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> Brandstiftung in Hessen: Was steckt hinter den Feuerteufeln?
26.07.2022, 09:21 Uhr
Das sagen Psychologen zum Thema -
Was steckt hinter Feuerteufeln?
Wiederholter Waldstückbrand in Obertshausen, brennende Pflanzenabfälle auf einem Bauernhof in Seligenstadt und ein Holzlagerbrand in Hainstadt - innerhalb kurzer Zeit kommt es immer wieder zu gelegten Bränden und auch das FFH-Land bleibt vor den sogenannten „Feuerteufeln“ nicht verschont. Doch was genau steckt eigentlich hinter diesem Phänomen und was treibt die Brandstifter zu ihren Taten?
Neben Angst, Hilfslosigkeit und Wut macht sich schnell ein Gefühl von Fassungslosigkeit und Unverständnis gegenüber den Taten breit. Gerade die Frage des „Warums“ bleibt dabei jedoch oft, auch von den Tätern selbst, unbeantwortet.
Zum Nachhören: FFH-Reporter recherchieren
Shisha-Bar-Explosion in Gießen
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Ja, richtig spektakulär war bei uns der Brand in einer Shisha-Bar in Gießen. Da hat es 2017 eine riesige Explosion gegeben. Also die ganze Shisha-Bar ist in die Luft geflogen, überall Scherben, überall giftige Gase. Das ganze Gebäude ist völlig ausgebrannt. Neun Anwohner haben wirklich nur wie durch ein Wunder das Ganze überlebt. Die Nummer ist dann auch vor Gericht gelandet damals. Da mussten sich die drei Brandstifter und ihr Auftraggeber wegen versuchten Mordes verantworten. Der Auftraggeber, das war der 22 Jahre alte Besitzer der Bar, er wollte, so damals die Anklage, die Versicherungssumme für das Gebäude abgreifen. Am Ende gab es zum Teil mehrjährige Haftstrafen für die Täter.
Goetheturm durch Brandstiftung zerstört
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Ja, der 12. Oktober war ein echter Horrortag für alle Frankfurter. Der Goethe-Turm steht nachts in Flammen, das 43 Meter große Wahrzeichen der Stadt nur noch Schutt und Asche. Der Turm brannte wie eine Fackel, sagte damals ein entsetzter Feuerwehrsprecher. Aber die Brandserie auf Frankfurter Holzbauten begann schon im Frühjahr 2017. Zuerst steht im Mai der koreanische Pavillon im Grüneburgpark in Flammen. Nur einen Monat später fackelt der chinesische Pavillon im Betman-Park ab. Beides kulturelle Wahrzeichen der Stadt. Ob ein Zusammenhang zwischen den Bränden besteht, konnte die Polizei bis heute nicht klären. Auch eine heiße Spur zu dem oder den Tätern gibt es auch fünf Jahre danach immer noch nicht.
Über 50 Brände in Fulda's Wäldern
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Ja, seit August letzten Jahres hat es etwa 50 Mal in Wäldern hier in der Umgebung gebrannt, zum Beispiel im Reinhardswald. Das waren meistens sogenannte Holzpolter, also diese großen Stapel Baumstämme, die dann in Flammen aufgegangen sind. Aber auch Hochsitze oder Hütten waren dabei. Zum Glück wurden die Brände in den meisten Fällen rechtzeitig entdeckt und konnten dann auch schnell gelöscht werden. In zwei Fällen haben aber auch mehrere tausend Quadratmeter Wiesen oder Waldfläche gebrannt. Bisher ist die Brandserie noch nicht aufgeklärt.
„Feuerteufel“ treiben ihr Unwesen
Es gibt jedoch nicht den einen Typus „Feuerteufel“. Menschen, die absichtlich Sachgüter und Wälder in Flammen setzten, handeln aus den unterschiedlichsten Motiven. Neben dem typischen Motiv von jugendlichem Vandalismus oder der Brandstiftung aus Rache, ist auch „Pyromanie“ ein weitverbreiteter Begriff.
