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> Mega-Verkehrsversuch in Gießen: Radler bekommen halben Anlagenring
25.04.2023, 06:48 Uhr
Mega-Verkehrsversuch in Gießen -
Das sagen die Anwohner vom Anlagenring
© FFH
Im Frühsommer soll der Verkehrsversuch auf dem Gießener Anlagenring starten und mehr Platz für Radfahrer bringen.
Es ist soweit: Ende Juni starten die Bauarbeiten für den wohl größten Verkehrsversuch, den es in Gießen bislang gegeben hat. Der mehrspurige Anlagenring mitten durch die Stadt wird für Autos zur Einbahnstraße. Auf den inneren Spuren werden dann nur noch Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs sein.
Der erste Abschnitt werde das Stück vom Berliner Platz zum Kennedy-Platz sein, erklärt Bürgermeister Alexander Wright im Gespräch mit HIT RADIO FFH. Es soll voraussichtlich Ende Juni fertig ummarkiert sein und dann freigegeben werden. Die drei weiteren Abschnitte würden im Anschluss umgebaut, sodass die Stadt derzeit von einer vollständigen Fertigstellung gegen Ende September ausgeht.
Hier hat die Stadt Gießen alle Infos zum Verkehrsversuch zusammengestellt
Erste Infoveranstaltung für betroffene Anwohner
Am Montagabend (24. April) hat die Stadt nun in einer ersten Infoveranstaltung auch die Anwohnerinnen und Anwohner der Innenstadt und Ladenbesitzer über das Vorhaben aufgeklärt. Zwei weitere solcher Veranstaltungen wird es noch geben, um alle direkt Betroffenen zu informieren ehe der Verkehrsversuch dann tatsächlich startet. Viele der Anwesenden hatten am Abend bereits viele Fragen an die Stadt und wirkten dem Vorhaben gegenüber erst einmal skeptisch, berichtet unsere Reporterin vor Ort. Mehrere sagten aber auch, sie werden die Fahrradspur selber nutzen.
Anwohner wollen den Versuch auf sich zukommen lassen
Heinz-Jörg Ebert, Chef vom Schuhaus Darré und Vorsitzender der Vereinigung BID Seltersweg fasst es folgendermaßen zusammen: "Mobilität verändert sich überall und Innenstädte verändern sich überall. Und dann sind wir, wenn es dann gelungen ist, begeistert - und wenn nicht, dann nehme ich den Bürgermeister beim Wort, wird es andere Wege geben."
Das sagen uns die Anwohner zum geplanten Verkehrsversuch
"In der Vorplanung hätte man das ein oder andere anders aufgreifen müssen, um später das Umland nach Gießen reinlocken zu können."
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Ich gehöre ja grundsätzlich zugegebenermaßen eher zu den Kritikern des Verkehrsversuchs. Ich glaube, hier ist in der Vorplanung, hätte man das ein oder andere deutlich anders aufgreifen müssen, um später vor allen Dingen auch das Umland viel nach Gießen reinlocken zu können. Das ist wichtig und das fehlt mir ganz gewaltig an dieser Stelle. Ich persönlich bin schon viele Jahre der Meinung, dass die innere Anlage eine Einbahnstraße werden sollte, damit die Menschen, die am Anlagenring wohnen, ruhiger wohnen. Ich werde sie auch selbst nutzen, aber ich werde auch das Auto benutzen. Und das ist ja auch das Ziel des Verkehrsversuchs, dass sich alle, die Autofahrer, die Fahrradfahrer, die Fußgänger und auch der ÖPNV auf einer Ebene in Gießen begegnen und eine vernünftige Verbindung miteinander eingehen. Ich glaube, Mobilität verändert sich überall und Innenstädte verändern sich überall. Jetzt muss während des Verkehrsversuchs permanent man sich austauschen, feinjustieren, Monat für Monat an den Möglichkeiten arbeiten, die richtigen Weichen zu stellen. Und dann sind wir, wenn es dann gelungen ist, alle begeistert und wenn nicht, dann nehme ich den Bürgermeister beim Wort, wird es andere Wege geben.
