Erzieher, Müllabfuhr, Busfahrer: Erste Tarifrunde öffentlicher Dienst
Erzieher, Müllabfuhr, Busfahrer - Erste Tarifrunde öffentlicher Dienst
Es geht um die künftigen Gehälter für Erzieher oder etwa die Müllabfuhr: In Potsdam beginnen heute die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst. Die Gewerkschaften haben klare Forderungen - die Arbeitgeberseite gibt sich bisher zurückhaltend.
Verdi, der Beamtenbund dbb, die kommunalen Arbeitgeber und das Bundesinnenministerium kommen zur ersten von drei geplanten Tarifrunden für den öffentlichen Dienst zusammen. In Potsdam werden die Entgelte für die Tarifbeschäftigten des Bundes und der Kommunen verhandelt.
Um wen es geht
Direkt oder indirekt betroffen von den Verhandlungen sind rund 2,5 Millionen Menschen. Der Großteil ist nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) beschäftigt, auf Beamtinnen und Beamte wird der Tarifabschluss üblicherweise im Nachhinein übertragen. Die Beschäftigten arbeiten zum Beispiel in sozialen oder medizinischen Berufen, in der Verwaltung, an Schulen und Universitäten, im Nahverkehr oder in den Abfallbetrieben. Auch Feuerwehrleute und die Bundespolizisten gehören dazu. Für die Beschäftigten der Länder wird separat verhandelt.
Was wollen die Gewerkschaften?
Verdi und der Beamtenbund fordern acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat. Auszubildende sollen monatlich 200 Euro mehr bekommen. In besonders belastenden Jobs, etwa im Gesundheitsbereich mit Wechselschichten, soll es höhere Zuschläge geben.
Weitere Forderungen drehen sich um die Themen Arbeitszeit und Flexibilität. Die Gewerkschaften wollen für alle Beschäftigten drei zusätzliche freie Tage, für Gewerkschaftsmitglieder sollen es vier Tage sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen zudem persönliche Arbeitszeitkonten erhalten. Damit sollen sie selbst entscheiden können, ob sie sich Überstunden auszahlen lassen oder diese zum Beispiel für zusätzliche freie Tage nutzen.
Personalnot, Überalterung und der Wunsch nach mehr Flexibilität
Schon heute fehlten im öffentlichen Dienst rund 500.000 Mitarbeiter, melden die Gewerkschaften. In den kommenden zehn Jahren gingen weitere 1,4 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand, warnt Volker Geyer, Verhandlungsführer für den Beamtenbund. Der Personalnotstand spitze sich seit Jahren immer weiter zu.
"Viele Kommunen befinden sich am Rande der Handlungsfähigkeit, die Beschäftigten sind überlastet", sagt Verdi-Chef Frank Werneke. "Wenn nicht gehandelt wird, droht ein Kollaps." Ein Problem sei, dass der Bund die Kommunen stetig mit weiteren Aufgaben belaste.
Der öffentliche Dienst müsse dringend attraktiver werden, mahnt Geyer. "Beim Geld allein wird die Privatwirtschaft den Staat immer abhängen, deshalb ist für die Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes auch ein Faktor wie Arbeitsplatzsouveränität entscheidend." Die Forderungen nach mehr freien Tagen und flexibleren Zeiten sollen hier ansetzen.
Das sagt die Arbeitgeberseite
Die Gewerkschaften hatten ihre Forderungen im Oktober in ihren Gremien beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte damals, die Forderungen der Gewerkschaften seien sehr hoch. "Die Haushaltslage ist und bleibt angespannt, insbesondere auch in den Kommunen."
Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), wies auf die Mehrkosten hin. Allein die Entgeltforderungen und die drei zusätzlichen freien Tage würden für die kommunalen Arbeitgeber Zusatzkosten von insgesamt 14,88 Milliarden Euro bedeuten. "Das ist schlicht nicht zu stemmen und passt nicht in diese Zeit", sagte Welge im Oktober.
Welche Rolle spielt das Ampel-Aus?
Die vorgezogene Bundestagswahl fällt mitten in die Tarifverhandlungen. Für sie gelte deshalb ein Zurückhaltungsgebot, sagte Innenministerin Faeser Anfang des Monats bei der Jahrestagung des Beamtenbundes in Köln.
Die zweite Verhandlungsrunde findet am 17. und 18. Februar und damit knapp eine Woche vor der Neuwahl statt. Die voraussichtlich finale Verhandlungsrunde ist für den 14. bis 16. März angesetzt.
Warnstreiks möglich
Bei der zurückliegenden Tarifrunde hatten sich Bund, Kommunen und Gewerkschaften nach zähen Verhandlungen 2023 auf ein Plus von 5,5 Prozent geeinigt. Hinzu kamen steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3.000 Euro und ein Sockelbetrag von 200 Euro.
Mit dem nun auslaufenden Tarifabschluss hatten die Gewerkschaften die größte Tariferhöhung im öffentlichen Dienst seit Jahrzehnten erzielt. Damit sollte der damals drastische Anstieg der Verbraucher- und Energiepreise abgefedert werden. Die Verhandlungen waren von zahlreichen Warnstreiks begleitet worden. Unter anderem hatten Mitarbeiter von Stadtverwaltungen, Krankenhäusern, Universitäten, öffentlichen Bädern und der Müllabfuhr gestreikt.
Ausgeschlossen sind Warnstreiks in der neuen Tarifrunde nicht. "Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Einrichtungen sind hoch motiviert, für ihre Anliegen einzutreten", sagt Verdi-Chef Werneke. "Es liegt an den Arbeitgebern, wie die Tarifrunde (...) verläuft." Beamtenbund-Sprecher Geyer warnt vor einem "harten Tarifkonflikt".