Die seltene Krankheit beschreibt es das impulsive Zündeln und die Besessenheit mit dem Feuer. Wiederholte Brandstiftung, wie auch bei dem verdächtigen 45-Jährigen Brandstifter aus Obertshausen zeigt außerdem: Feuerlegen hat Suchtpotenzial.
Flammen der (männlichen) Frustration
Häufig geht es aber auch um eine extreme Form des Machgefühls. Denn während die einen darin ihren Frust abreagieren, ergötzen sich die anderen an ihren feurigen Taten. In den meisten Fällen sind frustrierende Lebenssituationen, soziale Schwierigkeiten wie fehlende Anerkennung oder Wertschätzung, dabei die entscheidenden Auslöser.
Die Brände sind Impulstaten – ausgelöst von Enttäuschung oder Frustration. Aus hormonellen und evolutionsbiologischen Gründen zeichnet sich unter den Brandstiftern vor allem eine männliche Dominanz ab.
Wunsch nach Anerkennung
Die gesuchten „Feuerteufel“ sind prozentual nicht nur meistens Männer, sondern (zu) oft auch eigentlich „offizielle“ Bekämpfer der Flammen. So ließ sich eine Neigung unter Feuerwehrleuten feststellen, selbst zum Brandstifter zu werden.
Meist sind sie dann die ersten beim Brand und starten die perfide Löschungsaktion ihres eigenen Feuers. Motiv dabei: Der Wunsch nach Bedeutsamkeit und Anerkennung unter den Kameraden durch ihre „Heldentat“.
Zum Nachhören: Gespräch mit einem Experten
Feuerteufel haben eine ganz bestimmte Typologie, sagt der Experte
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Richtig. Es gibt Untersuchungen, dass die meisten männlich sind, jüng sind. Im Ausland Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten auch kaukasisch, also weiß, europäischer Abstammung sind und sehr häufig keine Partnerschaft haben und auch keine berufliche Anstellung haben. Genauso wie die niedrige Intelligenz, problematische Familiengeschichte. Man hat auch festgestellt, dass in nahezu 70 Prozent dieser Fälle wiederum eine Alkoholintoxikation vorgelegen hat. Also Sucht ist gar nicht häufig so sehr bei denen, sondern in dem Moment halt einfach mal was getrunken und dann gehen die Hemmungen halt noch ein bisschen runter, nicht wahr? Ja. Und dann kommt es zu dieser Tat. Kommen wir doch mal zu dem Klischee, dass diese Feuerteufel meistens selbst bei der Feuerwehr auch sind, also Täter aus den eigenen Reihen. Haben Sie dazu Beobachtungen sehen können? Also es gibt eine Faszination mit der Feuerwehr bei denen, insbesondere auch im Minderbegabten. Es gibt zum Beispiel auch Untersuchungen, dass die häufig darüber nachdenken, auch Feuerwehrmann gerne sein zu wollen oder ähnliches. Aber das Problem ist häufig, dass sie sozial gar nicht so integriert sind, dass sie in so eine relativ komplexe Gemeinschaft wie eine weihrwillige Feuerwehr jetzt auch integriert wären. Aber der Wunsch wie ein kleines Kind. Ja, auch die Faszination hat, da ist jemand mit einem großen roten Auto, mit einer Uniform, der hat eine Funktion, der darf da was laut machen und ist wichtig. Diese Faszination ist natürlich schon ein Faktor, der häufiger zu sehen ist, aber nicht in der Mehrzahl der Fälle keineswegs. Und erst recht nicht in der Mehrzahl der Fälle, dass die Mitglied in Feuerwehren wären. Dann ist ja häufig das Gefühl, also auch bedeutungsvoll zu sein, dass jemand sich auch in der normalen Gesellschaft nicht so gut behaupten kann. Ja, und keine Anerkennung spürt. Genau. Und wenn sie dann Feuer legen, haben sie eine ganz kleine Sache, die sie machen, einen riesen Effekt.
Er soll die eigene Gartenhütte angesteckt und danach seine Hausratversicherung…