Autofahrern drohen längere Wege durch die Stadt
Der Bürgermeister schloss auf einer Pressekonferenz Anfang April in Gießen nicht aus, dass Autofahrerinnen und Autofahrer künftig längere Wege in der Stadt hinter sich bringen müssten. Mit dem Fahrrad werde es dagegen schneller und vor allem sicherer. Der Verkehrsversuch ist zeitlich begrenzt, die Kosten sollen laut städtischer Kalkulation bei 1,2 Millionen Euro liegen.
Gießens Bürgermeister Alex Wright über den Verkehrsversuch
"Bislang können Autofahrer nach rechts oder links auf den Anlagenring abbiegen. Künftig wird das nicht mehr möglich sein. Wir wollen Radfahren sicherer machen in Gießen."
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Der Anlagenring hat momentan zwei Richtungen. Also wenn sie ankommen, können sie entweder rechts mit dem Auto abbiegen oder nach links. Und in Zukunft kann ich mit dem Pkw eben nur rechts abbiegen und dann eben immer dort in einer Richtung auch fahren. Und mit dem Fahrrad kann ich entsprechend rechts oder links abbiegen und habe aber meine eigene Spur, auf der ich dann sicher unterwegs bin. Wir sind die ganze Zeit schon in der Planung gewesen und jetzt wollen wir in die Umsetzung. Und man wird das erste Mal so Ende Juni dann auch konkret was an der Straße sehen. Es ist eben so, dass man Anlagenringen nicht updaten kann über Nacht, sondern wir müssen ihn eben unterteilen in vier Abschnitte, wo wir dann Abschnitt für Abschnitt eben dann entsprechend umstellen. Es ist dann so, dass wenn der erste Abschnitt auch fertig ist, dass es dann auch schon einen Teil gibt, wo uns eine Fahrradstraße gibt und die Autofahrer dann wirklich tatsächlich nur noch rechts fahren können. Und so gehen wir dann eben peu à peu einmal rum.
Was halten die Gießener von einem einspurigen Anlagenring?
Die Reaktionen reichen von: "Ich finde das einfach nur gut," bis "Dann stehen hier alle nur noch im Stau".
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Ich sehe es auch mit gemischten Gefühlen. Ich bin hier auch aufgewachsen. Ich denke, das wird zum Verkehrschaos ab und zu kommen. Für die Autofahrer, glaube ich, zu gewissen Stoßzeiten ist es eher schwierig. Also wenn es gut läuft, freue ich mich, aber skeptisch bin ich schon. Mit dem Fahrrad fühle ich mich hier in der Stadt nicht sicher genug und ich benutze dann, wenn ich weitere Wege habe, das Auto. Also ich finde das eigentlich sehr, sehr gut, weil man einfach viel besser von A nach B kommt. Und auch für uns Studenten ist es einfach eine sehr, sehr gute Sache, meiner Meinung nach. Zur Uni kommt man auch super mit dem Rad, deswegen, weil hier alles gerade ist, ist es eigentlich optimal. Also für die Fahrradfahrer ist der Anlagenring sehr gefährlich. Ich selbst bin als Fahrradfahrer immer nur sehr wenig auf dem Anlagenring. Es ist überhaupt kein Schutz für Fahrradfahrer da und deswegen muss da was gemacht werden. Ich finde es schon ein bisschen blöd eigentlich, weil die Verkehrslage in Gießen eine Katastrophe ist. Und wenn man das jetzt nur einspurig macht, ich glaube dann einfach ist die CO2-Belastung noch höher. Wenn noch mehr Autos stehen und nicht fahren, macht es für mich keinen Sinn.
© Stadt Giessen
Der Anlagenring in Gießen. In vier Abschnitten wird er ummarkiert und zur Einbahnstraße für Autos.
