Seit einem Jahr legales Kiffen in Hessen - Was hat sich getan?
Was hat sich seitdem getan? - Ein Jahr legales Kiffen in Hessen
Seit einem Jahr ist der Cannabis-Konsum in Deutschland erlaubt, auch in Hessen. Neue Kifferclubs an jeder Ecke gibt es seitdem nicht. Aber was hat sich verändert? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Die von der damaligen Ampel-Koalition im Bund beschossene Teillegalisierung von Cannabis zu Genusszwecken gilt seit April 2024.
- Seitdem ist das Kiffen für Volljährige erlaubt, allerdings nicht im direkten Umfeld beispielsweise von Schulen oder Spielplätzen.
- Erwachsene ab 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen und mit sich führen.
- Seit Juli vergangenen Jahres dürfen außerdem Cannabis-Anbauvereine für den gemeinschaftlichen Anbau und die Weitergabe von Cannabis zugelassen werden.
Wie viele frühere Straftaten wurden erlassen?
- 9 Menschen kamen seit der Teillegalisierung vorzeitig aus dem Gefängnis raus. Das teilte uns die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt mit
- 1.370 Strafverfahren mussten insgesamt neu bewertet werden
- 959 Strafen wurden erlassen
- 411 Strafen wurden neu festgelegt
Wie hat sich die Polizeiarbeit verändert?
Grundsätzlich bedeute die Teillegalisierung mehr Aufwand für die Polizei, erklärte das Innenministerium. "Die Neuerungen führen zu einem erheblichen Kontrollaufwand und zu zahlreichen neuen Streitfragen", hieß es.
Innenministerium: "Dealer passen sich an neue Bedingungen an"
Nach aktuellen Erkenntnissen würden in Hessen einschlägige Straßendealer die Freigrenzen von 25 Gramm gezielt ausnutzen, um ihrem Handel offen nachzugehen - unter anderem durch offenes Vorzeigen von Joints. Zur eigentlichen Übergabe wird sich in der Regel aber bewusst zurückgezogen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, "dass sich kriminelle Gruppierungen an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen und neue Möglichkeiten für kriminelles Handeln nutzen werden", teilte das Ministerium mit.
Weniger Verstöße
Dennoch sank die Zahl der Verstöße: Im Zuge der polizeilichen Kriminalstatistik 2024 habe man im Vergleich zum Vorjahr 2023, wo es 16.252 Cannabis-Verstöße gab, eine Abnahme der Fallzahlen um 52 Prozent festgestellt. Dies bestätigt auch der mittelhessische Polizeipräsident Thorsten Krückemeier im FFH-Gespräch. Er sagt: "Der illegale Cannabishandel hat sich entsprechend eingestellt und wir finden viele 25-Gramm-Bunker, die wir nicht zuordnen können. Am Ende kann man auch mit vielen Kleinsttransporten große Menge Cannabis transportieren."
Poseck: "Bärendienst für Gesundheitsschutz"
Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte dazu: "Die Legalisierung von Cannabis hat zu einem Fallzahlenrückgang bei Rauschgiftdelikten geführt. Das allein kann die Teillegalisierung aber nicht rechtfertigen." Das Gesetz erweise dem Gesundheitsschutz, insbesondere von jungen Menschen, einen Bärendienst. "Wir müssen vor allen Dingen junge Menschen vor Drogen schützen und hier besteht jetzt die Gefahr, dass sie wesentlich eher und wesentlich früher mit Cannabis in Berührung kommen. Sie können Psychosen entwickeln und deshalb dürfen wir nicht etwas legalisieren, was mit solchen Gefahren verbunden ist", so Poseck am FFH-Mikro.
Wie viele Cannabis-Clubs gibt es?
Mit der Teillegalisierung wurde auch der Anbau von Cannabis erlaubt. Seit Juli vergangenen Jahres dürfen Cannabis-Anbauvereine für den gemeinschaftlichen Anbau und die Weitergabe von Cannabis zugelassen werden. In Hessen wurde fünf Vereinigungen der Anbau von Cannabis genehmigt. Insgesamt sind nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums Darmstadt 27 entsprechende Anträge eingereicht worden.
Genehmigte Vereine sitzen in Frankfurt, Vogelsberg, Limburg-Weilburg und Gießen
Drei weitere Anträge seien zurückgenommen und zwei an ein anderes Bundesland übergeben worden, teilte die Behörde mit. Die genehmigten Anträge gelten für Anbauvereinigungen in Frankfurt, im Vogelsbergkreis, im Landkreis Limburg-Weilburg und zweimal im Landkreis Gießen.
