Antisemitismus in Hessen - Anstieg nach Terrorakt in Israel
Schon am Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel ist laut einer Meldestelle für Hessen auch hier der Beginn einer "antisemitischen Welle" deutlich geworden.
"Bereits am 7. Oktober 2023 kam es zu acht in Hessen bekannt gewordenen antisemitischen Vorfällen", teilte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus des Bundeslandes (RIAS Hessen) in Wiesbaden bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2023 mit.
Antisemitismusbeauftragter spricht von Zäsur
Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Gert-Uwe Mende (SPD), sagte: "Der 7. Oktober hat die Welt verändert." Auch der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) nannte diesen Tag eine Zäsur, als die islamistische Hamas in Israel ein beispielloses Massaker verübt hatte.
Angriffe, Sachbeschädigungen, Bedrohungen
In Hessen wurden in den weniger als drei Monaten vom 7. Oktober bis zum Jahresende 2023 laut RIAS 338 antisemitische Vorfälle dokumentiert: "133 ab dem 7. Oktober, 139 im November und 66 im Dezember". Weiter hieß es dabei unter Bezug auf dieses knappe Vierteljahr: "Angriffe (16 Vorfälle), gezielte Sachbeschädigungen (32 Vorfälle) und Bedrohungen (33 Vorfälle) nahmen zu."
Mehr Vorfälle am Jahrestag der Pogromnacht
Im gesamten Jahr 2023 dokumentierte RIAS Hessen 528 antisemitische Vorfälle im Bundesland. Von Januar bis September 2023 schwankte die monatliche Zahl der Fälle dabei noch lediglich zwischen 17 und 29. Alleine am 8. und 9. November 2023 registrierte RIAS dann jeweils 14 antisemitische Vorfälle in Hessen - 85 Jahre nach der Pogromnacht der Nationalsozialisten vom 9. auf den 10. November 1938 in Deutschland. Damals begann eine Gewaltwelle gegen Juden, die im Holocaust mündete, der systematischen Ermordung von sechs Millionen Juden in Europa.
Meldestelle dokumentiert seit 2022
2022 hatte RIAS Hessen nur 179 antisemitische Vorfälle im Bundesland dokumentiert. Allerdings hatte die Meldestelle auch erst im Frühjahr 2022 mit dieser Arbeit begonnen. Sie ist angebunden an das Demokratiezentrum Hessen an der Philipps-Universität Marburg und leitet auch Betroffene an Beratungsstellen weiter. Der Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde in Wiesbaden, Steve Landau, erinnerte daran, dass Juden schon vor langer Zeit immer wieder "Brunnenvergifter" genannt worden waren. Nun habe ihm eine Jüdin gesagt: "Wir müssen uns wieder verstecken." Landau rät nach eigenen Worten den Mitgliedern seiner Gemeinde, "eher nicht den Davidstern offen zu tragen".
"Angst, Kinder in die Schule zu schicken"
Hessens Antisemitismusbeauftragter Becker sagte, Juden hätten "morgens Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken". Er fügte hinzu: "Es ist traurig, dass nach dem schlimmsten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah, dem 7. Oktober 2023, nicht das Bekenntnis für jüdisches Leben, sondern der Hass auf jüdisches Leben massiv gewachsen ist." Es gebe für Juden "derzeit keine Religionsfreiheit in Europa", zumindest nicht hinsichtlich des "öffentlichen Bekenntnisses zur eigenen Religion".
Protestcamp an Frankfurter Uni
Daniel Navon vom Vorstand des Verbandes Jüdischer Studierender Hessen berichtete: "Einzelne Studierende haben sich entschieden, ein oder zwei Semester nach dem 7. Oktober ruhen zu lassen. Andere haben gar entschieden, sich selbst zu exmatrikulieren, weil sie die Hoffnung an gewissen Universitäten gänzlich verloren haben." Der Antisemitismusbeauftragte Becker kritisierte erneut das Protestcamp propalästinensischer Gruppen bei der Frankfurter Goethe-Universität. Der hessische FDP-Fraktionschef Stefan Naas teilte hierzu mit: "Wir betrachten die Entwicklung mit Sorge, denn die Erfahrungen vergleichbarer Camps lassen antisemitische Äußerungen auch hier befürchten."
Viele Todesopfer auf beiden Seiten
Nach dem terroristischen Massaker mit mehr als 1.200 Toten am 7. Oktober in Israel kamen im folgenden Gaza-Krieg laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35.000 Palästinenser ums Leben, wobei die unabhängig kaum zu überprüfende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet. Norwegen, Irland und Spanien teilten mit, Palästina am 28. Mai formell als Staat anzuerkennen.
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