Gießen gilt bislang nicht als fahrradfreundlich
Man kann es nicht beschönigen: der Anlagenring in der Gießener City gilt unter Radfahrern als Katastrophe. Wer auf zwei Rädern unterwegs ist, schlängelt sich bisher zwischen den Autos hindurch, eine extra Fahrradspur gibt es nicht. Das soll sich mit dem Verkehrsversuch nun radikal ändern.
Fahrradfahrer bekommen eigene Spur
Die Stadtverordnetenversammlung hatte bereits 2021 einen einjährigen Verkehrsversuch beschlossen, der vorsah, eine mindestens drei Meter breite Spur des Anlagenrings ausschließlich für den Fahrradverkehr freizugeben. Eine Machbarkeitsstudie schlug als beste Umsetzungsvariante dann vor, den Anlagenring zur EInbahnstrasse zu machen.
Bürgermeister Alex Wright über die neuen Ampelphasen
"Wir verändern im Zuge der Bauarbeiten auch die Ampelphasen. Sie werden länger und mit Tonsignalen versehen. Das ist sicherer für Fußgänger. Zum Beispiel auch für Blinde."
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Ja, wir haben Stellen, wo wir entsprechend auch tatsächlich Signalisierung wegnehmen können. Das heißt, Fußgängerinnen und Fußgänger kommen da leichter rüber weg. Und wir haben bei den Ampelanlagen, die wir modernisieren, ist eben auch für Menschen, die nicht so gut unterwegs sind, ist es einfacher, weil die haben dann die Anforderung, dass die Grünzeit länger ist. Und das ist auch gut für Menschen, die blind sind, weil wir machen das dann natürlich auch mit Tonsignalisierung. Das heißt, die hören dann, wann die Ampel grün ist. Und für die ist es auch wichtig, dass die Ampel länger grün ist, weil die brauchen ja auch dieses Tonsignal die ganze Zeit, wenn sie rüber laufen.
Autofahrer in Gießen müssen sich ab dem Frühjahr auf eine große Umstellung…
© FFH
Bürgermeister Alexander Wright radelt selber durch Gießen. Er sagt: "Für Radfahrer ist es am Anlagenring eng, unübersichtlich und oft gefährlich."
Radelnder Bürgermeister kennt die Gefahren des Anlagenrings
Bürgermeister Alexander Wright fährt selber regelmäßig mit dem Rad über den Anlagenring: "Der Anlagenring ist aktuell für Radfahrende suboptimal, es gibt nicht durchgängig einen Fahrradschutzstreifen. Von Autos wird man dort eng überholt und es wird schnell gefahren"
Verkehrsversuch läuft ein Jahr
Unverständnis könnte es anfangs durchaus von einigen Autofahrern geben, so Wright. Langfristig rechne er aber mit viel Akzeptanz. Gießen sei vom Altersschnitt die jüngste Stadt in Hessen es gebe viele Menschen, die vermutlich sehr gerne mehr mit dem Rad unterwegs sein würden - sofern es denn bequem und sicher ist.
Fahrradspur auf dem Anlagenring ist Gießens Dauerthema
Da der Verkehrsversuch bereits für 2021 vorgesehen war, gab es immer wieder Demos und Aktionen von Verkehrswende-Aktivisten, die endlich die Umsetzung von Radspuren auf dem Anlagenring einforderten. Sie hoffen, dass er zu Entschleunigung und weniger Lärm für Grünanlagen, Geschäfte und Anlieger führen werde.
Aktivisten fordern breite Radwege auch auf Zubringerstraßen
Allerdings sollten nun, so fordern Verkehrswende-Aktivisten aktuell, auch die Zufahrten zum Anlagenring mit Fahrradachsen umgebaut werden. Es brauche Verbindungswege von der neuen Fahrradstraße zu allen Stadtteilen. „Der Autoverkehr Richtung Innenstadt soll weniger werden – dann braucht es auch keine mehrspurigen Straße dorthin“, heißt es aus den Initiativen. So könnte jeweils eine Autospur für Fahrrad und Bus reserviert werden.
Das neue Wohngeld plus scheint ein Erfolg zu werden - zumindest im Landkreis…