Strenge Auflagen
Die Genehmigung für den Anbau unterliegt strengen Auflagen. Die Vereine müssen unter anderem die Zahl der Mitglieder angeben sowie die Lage des Grundstücks und die Größe der Anbauflächen und Gewächshäuser benennen. Erforderlich sind zudem Angaben darüber, wie viel Cannabis pro Jahr - getrennt nach Marihuana und Haschisch - angebaut und abgegeben werden soll.
Wie bewerten die Clubs die Teil-Legalisierung?
Die Cannabis-Clubs sind ein Jahr nach Start des neuen Gesetzes "gefühlsmäßig etwas gespalten" - das sagt zumindest der Sprecher des Gesamtvereins Mariana Cannabis Social Clubs Deutschland, Jan-Henrik Ipsen. Einerseits sei man glücklich, endlich keine Strafverfolgung mehr fürchten zu müssen und sich "endlich ein paar Pflanzen hinstellen zu dürfen". Andererseits werde das Gesetz von allen Seiten angegriffen. Auch die Vergabe von Anbau-Genehmigungen sei ein Problem.
Verein rechnet in Kürze mit ersten Anbaulizenzen
In Hessen rechnet der Verein zeitnah mit den ersten drei Anbaulizenzen in Frankfurt, Marburg und Gießen. Im Land gibt es elf Mariana Cannabis Social Clubs mit insgesamt rund 1.500 Mitgliedern. Die meisten Mitglieder haben die Clubs in Darmstadt (rund 280), Marburg (ebenfalls etwa 280) und in Frankfurt (rund 200). Bundesweit haben die Zweigvereine rund 18.000 Mitglieder.
Cannabis Club Limburg hat bereits Lizenz erhalten
Ein Club, der seine Lizenz bereits bekommen hat, ist der Cannabis Club Limburg. Rund acht Monate, nachdem der Club seinen Antrag gestellt hat, kam die Zusage. Noch diese Woche will der Club mit dem Anbau beginnen, so der Erste Vorsitzende Sascha Kramer, im FFH-Interview.
Kramer: "Das war ein langer, harter Weg"
"Das war schon ein sehr langer, harter Weg. Wir haben Konzepte eingereicht, über 200 Seiten. Wir mussten da quasi ein kleines Buch schreiben, um die Behörde davon zu überzeugen, dass wir das auch ordentlich machen", so Kramer. Er rechnet damit, in der zweiten Juniwoche das erste Cannabis an seine Mitglieder ausgeben zu können. Der Verein hat etwa 160 Mitglieder.
Wie steht es um den privaten Anbau?
Das ist schwer zu sagen, denn der private Anbau ist nicht meldepflichtig. Das Gesetz erlaubt den Anbau von bis zu drei Pflanzen pro Haushalt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben seit der Legalisierung sieben Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland Cannabis-Samen für den privaten Eigenanbau gekauft. Die Umfrage ist allerdings von April 2024.
Wird mehr öffentlich gekifft?
Seit Inkrafttreten des Gesetzes vor einem Jahr wird in Fulda der Konsum von Cannabis im öffentlichen Bereich deutlich häufiger wahrgenommen. Verstöße seien allerdings nur im geringen Ausmaß durch die Stadtpolizei festgestellt worden, teilte die Stadt mit. Die meisten Verstöße wie der Konsum in Gegenwart von Minderjährigen werden im Bereich von Spielplätzen und Schulhöfen sowie in deren Sichtweite festgestellt.
Keine Beschwerden in Frankfurt
Die Stadt Frankfurt habe bisher zehn Ordnungswidrigkeitenanzeigen eingeleitet - Angaben dazu, ob das weniger oder mehr als vor der Teillegalisierung waren, machte die Stadt nicht. Beschwerden bei der Einhaltung von Abstandsregeln zu Spielplätzen oder Schulen gebe es nicht.
Mehr öffentlicher Konsum in Wiesbaden
Auch in der Landeshauptstadt Wiesbaden beobachtet man häufiger Konsum im öffentlichen Raum, in Zahlen lässt sich das nach Angaben der Stadt aber nicht ausdrücken. Die meisten Konsumenten würden sich an die Regeln halten und so habe die Stadtpolizei bislang nur selten eingreifen müssen. Bislang hätten auch keine Kontrollen in Privaträumen wegen des Verdachts des Cannabisanbaus stattgefunden. Allerdings sei davon auszugehen, dass durch die Legalisierung auch der legale private Anbau zugenommen habe.
Nur Einzelfälle in Darmstadt
In Darmstadt kann die Stadtpolizei keinen häufigeren Konsum im öffentlichen Straßenraum wahrnehmen. "Insbesondere ist keine signifikante Veränderung seit der Freigabe zu erkennen", erklärte ein Stadtsprecher. Verstöße gegen die Abstandsregeln zu Kitas und Co. seien Einzelfälle, wesentlich häufiger werde der Konsum von Alkohol oder Lachgas festgestellt.