Verkehrsversuch in Gießen startet: Cityring wird Einbahnstraße
Umstrittenes Projekt in Gießen - Versuch macht City-Ring zur Einbahnstraße
Heute ist auf dem Gießener Anlagenring in der City die Umbauphase für einen großen Verkehrsversuch gestartet, der auch bundesweit als außergewöhnlich gilt und bereits vorab für Gesprächsstoff sorgt. Das Ziel ist, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger zu schaffen, Autos dürfen anlässlich des Versuchs nur noch in eine Richtung fahren.
Ziel der Maßnahme ist zum einen mehr Platz und Sicherheit für Fahrradfahrer und Fußgänger. Außerdem könnte das Projekt Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der Innenstadt sein, heißt es auf der Homepage der Stadt - deshalb geht auch kaum jemand davon aus, dass der Versuch nach der Laufzeit von einem Jahr wieder rückgängig gemacht wird.
Wirtschaftsvertreter sehen Versuch kritisch
Vertreter aus der Wirtschaft sehen den Verkehrsversuch kritisch, wollen ihn aber konstruktiv begleiten und keine Ängste schüren, wie es bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Gießen-Friedberg und der Kreishandwerkerschaft Gießen heißt. Es gelte, das Signal zu setzen: "Die Stadt ist auch weiter erreichbar und auch mit dem Auto erreichbar", sagte Daniel Kaiser vom Bereich Standortpolitik der IHK Gießen-Friedberg. Die Ergebnisse des auf ein Jahr angelegten Versuchs werde man gemeinsam mit der Stadt evaluieren und bei Bedarf auch darauf hinwirken, dass nachgesteuert werde.
Der mehrspurige Anlagenring wird während des Verkehrsversuchs zur Einbahnstraße für Autofahrer. Die inneren, gesperrten Spuren gehören nach einer Umbauphase dann Radfahrern, Fußgängern und Bussen. Konkret ist die Ostanlage vom Kennedyplatz (Arbeitsamt) bis zum Berliner Platz für Autofahrer gesperrt. Nicht alle Autofahrer waren heute früh darauf vorbereitet.
ADFC freut sich auf das Projekt
Beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) hingegen herrscht gespannte Vorfreude auf das Projekt, das auch neue Zielgruppen für das Fahrradfahrern erschließen könnte. So dürfte der Gewinn an Sicherheit vor allem Kindern und älteren Menschen zugutekommen, und auch Fußgänger werden profitieren, ist Jan Fleischhauer vom ADFC Gießen überzeugt. "Wir sind total dankbar, dass das endlich angegangen wird."
Wissenschaftliche Begleitung und Auswertung
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt, das ursprünglich auf einen Bürgerantrag zurückging, von Professor Stefan Hennemann vom Institut für Geographie und Wirtschaftsgeographie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Mit seinen Studierenden will er den Versuch ergebnisoffen und neutral auswerten. Die Stadt mit ihren Bedingungen biete beste Voraussetzungen für das Projekt.
Das müssen Autofahrer beachten
Zwar ist vorübergehend eine Umleitung ausgeschildert, doch Stadtsprecherin Claudia Boje rechnet mit einer Eingewöhnungsphase. "Das kennen wir doch von uns selbst. Da müssen wir alle ein bisschen Geduld miteinander haben", sagt sie zu HIT RADIO FFH. Die Stadt Gießen bietet online genaue Pläne zum Verkehrsversuch.
Umstellung des ganzen Rings erfolgt bis Oktober
Für Autofahrer geht es hier nur noch in die Gegenrichtung über die äußeren Fahrspuren. Rund ein Viertel des innerstädtischen Cityrings ist dann bereits Einbahnstraße. Die anderen Teilstrecken folgen, ab Oktober soll der gesamte Anlagenring für zunächst ein Jahr nur noch in eine Richtung befahrbar sein. Radfahrer, Fußgänger und Busse dürfen sich auf den ummarkierten gesperrten Spuren richtig breitmachen.
Umleitungsschilder sollen vorübergehend helfen
In der Umbauphase ist die Ostanlage in der gesperrten Richtung ganz dicht. Auch um neu zu markieren und Ampelanlagen auszutauschen. Nach dem Umbau wird die Ostanlage in der Richtung von Marburger Str./Kennedy Platz in Richtung Berliner Platz nur noch für Radfahrende und Busse befahrbar sein. Autofahrer nutzen dann nur noch den äußeren Ring in Einbahnrichtung.
Es soll vier Bauabschnitte geben
Die weiteren Bauabschnitte zur Einrichtung der Fahrradstraße folgen danach: Von der Nordanlage ab Kennedy-Platz in Richtung Oswaldsgarten/Neustadt (2. Bauabschnitt Anfang Juli bis Ende August), danach von der Neustadt/Oswaldsgarten bis Reichensand (3. Bauabschnitt Anfang August bis Ende August) und zuletzt vom Reichensand bis Berliner Platz (4. Bauabschnitt Ende August bis Ende September) (siehe Grafik anbei)
Nördliche Innenstadt schwerer erreichbar
Die Stadt Gießen weist darauf hin, dass sich Autofahrer in den nächsten Umbau-Wochen auf Neuerungen gefasst machen müssen. So werden vorübergehend Senckenbergstraße und Walltorstraße zur Sackgasse. Die nördliche Innenstadt ist nur über Nordanlage und Dammstraße erreichbar.