sich einzureihen. Und inwieweit spüren die jetzt auch was von den Lockerungen, die jetzt von Woche zu Woche kommen? Nicht so viel. Nicht so viel. Nicht so viel, nicht so viel. Und da wir gerade beim Thema sind, also ich kann dir das ja ganz offen und ehrlich sagen, es ist ja nicht nur, dass die Einnahmequellen zum Erliegen kommen, sondern ich war Obdachlos, weil ich ja suchtkrank bin. Ich bin Alkoholiker. Und der Alkohol fragt nicht, woher er kommt. Hauptsache, er kommt. Und dadurch, dass natürlich auch nur eine beschränkte Kundenzahl beim Aldi reingelassen wurde und so, und jeder Kunde auch ein bisschen beobachtet wurde, konnte ich natürlich beim Aldi auch nicht aus Versehen mal eine Flasche Korn mitnehmen oder so. Das war natürlich alles etwas sehr, sehr, sehr Schwieriges. Bist du unfreiwillig braver geworden? So ungefähr, ja. Okay, immerhin. Das heißt, deine Alkoholsucht macht dir immer noch zu schaffen? Nein, heute nicht mehr. Heute lebe ich abstinent. Heute lebst du abstinent. Abstinent, ja. Super. Und wie, in welcher Form, also wie lebst du jetzt? Wenn du sagst, du hast Gott sei Dank wieder ein festes Dach über dem Kopf? Ich habe heute einen durchstrukturierten Tag, weil durch diese Stadtführung, die ich mache, habe ich eine sehr angenehme Aufgabe, wo ich ja auch aufkläre Menschen. Und die Einnahmen werden ja auch gespendet über die Frankfurter Stadt Events. Und für mich sind diese Führungen natürlich auch wichtig, weil Sucht ist eine unheilbare Krankheit. Also für mich sind diese Führungen natürlich auch Selbsttherapie. Absolut. Absolut Selbsttherapie. Und dass ich natürlich diese Einnahmen auch noch spenden kann, tue ich natürlich auch noch was Gutes. Das ist natürlich für mein Selbstwertgefühl und für das Leben, das ich heute führe, unwahrscheinlich gut und unwahrscheinlich wichtig. Wow. Ich habe Gänsehaut, wenn du das erzählst. Ich finde das richtig. Also macht, glaube ich, auch vielen Leuten Mut. Was ich immer höre, wenn du mit Leuten über Wohnsitzlose sprichst, sie sagen immer, ja, viele wollen ja gar nicht. Die wollen ja auf der Straße so leben. Manchmal habe ich das auch gespiegelt bekommen von Wohnsitzlosen selbst. Sie sagen, du, ich kann mir ein Leben so unterbinden. Ich habe manchmal aber das Gefühl, die reden sich, die sagen, okay, ich sage jetzt halt, ich habe keine andere Chance. In Wirklichkeit würden sie aber trotzdem einen Strohhalm ergreifen. Selbstverständlich. Selbstverständlich. Die hübschen sich das auf, indem sie sagen, ich will gar nicht. Damit machen sie sich selber, damit reden sie sich selber ein, ich will so weiter leben. Aber in Wirklichkeit will man da raus. Ich weiß das ja wieder selber von mir selber. Was war für dich der Kick, wo du gesagt hast, so, und jetzt diesen Strohhalm packe ich an und jetzt hole ich mich da raus. Also der Kick war, ich als Obdachloser Alkoholiker, war das letzte Glied in der gesellschaftlichen Kette. Keiner wollte was mit mir zu tun haben. Also ich habe auch in öffentlichen Verkehrsmitteln immer einen Viererplatz für mich alleine gehabt. Und ich wollte nicht mehr das letzte Glied in der gesellschaftlichen Kette sein. Die Menschen sagen dir das nicht direkt, aber die Mimik und so, wie man mit dir umgeht, das spürst du. Und ich wollte das einfach nicht mehr. Und mein Körper hat auch über die Jahre hin ziemlich abgebaut. Ja, das ist alles, das ist, und das Geile ist, dass du selber so reflektiert warst und hast das selber kapiert und Ding. Aber das muss eine verdammte Leistung gewesen sein, weil natürlich die Sucht und die Krankheit und die Umstände ja schon auch stark sind und einen daran hindern, überhaupt, sagen wir mal, den Arsch hochzukriegen. Ganz genau. Also Sucht ist eine Krankheit, die ist ja so, so, pflege, sage ich mal so, sie denkt ja mit. Das ist das, was so schwierig macht, da rauszukommen. Weil ich habe ja gesoffen, weil ich ein Problem habe. Und mein Problem ist eben, ich kann keine Nähe zulassen. Und mit Alkohol konnte ich Nähe zulassen und so hat sich eben die Sucht bei mir eingeschlichen und irgendwann funktioniert man nicht mehr. Du hast gerade ganz schön viel Nähe zugelassen, nämlich auch heute Morgen Julia Nestle mit ihrem Blind Date ein bisschen was erzählt und eben auch mir noch mal ein bisschen dafür ganz, ganz herzlichen Dank und großes Kompliment für die Lebensleistung, die du hinter dir hast, mein lieber Mann. Super, großartig. Du bist, glaube ich, für viele auch ein Vorbild. Das weiß ich nicht. Also da kriege ich, da habe ich noch keine Rückmeldung drauf. Ja, aber ich sage mal, wenn man das hört und ist in einer ähnlichen Situation, denkt man sich, du, wenn der Thomas das geschafft hat, probiere ich das auch. Ja, natürlich, das kann ich jedem nur nahelegen. Das, was ich kann, können auch andere haben. Ich bin kein Supermann. Und das Schöne ist ja auch, unser System bietet gute Unterstützung für Menschen an, so wie ich eine war. Also man kann es schaffen. Super. Ich danke dir ganz herzlich. Ja, vielen Dank für euer Interesse. Ganz liebe Grüße. Alles klar. Mach's gut, mein lieber. Ciao. Ja, ciao.